Erfurt. Migrantisches Theater von Pedro Kadivar zeigt ein Schauspielerinnen-Schicksal in der Erfurter Studiobox

Schemenhaft sitzt eine Schauspielerin einsam in finsterer Stille auf leerer Bühne. Diese urgründige Szene – ikonografisch für Entfremdung und Isolation – manifestiert schon das Bild, das von ihr in Erinnerung bleiben wird: eine Pietà, eine Mitleidsfigur der heutigen Zeit. Dennoch beschert ihr diese Situation einen sehnsüchtigen, ja existenziellen Glücksmoment. Denn sie hat ein Publikum, und sie sagt: „Ich höre euren Atem.“

In dem 90-minütigen Sozialdrama dieses Titels, das der iranische Exilautor Pedro Kadivar – angeregt durch ausgerechnet ihr migrantisches Schicksal – für sie geschrieben hat, verkörpert Nazafarin Kazemi eine aus ihrer Heimat geflüchtete Schauspielerin, die unterm Mullah-Regime in Teheran nicht mehr auftreten durfte und in Deutschland qua Sprachbarriere seltenste Möglichkeit dazu findet. Sie hat also die verzwickt ambivalente Aufgabe, eine fiktive Figur zu spielen, die ihr selbst so stark ähnelt, dass jegliche Distanzierung schwerfallen muss. Nun hatte dieses Stück seine Uraufführung in der experimentellen Studiobox des Theaters Erfurt.

Atem bedeute ihr Lebenskraft und der des Publikums ihren wahren Energiequell, erläutert die Frau in Rot in korrektem, doch akzentbehaftetem Deutsch. Das hat bei ihr schon als Sechsjähriger die Leidenschaft fürs Theater entzündet: Nur im Spielen findet ihr Leben ernsthaften Halt. Doch dann wechselt sie ins Persische, und den Großteil ihres strapaziösen Monologs liest die Zuschauerschaft von der übertitelten Übersetzung ab. Diese Verfremdung charakterisiert eine Fremdheit beiderseits.

Allzu klischeehaft entspinnt sich ein Migranten-Schicksal

Wie Scheherazade erzählt sie so ihre Geschichte: allzu typisch, durchaus klischeebeladen und gar nicht märchenhaft. Wie sie trotz eminenter Erfolge auf der Bühne, im TV und Film ins restriktive Visier des Mullah-Regimes geriet, wie sogar ihr staatstreuer Ehemann sie unterdrückte und sie wegen faktischen Berufsverbots, ihre Kinder zurücklassend, in die Fremde, nach Deutschland, entfloh. Wie hier ihre Einsamkeit sogar noch zunahm, naive Träume zerstoben und ihr Asylantrag auf Ablehnung stieß.

Der gute Vorsatz „Eines Tages werde ich auf Deutsch spielen!“ bleibt weitgehend uneingelöst. Sie klagt gegen den Ablehnungsbescheid, sucht verzweifelt eine neue Heimat im Niemandsland und fürchtet den Albtraum zu ersticken und zu verstummen. Ersterben des Sprechens löscht Existenz. All dies schildert sie in einem großen, gleichförmigen Monolog, lediglich anonyme Lautsprecherstimmen simulieren zuweilen ein Gegenüber im Gegenlicht.

Fürs wohlmeinend empathische Publikum bleibt diese vom Autor Kadivar höchstselbst inszenierte Uraufführung recht mühsam, da Tempo und Rhythmus kaum variieren und die Geschichte nichts Überraschendes, keinerlei dramatische Wendungen birgt. Nur zweimal, in kurzen Zitaten, entfaltet Kazemi ihre enorme Potenz als Tragödin: als Sophokles‘ Antigone und als Shakespeares Lady Macbeth. Urplötzlich gewinnt sie da Dringlichkeit und enorme Präsenz. In der eigenen Rolle jedoch bleibt sie nur ein trauriger Schatten ihrer selbst.

Weitere Vorstellungen: 13. und 28. April, 18. und 24. Mai sowie 16. Juni