Saale-Holzland. Warum Südkoreaner aus Prag, Frankfurt/Main oder Dresden am Sonnabend das Saale-Holzland besuchten. Und welche Fernsehköchin in der Porzellanmanufaktur sogar die Tonmasse kostete.

  • Warum am Sonnabend besonders viele Koreaner nach Reichenbach kamen.
  • Was der mit mehr als 250 Preisen ausgezeichnete Film „Parasite“ mit dem Porzellan in Reichenbach zu tun hat.
  • Eine bekannte Fernsehköchin probiert in Reichenbach im Saale-Holzland-Kreis auch von der Tonmasse.

Konzentriert schiebt Jiyoun Park einen Rollwagen vor sich her. Große, weiße Tüten gefüllt mit wertvoller Ware müssen zum Auto transportiert werden. Die gut verpackten Einkäufe verstaut sie im Kofferraum – und schon geht es zurück für die nächste Fuhre.

Jiyoun Park war am Sonnabend eine von vielen Südkoreanern, die eigens wegen des Sonderverkaufes der Porzellanmanufaktur Reichenbach zum Tag des Thüringer Porzellans in den Saale-Holzland-Kreis reisten. Frühmorgens 4 Uhr sei sie in Frankfurt/Main losgefahren, um ein paar Stunden später Reichenbacher Porzellan für sich, ihre Familie und für Freunde kaufen zu können, erzählt sie auf Englisch. Nach dreieinhalb Jahren geht es für sie und ihren Ehemann nun im Juli wieder zurück in die Heimat – auch mit Geschenken aus Reichenbach im Gepäck. Ihr Mann arbeitet zeitweise in Deutschland, sie sei in Frankfurt nicht berufstätig. Sie spreche kein Deutsch, ergänzt sie, die in Südkorea als Buchhalterin beschäftigt war.

Saale-Holzland: Eine Stunde Wartezeit, um endlich das Keramik-Paradies betreten zu können

Für „sehr schönes Geschirr zu einem guten Preis“ war ein koreanisches Paar mit seinem Töchterchen ebenfalls aus Frankfurt/Main angereist. Etwa eine Stunde standen sie schon in der langen Schlange vor dem Sonderverkauf, bis Michael Barth sie endlich erlösen und ihnen den Eintritt ins Keramik-Paradies genehmigen konnte. Er sei heute für die Ordnung und Sicherheit zuständig, sagt er mit einem Schmunzeln. Weil die Räumlichkeit für den Sonderverkauf mit Kiloware, bei dem vor allem Porzellan mit kleinen Fehlern angeboten wird, relativ beengt ist und viele Kunden gleichzeitig Einlass begehrten, musste der Ansturm geregelt werden. Normalerweise sei es seine Aufgabe, für die Reichenbacher Porzellanmanufaktur Gipsformen zu gießen.

Bis zu eineinhalb Stunden haben Besucher teilweise warten müssen, bis sie sich im Sonderverkauf umschauen konnten, sagt Michael Barth, Mitarbeiter der Porzellanmanufaktur Reichenbach.
Bis zu eineinhalb Stunden haben Besucher teilweise warten müssen, bis sie sich im Sonderverkauf umschauen konnten, sagt Michael Barth, Mitarbeiter der Porzellanmanufaktur Reichenbach. © OTZ | Ute Flamich

Etwa 40 Minuten warteten Seul Sa und zwei weitere koreanische Frauen in der Reihe der Porzellaninteressierten – glücklicherweise bei herrlichem Wetter. Sie leben derzeit in Dresden und haben über das Internet vom Tag des Thüringer Porzellans erfahren. Für sich selbst waren sie auf der Suche nach Tellern der italienischen Designerin Paola Navone. Mit ihr arbeitet die Porzellanmanufaktur Reichenbach seit 2003 zusammen.

Ein wenig abseits stand derweil eine Gruppe von Südkoreanerinnen, die ihr Einkaufserlebnis bereits hinter sich hatte. Unzählige Einkaufstüten standen zu ihren Füßen. Aus Prag seien sie am Morgen angereist, um Geschirr, Kuchenplatten und mehr zu kaufen. Für Südkoreaner sei dieser Sonderverkauf eine berühmte Veranstaltung, sagt eine der Frauen.

In Südkorea ist die Geschirr-Serie ‚Taste‘ von Paola Navone besonders beliebt, weil sie genau den Geschmack der Menschen dort trifft. Zudem ist das Porzellan im südkoreanischen Film ‚Parasite‘ zu sehen.
Annett Geithe - Prokuristin der Porzellanmanufaktur Reichenbach

Warum das so ist, erklärt Annett Geithe, die Prokuristin des Thüringer Unternehmens. „In Südkorea ist die Geschirr-Serie ‚Taste‘ von Paola Navone besonders beliebt, weil sie genau den Geschmack der Menschen dort trifft.“ Zudem ist das Porzellan im südkoreanischen Spielfilm „Parasite“ von Bong Joon-ho aus dem Jahr 2019 zu sehen. Der Film ist mit mehr als 250 Preisen ausgezeichnet worden und gewann bei der Oscar-Verleihung im Jahr 2020 vier Academy-Awards, darunter als erste fremdsprachige Produktion in der Geschichte der Oscar-Verleihung auch den Preis für den besten Film des Jahres.

