Berlin. China beeinflusst indirekt den Verlauf des Ukraine-Krieges, weil es Russland bei Waffen und Munition hilft. Ein Rohstoff ist zentral.

Russland führt nach Ansicht westlicher Militärexperten in der Ukraine einen Abnutzungs- und Zermürbungskrieg. Entscheidend ist dabei nicht nur, wie viele Soldaten Kremlchef Wladimir Putin mobilisieren kann, sondern auch, wie leistungsfähig seine Rüstungsindustrie ist. Stellt sie den steten Nachschub an Waffen und Munition sicher?

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Bei der Durchhaltefähigkeit einer Armee geht es nicht zuletzt um Masse oder Klasse. Modernste Waffen kosten viel, verlangen eine aufwendige Produktion, setzen gut ausgebildete Soldaten voraus. Russland setzt auf Masse. Das überrascht nicht und hat sogar Tradition.

Putins Freunde: Von China mehr als rhetorisch Rückendeckung?

Der frühere amerikanische Nato-Offizier Alex Vershinin erinnert in einem Kommentar für den britischen Think-Tank „Royal United Services Institute for Defence and Security Studies“ daran, dass im Zweiten Weltkrieg auf jeden deutschen Panzer acht einfache russische T-34 kamen. „Der Leistungsunterschied rechtfertigte nicht die zahlenmäßige Ungleichheit in der Produktion.“

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Bei der Analyse des Ukraine-Konflikts fragen sich Ökonomen seit Langem, wie Putin in der Ukraine eine derart verlustreiche Kriegsführung durchhalten kann. Er ist nicht isoliert. Außerhalb Europas stehen viele Staaten zum Krieg eher neutral. Das gilt für Brasilien oder Indien. Es gibt aber auch offene Unterstützung für Putin. Zu seinen Büchsenspannern zählt man Nordkorea und den Iran. Sie gelten als Rüstungslieferanten, insbesondere von Drohnen und Munition.

Ein echter „Gamechanger“ wäre allerdings China. Bisher hat die chinesische Führung nach US-Einschätzung für Putin „rhetorisch Rückendeckung“ geleistet. Nun macht sich in Washington die Sorge breit, dass die Chinesen mehr leisten, viel mehr.

„Es ist das Pulver, woran es uns derzeit wirklich fehlt“

Das dürfte auch der Bundesnachrichtendienst erfahren und Kanzler Olaf Scholz (SPD) alarmiert haben. Scholz hat bei seinem China-Besuch in Shanghai vor jeglicher militärischer Unterstützung Russlands gewarnt und dazu aufgerufen, Sanktionen nicht zu umgehen, „keine Waffenlieferungen zu machen.“ Der Bundesregierung ist wohl nicht verborgen geblieben, dass Putin sich in China mit Produkten eindeckt, die für die Waffenproduktion hilfreich sind.

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Während die Ukraine unter Waffen- und Munitionsmangel leidet, unterstützt China nach Erkenntnissen der US-Regierung die russische Rüstungsindustrie, wie der Narichtensender CNN berichtet. Es ist eine Ressourcenfrage und gemeint sind

  • erhebliche Mengen an Werkzeugmaschinen;
  • Triebwerke für Drohnen und Marschflugkörper;
  • Mikroelektronik für Panzer und Flugzeuge;
  • Hilfe bei der industriellen Fertigung von Drohnen;
  • und schließlich Nitrozellulose.

Nitrozellulose ist quasi ein Nebenprodukt der Papierherstellung und eignet sich für viele Zwecke, zum Beispiel bei Lacken oder auch als Explosivstoff, landläufig Schießpulver genannt. Die Lieferengpässe in Europa gelten als ein Grund dafür, warum die EU der Ukraine nicht Munition im versprochenen Umfang liefern konnte. „Es ist das Pulver, woran es uns derzeit wirklich fehlt“, wurde der französische Präsident Emmanuel Macron Ende Februar bei einer Konferenz zur Unterstützung der Ukraine zitiert. Ohne Schießpulver keine Granaten.

Putins Werk, Chinas Beitrag

Der Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa, General Christopher Cavoli, sagte zuletzt vor US-Abgeordneten, dass die russischen Kapazitäten „wieder angewachsen“ seien. Der Verdacht der Amerikaner ist offensichtlich, dass die Chinesen ein falsches Spiel treiben: Für Russland gibt es Nitrozellulose, für die Unterstützer der Ukraine nicht.

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Dank chinesischer Rohstoffe könne Putin bei der Rüstungsproduktion „kritische Lücken“ schließen, zitiert CNN einen hochrangigen Beamten in Washington. So erklärt man sich dort die schnell wachsende Produktion von Artilleriegeschossen. Russland sei auf dem besten Weg, „fast dreimal mehr Artilleriemunition zu produzieren als die USA und Europa“, so CNN weiter. Ferner helfe man Russland nach Erkenntnissen der Geheimdienste bei der Verbesserung seiner Satelliten- und weltraumgestützten Fähigkeiten.

Die Amerikaner sind beunruhigt. Außenminister Antony Blinken habe während seiner jüngsten Europareise die Verbündeten sensibilisiert. Präsident Joe Biden habe parallel in einem Telefonat mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping Anfang des Monats die Unterstützung Chinas für die russische Verteidigungsindustrie angesprochen.

China hält dagegen, dass man keine Waffen an Russland liefere. Aber industrielle Hilfe zur militärischen Selbsthilfe? Scholz machte in China jedenfalls klar, dass das Embargo auch „für Produkte gelten muss, die unter dem Gesichtspunkt von Dual Use zwar theoretisch auch für zivile Zwecke genutzt werden können, aber in Wahrheit für militärische genutzt werden.“ Da sei „ein klarer Blick“ erforderlich.

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