Erfurt. Die Handball-Bundesliga der Frauen kehrt zu einem Format nach nordamerikanischem Format zurück, das 2013 abgeschafft worden ist. Was ein Mehr an Spannung und Einnahmen generieren soll, hat seinen Preis.

14. Mai 2011, Schauplatz Salza-Halle, 19:28, neun Tore hinten; das Plus vom 34:29 aus dem Hinspiel verspielt, die Meisterschaft weit weg. Tor um Tor rückt sie in den verbleibenden fünfeinhalb Minuten noch einmal näher, 23:28, plötzlich wieder die Hand am Pokal. Ein Gegentor, und der Traum platzte. Mehr Herzschlagfinale geht nicht, mehr Drama ebenso wenig. Ein Ball entscheidet. Buxtehudes Wurf aber wehrt Torfrau Maike März ab und lässt ihre THC-Handballerinnen im Jubelknäuel ertrinken.

Wenn Buxtehude am Samstag im Duell mit dem Thüringer HC den Showdown im Kampf um die Europapokal-Plätze in der Frauen-Bundesliga einläutet, werden Erinnerungen wach. Umso mehr, da sich seinerzeit das Spektakel ein Jahr später wiederholen sollte. Bei Punkt- und Torgleichheit bescherte die Auswärtstorregel dem THC 2011 seine erste Meisterschaft. Zwölf Monate später lässt ihn der Hauch eines mehr geworfenen Tores triumphieren. Für den BSV dasselbe Trauma, derselbe Traum für den THC.

In Sachen Dramatik einmalig spektakulär

Die Finalspiele der Thüringer gegen die seit 35 Jahren in der ersten Liga spielenden Norddeutschen sind etwas Besonderes, in ihrer Dramatik einmalig spektakulär. Die Hoffnung geht bei Befürwortern einher, dass es ab der kommenden Serie wieder packende Endspiele um die deutsche Meisterschaft im Frauen-Handball geben wird. Das würde Kritiker womöglich leiser werden lassen.

Was etwa bei Buxtehude während der nicht ganz freiwilligen Reformplanungen der Handball-Bundesliga Frauen (HBF) auf offene Ohren stieß, kommt einigerorten weniger gut an. Die Staffelreduzierung von 14 auf 12 Mannschaften betrachtet THC-Trainer Herbert Müller als falsches Signal, um Talente zu fördern. Und so sehr er sich an den Millimetermeisterschaften hätte berauschen können. So sehr macht er seinem Unmut darüber Luft, dass mit der nächsten Spielzeit wieder der Titel durch Play-offs entschieden wird. „Schwachsinn“, wiederholt sich der 61-Jährige.

Stanley-Cup entfaltet seine Magie

Play-offs (eine Art Stichkampf) gelten in Übersee als Inbegriff der Meisterschaftsentscheidung. Bedingt auch durch riesige Entfernungen zwischen den Clubs und die regional unterteilten Divisionen werden im Baseball, American Football, Basketball und Eishockey die nordamerikanischen Titel nach dem Ausscheidungsprinzip im Anschluss an die sogenannte „Regular Season“ ausgespielt. Mit der Gründung der National Hockey League (NHL) etwa seit 1917.

Sportreporter Steffen Ess
Sportreporter Steffen Ess © Sascha Fromm

Gerade der auf dem Eis ausgespielte Stanley-Cup, der von seiner Erstauflage vor 130 Jahren bis 1910 für das beste Amateurteam bestimmt gewesen ist, verleiht dem Modus riesige Magie. Sie fand überall Nachahmer. In Europa führte Schwedens Eishockey die Play-offs vor 50 Jahren ein, Finnland 1975. Im deutschen Eishockey wird der Titel seit 1981 nach nordamerikanischem Vorbild vergeben. Die Volleyball-Bundesliga hat das Modell aufgegriffen, im Grunde sogar aufgreifen müssen. Es gibt zu wenige Spieler und Mannschaften, um eine Saison füllen zu können.

Wenn der Achte Meister werden kann

Diskussionen ums Wohl und Wehe von Play-offs sind alt. Selbst nach den so intensiven Finals des BSV und THC gingen Meinungen weit auseinander, ehe dieser Modus 2013 abgeschafft worden sind. „Es war heute sicherlich glücklich, aber über die gesamte Saison ist der Titel hoch verdient“, sagte Herbert Müller nach der ersten Meisterschaft mit dem THC. Dass mit seiner Mannschaft damals der Erste nach 22 Hauptrundenspielen gewann, stützte ihn.

Doch das muss nicht sein. Play-off-Gegner sehen den Zusatz als Tamtam. Sie führen als Argument an, dass durch die Ausscheidungsduelle unter Umständen nicht der gewinnt, der über die Serie hinweg die konstant beste Leistung abgerufen hat. Sondern das Team, das in der Phase womöglich mit weniger Verletzten im Vorteil ist. Für Befürworter ist eine größere Auswahl an Teams, die Meister werden können, das Hauptargument.

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Dass der Deutsche Handball-Bund (DHB) bei den Frauen auf die Rolle rückwärts nach zehn Saisons gedrängt hat, verwundert einerseits etwas, andererseits auch wieder nicht. Die Suche, die bei Play-offs umtreibt, ist eine nach Ausgeglichenheit, nach mehr Spannung. Und vor allem ist sie eine nach mehr Einnahmen. Gerade der Frauen-Handball benötigte diese, um sich weiterentwickeln zu können.

Eine Mehr an Spannung – ein Mehr an Verschleiß

Das Mehr nur an möglichen Einnahmen, das die acht Besten erwartet, kann in einem Mehr an Kosten und Verschleiß münden. In einem national wie international dichteren Spielplan (zuletzt sechs DHB-Länderspiele innerhalb von elf Tagen) steigt die Belastung. Im Maximalfall kommen auf den künftigen Meister nach der geplanten „Best-of-three“-Serie über Viertelfinale, Vorschlussrunde und Finale 31 statt bisher 26 Meisterschaftsspiele zu. Gerade dann, wenn in den europäischen Wettbewerben die wichtigsten Duelle anstehen, gehen unter Umständen die Kräfte aus. Für die Verlierer des Viertelfinals, die den fünften Platz ausspielen, heißt es: außer Spesen nichts gewesen.

Mehr und dichter getaktete Spiele erfordern größere Kader, was mehr kostet und die Besten eher weiter entfernt, als es den Rest der Liga näher heranbrächte.

Jeder gegen jeden, Hin- und Rückspiel, der Erste gewinnt. Es mag langweilig klingen, bleibt aber der fairste Weg zum Titel.