„Dieses Jahr waren besonders viele koreanische Kunden da“, sagt Annett Geithe. „Das hat uns natürlich sehr gefreut. Wir haben aber auch gesehen, dass das für alle anderen Kunden und unsere Mitarbeiter im Verkauf nicht so schön war. Wir sind schon am Überlegen, wie wir das ändern können und haben schon ein paar Ideen für den nächsten Verkauf, damit es für alle Kunden wieder ein schöner Einkauf wird.“

Saale-Holzland: Die drei Werksführungen am Sonnabend waren bei Besuchern ebenfalls sehr gefragt

Annett Geithe selbst übernahm am Sonnabend die drei angebotenen Werksführungen, die sich ebenfalls großer Beliebtheit erfreuten. Gut eine Stunde und 15 Minuten dauerte die 10 Uhr-Tour, die einen Einblick in alle wesentlichen Arbeitsschritte im Unternehmen ermöglichte. So zeigte ein Mitarbeiter beispielsweise, wie flüssige Porzellanmasse in Henkel-Formen gegossen wird. Ein anderer präsentierte, wie aus einer festen Formmasse Teller gedreht werden. Die Prokuristin zeigte Teller für die Firma Hering Berlin, auf denen Schellack-Linien mit dem Pinsel per Hand aufgezeichnet oder die per Hand in den rohen Scherben gelöchert werden und so ein Unikat nach dem anderen entsteht.

Sie erzählte unter anderem von der luxemburgischen Fernsehköchin und Gastronomin Léa Linster, die in Reichenbach zu Besuch war, um im Werk handgedrehte Porzellanteller exakt nach ihren Wünschen anfertigen zu lassen. Léa Linster habe es sich dabei nicht nehmen lassen, sogar von der Tonmasse zu kosten.

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Über den Glüh- und den Glattbrand wurde informiert und es wurde vorgeführt, wie beispielsweise Teller zu ihrer Glasur kommen. Wie Farbe mit einem Schwamm auf eine Tasse „gestupft“ und ein Goldrand per Hand aufgemalt wird, das konnten sich die Besucher ebenfalls ansehen. Ein Blick in den 1220 Grad heißen Ofen war möglich; zwei Mitarbeiter zeigten, wie Teller mit Löchern und Goldrand poliert werden.

Prokuristin Annett Geithe (links) zeigt den Teilnehmern der Werksführung einen Teller, der per Hand in rohen Scherben gelöchert wurde.
Prokuristin Annett Geithe (links) zeigt den Teilnehmern der Werksführung einen Teller, der per Hand in rohen Scherben gelöchert wurde. © OTZ | Ute Flamich

„Mir hat die Führung sehr gut gefallen“, sagt Marion Pammler aus Schmölln. „Man merkt, mit welchem Herzblut hier gearbeitet wird und wie viel Energie in die Porzellanproduktion gesteckt wird. Meine Tante hat in Lichte im Porzellanwerk gearbeitet und ich habe ganz viel Porzellan von ihr geerbt, das ich in Ehren halte. Trotzdem werde ich mich heute auch hier in Reichenbach umschauen“, sagt sie.

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Alexandra Clauß aus Bückeburg in der Nähe von Hannover und ihrer Mutter Edda Clauß aus Bad Klosterlausnitz hat die „sehr ausführliche Führung“ ebenfalls sehr gut gefallen. Mit Blick auf all die vielen Arbeitsschritte habe sie noch mehr Angst, die guten Teller zu benutzen, sagt Alexandra Clauß und lacht.

Das Kindergeschirr „Porzellini“ ist mit dem Diakoniewerk Eisenach entstanden. Ein junger, geistig behinderter Mann hat das Motiv gemalt. Das Diakoniewerk bekommt Provision für jedes verkaufte Teil. 
Das Kindergeschirr „Porzellini“ ist mit dem Diakoniewerk Eisenach entstanden. Ein junger, geistig behinderter Mann hat das Motiv gemalt. Das Diakoniewerk bekommt Provision für jedes verkaufte Teil.  © OTZ | Ute Flamich

Seit dem Jahr 1900 fertigt das Unternehmen, das derzeit 37 Mitarbeiter hat, sehr feines und transparentes Porzellan. Das Sortiment wird ergänzt durch Hand geformte und dekorierte Porzellanfiguren des traditionellen Figurenherstellers Porzellanfiguren Gräfenthal. Die Reichenbacher arbeiten zu etwa 60 Prozent unter ihrer eigenen Marke. Ihre Produkte verkauft die Firma in 35 Länder. Ein Hauptkunde ist Südkorea, viele Sonderanfertigungen werden zu Kunden nach Taiwan verschifft.

Die restlichen 40 Prozent fertigt die Porzellanmanufaktur Reichenbach für andere Marken. Diesbezüglich sei der größte Kunde die Firma Hering Berlin. „Sie sind quasi das moderne Meißen“, sagt Annett Geithe. Die aus ihrer Sicht bisher außergewöhnlichste Anfertigung in der eigenen Produktionsstätte sei „Arura“, die größte Porzellan-Vase der Welt von Künstler Alim Pasht-Han, die in der Ausstellung Porzellanwelten auf der Leuchtenburg in Seitenroda zu bewundern ist.

Termin: Zum nächsten Porzellansonderverkauf in Reichenbach wird am 30. November von 9 bis 16 Uhr eingeladen.