Berlin. Vertreter der Neuen Rechten mischen bei Pegida mit und bei den “Querdenkern“. Eine sehenswerte 3Sat-Dokumentation beleuchtet die Szene.

Sie rufen „Freiheit! Widerstand! Multikulti Endstation!“ Sie haben die nationalistische Pegida-Bewegung für sich entdeckt und mischen sich unter die Querdenker-Demonstrationen: die Vertreter der Neuen Rechten.

Dass die Demonstrierenden kein Problem damit haben, dass die äußerste Rechte mit ihren Symbolen mitläuft, verbuchen sie als Erfolg. Denn die Neuen Rechten haben nur ein Ziel: die konservative Revolution. Dafür verschieben sie die Grenzen des Sagbaren Stück für Stück nach rechts. Machen damit ihre Ideen salonfähig und setzen so die liberale Demokratie unter Druck.

Sind die Neuen Rechten bürgerlich?

Faschisten oder Nazis wollen sie nicht sein. Doch bei näherem Hinsehen sind die Unterschiede nicht allzu groß, wie die 3Sat-Dokumentation „Die Neue Rechte - Der Wahn vom homogenen Volk“ von Nadja Kölling nun zeigt.

Der Film geht den Fragen nach, wer diese Neuen Rechten sind, die sich konservativ, bürgerlich und intellektuell geben. Woher ihre Ideologie kommt und was überhaupt so neu an ihnen ist. Ohne groß zu spoilern, kann man vorwegnehmen, dass wirklich gar nichts neu ist an den sogenannten Neuen Rechten. Der Name ist reine Augenwischerei, um sich vom Nationalsozialismus abzugrenzen, sich quasi historisch reinzuwaschen.

Schmitt und Jünger prägten das Denken der jungen Bundesrepublik

Die Wurzeln des neurechten Gedankenguts liegen in der Weimarer Republik und sind eng verbunden mit den Namen Carl Schmitt und Ernst Jünger. Zwei hochumstrittene geistige Brandstifter, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Denken der jungen Bundesrepublik stark prägten.

Carl Schmitt war Staatsrechtler und NSDAP-Mitglied. Die antisemitischen Nürnberger Rassegesetze nannte er eine „Verfassung der Freiheit“. Er lehnte die parlamentarische Demokratie ab und forderte eine autoritäre Staatsform, in die sich die Masse einbringt. Eine Diktatur, für die er eine Homogenität des Volkes für unabdingbar hielt. Er ging von gleichberechtigten, homogenen Völkern aus, die bitteschön in ihren Grenzen bleiben und sich nicht vermischen sollten. Schmitt nannte das Ethnopluralismus. Ein Begriff, den auch die Neue Rechte gern nutzt.

Redenschreiber von Strauß war ein Vordenker der Neuen Rechten

Ernst Jünger indes schuf einen anderen Unterbau für die Ideologie. Antibürgerlich und elitär, lehnte er zwar die Rassengesetze der Nazis ab, forderte aber einen nationalen, wehrhaften und autoritären Staat.

Der dritte Vordenker der Neuen Rechten war Ernst Jüngers Privatsekretär Armin Mohler. Der Schweizer ging 1942 illegal über die Grenze, um sich der deutschen Waffen-SS anzuschließen. Später promovierte er mit einer Dissertation über „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932“. In den Siebzigern war er Redenschreiber und Berater von Franz Josef Strauß.

Liberalismus als Feindbild

Mohlers Feindbild war der Liberalismus, den er journalistisch und publizistisch bekämpfte. Er sprach sich wiederholt gegen ein gesetzliches Verbot der Holocaust-Leugnung aus und forderte, sich mit der sogenannten „Auschwitz-Lüge“ wissenschaftlich zu beschaffen.

Als sich sein Herausgeber daraufhin von ihm trennte, sprang der neurechte Verleger Götz Kubitschek ein. Der ist Mitbegründer einer neurechten Denkfabrik und bestens vernetzt mit der rechtsextremen Identitären Bewegung. Außerdem war er Redner auf Pegida-Demonstrationen und steht im engen Austausch mit dem aufgelösten Flügel der AfD um Björn Höcke.

Merkels Flüchtlingspolitik forcierte den Erfolg der Neuen Rechten

Die Dokumentation schlüsselt den historischen Weg der Neuen Rechten minutiös auf, lässt dazu Historiker und Politikwissenschaftler zu Wort kommen. Zuweilen ist das etwas akademisch, dennoch überaus spannend und informativ. Denn der Film zeigt, das es eine geschichtliche Linie gibt von eben jenen Nazis und Faschisten zu der Neuen Rechten.

Wer wissen will, wie die Neue Rechte funktioniert, wie sie es schafft, ihre Ideologie unters Volks zu bringen, ist ebenfalls genau richtig. Was fehlt, sind allerdings die Gründe, warum die Neue Rechte in den vergangenen Jahren so erfolgreich war und starken Zulauf hatte. An erster Stelle ist sicherlich Angela Merkels Flüchtlingspolitik zu nennen. Ein hochkomplexes Kapitel, das der AfD bundesweit Wahlerfolge bescherte und bis heute nicht wirklich politisch aufgearbeitet wurde.

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    Warum es aber insgesamt so schwer ist, die Sammelbewegung der Neuen Rechten zu greifen und in ihrer Gänze sichtbar zu machen, damit beschäftigt sich der anschließende Talk mit Vivian Perkovic. Der fragt: „Was ist rechts?“

    ​3Sat, 5. Mai, 20.15 Uhr und in der Mediathek.