Berlin. In einer Auswertung zu geleisteten Arbeitsstunden je Einwohner schneiden die Deutschen schlecht ab. Sogar die Spanier arbeiten mehr.

Es gibt Klischees über Einwohner bestimmter Nationen, die sich nachhaltig etabliert haben. Den Deutschen wird zum Beispiel nachgesagt, keinen Humor zu haben, dafür aber ordnungsliebend, pünktlich und arbeitswütig zu sein. Spanier hingegen sollen es mit der Zeit nicht ganz so genau nehmen und lieber Siesta machen.

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Eine neue Studie widerlegt nun jedoch ausgerechnet in Sachen Arbeitszeiten gängiges Schubladendenken. In einem Vergleich unter den führenden weltweiten Industrienationen schneiden die Deutschen vergleichsweise schlecht ab. Mit lediglich 1.031 geleisteten Arbeitsstunden je Einwohner rangieren bundesdeutsche Arbeitnehmer dabei sogar noch hinter Briten, Griechen und eben den Spaniern, hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) herausgefunden.

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Arbeitszeiten: In Deutschland hat sich stimmungsmäßig etwas verschoben

Getrost kann man den Südeuropäern also zurufen: Adios, Fiesta! Bei den Deutschen hingegen entsteht zwangsläufig die Frage, ob wir eventuell fauler sind, als angenommen. Zuletzt konnte man durchaus den Eindruck gewinnen, dass Arbeitnehmer hierzulande eher darauf aus sind, die eigene Zeit im Job zu reduzieren. Die sogenannte „Work-Life-Balance“, also das harmonische Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben, verschob sich eher in Richtung „Life“. Gewerkschaften mit Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich im Programm fanden verstärkt Gehör. Hart arbeiten? Das war einmal.

Wer den Deutschen nun aber gänzlich die Lust an der Arbeit abspricht, tut ihnen Unrecht. Auch das ist eine Erkenntnis der IW-Wissenschaftler. Denn die Erwerbstätigenquote, also der Anteil der Erwerbstätigen an der arbeitsfähigen Bevölkerung, ist in der Bundesrepublik sogar höher als im Durchschnitt aller Industrieländer. Deutschland aber bekommt die PS nicht auf die Straße. Oder sachlich formuliert: Hierzulande wird das vorhandene Arbeitskräftepotenzial nicht gut genug ausgeschöpft.

Arbeitskräftepotenzial nicht ausgeschöpft: Was Deutschland perspektivisch droht

Ein Grund dafür ist der in Deutschland vergleichsweise hohe Teilzeitanteil. Betroffen sind vor allem Frauen. Zwar steigt die Erwerbsbeteiligung von weiblichen Beschäftigten seit 1991 kontinuierlich an, dennoch wenden Frauen immer noch deutlich mehr Zeit für Hausarbeit, Kinderbetreuung oder das Pflegen von Angehörigen auf als Männer. Bei der Erwerbsarbeit hingegen ist es weiterhin genau umgekehrt: Männer sind in einem Beruf zeitlich deutlich stärker eingebunden als etwaige Partnerinnen.

Dominik Bath ist Redakteur für Politik & Wirtschaft in der Funke Zentralredaktion.
Dominik Bath ist Redakteur für Politik & Wirtschaft in der Funke Zentralredaktion. © FUNKE Foto Services | Jörg Krauthöfer

Für die deutsche Wirtschaft dürfte ein nicht besser ausgeschöpftes Arbeitskräftepotenzial langfristig problematisch sein. In den nächsten Jahren wird der Anteil der Beschäftigten, die das rentenfähige Alter erreichen, deutlich steigen. Die schon jetzt in vielen Berufen angespannte Fachkräftelage verschärft sich dann noch einmal. Weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich sollten wir uns das leisten wollen: Arbeitskräftemangel gilt schon heute als größte Wachstums- und Wohlstandsbremse.

Sollen Menschen mehr arbeiten, muss die Politik auch unbequeme Entscheidungen treffen

Der Staat muss deswegen schon aus Eigeninteresse an den richtigen Stellschrauben drehen. Will man Infrastruktur erneuern, das Bildungsangebot verbessern oder die Bundeswehr besser ausstatten, sind weiterhin hohe Steuereinnahmen nötig. Die Ampel-Parteien haben das zwar erkannt, lassen aber konsequente Maßnahmen vermissen.

Sollen die Menschen mehr arbeiten, sind nicht nur bessere Kinderbetreuungsangebote und eine echte Willkommenskultur für ausländische Fachkräfte nötig, man muss auch endlich Fehlanreize beseitigen, die ein Verkürzen der Arbeitszeit auch noch belohnen. Zwangsläufig sollten deswegen auch unbequemen Entscheidungen wie ein von Experten gefordertes Aus für die abschlagsfreie Frühverrentung („Rente mit 63“) gefällt werden. Bislang jedoch hat sich die Politik davor gedrückt.