Berlin . Die Einladung eines AfD-Politikers bei „hart aber fair“ sorgte für Ärger. Nun will sich der WDR-Rundfunkrat mit dem Fall befassen.

Der Auftritt des AfD-Politikers Uwe Junge in der Talkshow „hart aber fair“ hat der Sendung einen Shitstorm beschert und eine Debatte über das Verhältnis zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und der rechtspopulistischen Partei ausgelöst.

Nun hat sich auch der WDR-Rundfunkrat eingeschaltet. In seiner nächsten Sitzung will sich das Gremium mit dem Fall beschäftigen. Das teilte Claudia Reischauer, die Geschäftsführerin des Rundfunkrates, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit.

Tweet sorgte für Aufregung

„Aus Worten werden Schüsse: Wie gefährlich ist rechter Hass?“, lautete der Titel dieser „hart aber fair“-Ausgabe. Anlass war die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) am 2. Juni.

Kommentar:

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Die Einladung Junges in die Sendung und ein Das-Erste-Tweet am Montag hatten für Aufregung gesorgt. Darin hieß es: „Die Redaktionen der Talksendungen bemühen sich insbesondere, AfD-Vertreterinnen kein Forum für ihre Zwecke zu bieten. Je nach Thema ist es aber von Fall zu Fall nötig, AfD-PolitikerInnen selbst zu Wort kommen zu lassen.“

Uwe Junge, AfD-Fraktionsvorsitzender in Rheinland-Pfalz, war Gast der ARD-Talkshow
Uwe Junge, AfD-Fraktionsvorsitzender in Rheinland-Pfalz, war Gast der ARD-Talkshow "hart aber fair". © dpa | Horst Galuschka

Darauf reagierte die Leiterin der Zuschauerredaktion bei Das Erste in München, Sabine Knott, ebenfalls auf Twitter: „Dieser Tweet war leider nicht mit der Redaktion von „hart aber fair“ abgestimmt. Dafür entschuldigen wir uns. Wir betonen, dass bei uns für alle Parteien dieselben Standards gelten. Im Übrigen entscheidet jede Redaktion für sich, wen sie zu welchem Thema einlädt.“

Kritik an der ARD: Junge ein Scharfmacher

Weiter erklärte Knott am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur: „Mit dem ersten Tweet reagierte eine Kollegin der Zuschauerredaktion auf die Kritik, dass Das Erste Herrn Junge Gelegenheit zur Selbstdarstellung geben werde.“ Der Tweet sei inhaltlich nicht falsch, aber missverständlich, so Knott.

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sagte der „Bild“-Zeitung zu dem Fall: „Dieser Beitrag von Herrn Junge ist ein Beispiel dafür, wie mit Sprache der Boden für Extremisten bereitet werden kann, und deshalb ist er so gefährlich. Was die Einladung bei„hart aber fair“ angeht: Ich hatte nicht den Eindruck,dass es gelungen ist, dies zu entlarven. Man hat dagegen eine zusätzliche Bühne geboten.“

Bereits vor der Sendung hatten sich Politiker wie die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli und der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz geäußert und die ARD scharf kritisiert. Junge, so der Vorwurf, sei ein Scharfmacher.

Plasberg bemühte sich

Als Beleg dafür diente vor allem ein Tweet von Junge, in dem er geschrieben hatte: „Der Tag wird kommen, an dem wir alle Ignoranten, Unterstützer, Beschwichtiger, Befürworter und Aktivisten der Willkommenskultur im Namen der unschuldigen Opfer zur Rechenschaft ziehen werden!“

Und dieser Mann sollte, wenige Wochen nach dem Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, ermordet von einem Rechtsextremisten, über die Gefahr von Rechtsaußen sprechen? Für viele unverständlich.

