Monheim am Rhein. Selbstfahrend, vollelektrisch, kostenlos: Fünf autonome Busse sollen die Kleinstadt Monheim am Rhein zum Vorreiter der Mobilitätswende machen. Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein - und klappt anfangs auch nur bedingt.

Schnee gehört zu jenen Dingen, mit denen selbstfahrende Busse bisher überhaupt nicht klarkommen.

Und so ist es ein unglücklicher Zufall für die Stadt Monheim am Rhein, dass nach einem milden Winter ausgerechnet am Aschermittwoch, als die frischgebackene autonome E-Bus-Flotte ihren Linienbetrieb aufnehmen soll, dicke, nasse, weiße Flocken vom Himmel fallen. "Das mögen die Sensoren gar nicht", erklärt Betriebsleiter Axel Bergweiler. "Die ersten Fahrgäste mussten wir vertrösten."

Nicht ganz ohne menschliche Hilfe

Statt um kurz vor 7.00 Uhr startet die erste reguläre Fahrt erst um 10.21 Uhr vom Monheimer Busbahnhof. Vollelektrisch und mit Ökostrom betrieben, setzt sich der kleine Bus in Bewegung Richtung Altstadt. Das System beschleunigt und lenkt dank Sensoren und GPS selbst, ganz ohne menschliche Hilfe kommt es jedoch noch nicht aus. Der "Operator" Thomas, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, muss aufpassen und an Kreuzungen und Haltestellen grünes Licht geben. Theoretisch finden im Fahrzeug bis zu zwölf Leute Platz, doch am Vormittag ist Thomas erst einmal allein unterwegs. "In der Altstadt ist heute nichts los. Da wollen wir nicht hin", ruft eine Frau ihm von einer Haltestelle aus zu.

So hat der Operator, der sonst als ganz normaler Busfahrer durch Monheim kurvt, erstmal Zeit, sich an seine neue Rolle zu gewöhnen. "Das ist schon ziemlich ungewohnt", sagt er, weil er auf einmal viel mehr Kontrolle an die Technik abgeben muss. Um seinen Hals hängt eine Art Fernbedienung, außerdem lässt sich über einen Schalthebel an der Seite die Automatik kontrollieren. "Ich war schon neugierig. Man hat ja nicht die Möglichkeit, so ein Fahrzeug anderswo zu fahren."

Zumindest fast nirgendwo. An ein paar anderen Orten in Deutschland sind bereits weitgehend selbstfahrende Busse im Einsatz oder werden getestet. In Bad Birnbach in Bayern bringen sie Fahrgäste in einem sehr ländlichen Raum über eine Landstraße in regelmäßigen Abständen zum Bahnhof. In Berlin gibt es ab dem Sommer erneut einen kleinen gelben Bus, der im Stadtteil Tegel Menschen zum See fährt. Auf privaten Betriebsgeländen fahren die Busse teilweise auch schon vollautomatisch, im Straßenverkehr braucht es bislang jedoch jemanden, der im Zweifelsfall bremsen kann. Monheim schreibt sich selbst trotzdem eine Vorreiterrolle zu. "Oft fahren die Busse nicht im fließenden Verkehr, es sind nur einzelne oder sie sind unregelmäßiger im Einsatz", sagt eine Sprecherin.

Übervorsichtig und langsam

Dabei ist rechtzeitiges Bremsen gar nicht unbedingt das, woran es bei den autonomen Fahrzeugen hapert. Die in Monheim eingesetzten Fahrzeuge des französischen Herstellers EasyMile legen sogar schon eine Vollbremsung hin, wenn nur jemand ausladend parkt oder relativ nah überholt. In den USA wurde der Testbetrieb der EasyMile-Busse gerade von der Verkehrsbehörde NHTSA gestoppt, nachdem ein Fahrgast bei einem plötzlichen Bremsmanöver beim Tempo von 11,4 Kilometern pro Stunde vom Sitz rutschte.

"Ich schalte mal in den manuellen Modus um, sonst stehen wir noch ewig hier", sagt Operator Thomas in Monheim auf der Premierenfahrt. Es soll nicht das einzige Mal bleiben.

Thomas rechnet nicht damit, dass viele Monheimer den Bus für ihren Arbeitsweg nutzen werden. Im Berufsverkehr dürften die 16 Kilometer pro Stunde, die der Bus maximal schafft, auch für viele zu langsam sein - die rund zwei Kilometer lange Fahrt dauert damit rund eine halbe Stunde. "Dass mich einmal die Straßenreinigung überholen wird, hätte ich auch nicht gedacht", murmelt Thomas, als ein orangefarbenes Kehrfahrzeug vorbeizieht. Dass autonome Gefährte seinen Beruf überflüssig machen könnten, macht ihm bislang keine Sorgen. "Ich glaube, bis das soweit ist, bin ich längst in Rente."

Pioniere für enge Gassen und On-Demand-Lösungen

"Alles, was Pioniere möglich machen, ist gut und wichtig", sagt Mobilitätsexperte Andreas Knie, der am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung zu innovativen Verkehrskonzepten forscht. "Es gibt von ganz wenigen Anbietern erste einsatzfähige Fahrzeuge, die ihre Gehversuche unternommen haben." Diese stimmten sehr optimistisch. "Sie sind in der Lage, da hineinzufahren, wo klassische Busse nicht hinkommen." So ist es auch in der Kleinstadt am Rhein: Für normale Busse wären die Sträßchen auf der Strecke nicht geeignet. Die fünf Kleinbusse, die im 15-Minuten-Takt nun den ganzen Tag über Busbahnhof und Altstadt verbinden, passen hingegen durch.

Statt eines Linienbetriebs befürwortet Knie aber On-Demand-Lösungen, wie sie etwa in Schleswig-Holstein getestet werden - also Fahrzeuge, die Fahrgäste nach Bedarf und individuellen Wünschen anfordern können. "Die Idee, dass ich zu einer Haltestelle muss und auch an einer Haltestelle rausgelassen wurde, war eine gute Idee vor dem Auto", meint der Forscher. "Heute nicht mehr - weil wir es ja auch anders kennen. Um das private Auto eindämmen zu können, braucht es andere Lösungen."

Ob eine Strecke wie jene in Monheim, die von den meisten Fahrgästen eher in der Freizeit als für den Arbeitsweg genutzt werden dürfte, im Laufe der Zeit genug Zuspruch findet, muss sich zeigen. Schüler Julian Laszkowski, der direkt an der Strecke wohnt, ist einer der ersten, die sich am Mittwoch schließlich doch in den Bus trauen. "Ich finde den gut. Aber ich bin gespannt, wie lange er bleibt." Es habe ja immerhin schon einen Unfall gegeben. Damit spielt der 18-Jährige auf Wusterhausen in Brandenburg an, wo ein autonomer Bus bei seiner ersten Fahrt im vergangenen Juli mit einem Auto kollidierte.