Frank Plasberg bemühte sich, Junge inhaltlich zu stellen. Er ging den AfD-Politiker hart an, konfrontierte ihn mit eigenen Aussagen, Widersprüchen seiner Partei und fragte nach der Verantwortung, die die AfD trägt, wenn – wie im Fall Lübcke – Facebook-Posts jahrelang im Netz auf Parteiseiten stehen. Und darunter ganz offen zu Hass und Gewalt aufgerufen wird.

Hintergrund:

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Junge gab sich alle Mühe, keine Angriffsfläche zu bieten, die Rolle des Biedermanns einzunehmen: Er distanzierte sich von Gewalt, gab Probleme mit Rechtsextremen in der eigenen Partei zu („Die Parteiausschlussverfahren dauern mir zu lange“) und betonte immer wieder, dass die AfD doch eigentlich eine „bürgerlich-liberale Rechtsstaatspartei“ sei. Sich selbst stilisierte er zum Opfer.

Uwe Junge zeigte Plakat – und stellte sich als Opfer dar

Er zeigte ein Plakat, auf dem er abgebildet war, dazu der Spruch: „Ich bin verantwortlich für den Tod von Walter Lübcke“. Für Junge ein Zeichen dafür, dass die Bedrohung auch von Links kommt. „Wollen wir nicht abrüsten oder muss erst ein Gauland, Meuthen oder Junge auch dran glauben?“, fragte er.

Auch die Wortwahl seines Twitter-Posts verteidigte er: „Ich stehe dazu – auch heute noch“. Moderator Plasberg hielt dagegen: „Für mich klingt ‚Tag der Abrechnung‘ nach Standgericht“. Junges Interpretation: „Für die verfehlte Migrationspolitik muss irgendwann Rechenschaft abgelegt werden – vor dem Wähler“.

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    Man kann das ständige Wegducken, die reflexhaft vorgetragenen Relativierungen („Die linke Seite lässt keinen Diskurs zu“) geschmacklos finden. Die Grünen-Politikerin Irene Mihalic formulierte es so: „Die Enthemmung der Sprache innerhalb der AfD bereitet den Nährboden dafür, dass sich radikalisierte Menschen berufen fühlen, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen.“

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    Das Kernproblem in Plasbergs Runde blieb davon unberührt: Moderator und Gäste bemühten sich so sehr, dem AfD-Mann keine Bühne zu bieten, die im Vorfeld hochgekochte Empörung durch hartes Nachfragen einzudämmen, dass es am Ende doch die meiste Zeit nur um ein Thema ging: die AfD und ihre Politik.

    Junge dominierte die Diskussion schon vor der Sendung – und auch während der 75 Minuten stand er im Zentrum. Ein altbekanntes Dilemma bei hoch umstrittenen Gästen: Man will sie stellen – und wertet sie dadurch doch nur auf.

    Wichtige Themen wurden nur kurz angerissen

    Dabei hätten Plasbergs Gäste doch einiges zu sagen gehabt. Am Ende wurde das deutlich. Die Diskussion war bei der Frage angekommen, ob es auch in Teilen von Polizei und Armee eine latent-rechte Einstellung gebe.

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    Der Anwalt Mehmet Daimagüler, der im NSU-Prozess als Nebenkläger auftrat, warnte vor Pauschalisierung – und warb für regelmäßige verpflichtende Fortbildungen etwa in interkultureller Kompetenz. „Das kostet Geld. Aber das sollte es uns wert sein“, sagte er.

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    Auf die Frage, ob bei den Sicherheitsbehörden in der Vergangenheit womöglich zu viel gespart wurde, antwortete NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) doppeldeutig: „Ich mag mich nicht über Dinge von gestern äußern“. Ein verklausuliertes „Ja“. Darüber hätte man trefflich diskutieren können.

    An diesem Abend, an dem AfD-Mann Uwe Junge alles überlagerte, fehlte dazu aber vor allem eines: die Zeit.

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    (mit dpa)

    Hier gibt es die komplette Sendung zum Nachsehen in der ARD-Mediathek.