Im Gespräch mit Petra Rottschalk aus Rudolstadt, einzige Kandidatin um den Vorstandsvorsitz der Awo Thüringen

Die Awo Thüringen wählt einen neuen Vorstand. Sie sind die einzige Kandidatin für den Landesvorsitz. Offenbar will sich diese Last kein anderer aufbürden, oder?

Ich habe mir diesen Schritt genau überlegt. Es gehört Entschlossenheit und Fleiß dazu und die Überzeugung, dass sich der Einsatz lohnt. Nur meckern geht nicht. Als Thomas Walter, Matthias Graul und ich im Juli letzten Jahres zum „Übergangsvorstand“ gewählt wurden, war uns bewusst, dass es kein Spaziergang wird. Wir haben in dieser Zeit viel erreicht und wollen diesen Weg gemeinsam weitergehen. Dass mich mehrere Kreisverbände als Vorsitzende vorgeschlagen haben, ehrt mich sehr.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Sie übernehmen als Vorstandsvorsitzende ein Ehrenamt. Haben Sie nicht schon genug zu tun?

Das stimmt. Mit einem erfüllenden Beruf, der Tätigkeit im Kreistag, als Awo-Vorsitzende in Rudolstadt, als Jugendschöffin, als Vizepräsidentin des Thüringer Kulturrates, im Aufsichtsrat des FC Carl Zeiss Jena und in der LAG Soziokultur hätte ich genug zu tun. Aber es gibt Momente, wo man nicht zögern darf, noch dazu, wenn es sich um einen Verband handelt, der einem sehr ans Herz gewachsen ist.

Was genau ist Ihre Aufgabe?

Die Awo Thüringen hat 11.700 Mitglieder und ca. 10.000 Beschäftigte. Im Landesverband sind 18 Kreis- und Regionalverbände organisiert. Darüber hinaus ist sie an einigen Gesellschaften beteiligt; die größte davon ist die Awo-AJS. Wenn ich gewählt werde, werde ich einen Landesvorstand führen, der aus 11 Personen besteht, die den Kurs der Awo bestimmen, Schwerpunkte festlegen und die Sozialpolitik im Freistaat weiterhin wegweisend mitbestimmen. Ich sehe mich dort eindeutig als Teamplayerin.

Die Awo in Thüringen sorgt seit Monaten für Schlagzeilen wegen Vetternwirtschaft, unangemessenen Vorstandsgehältern, Intransparenz. Was treibt Sie an, sich in einer solchen Situation an die Spitze zu stellen?

In erster Linie meine Vorstellungen von Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Offenheit. In den vergangenen sechs Monaten haben wir Beschlüsse zur Offenlegung aller Geschäftsführergehälter gefasst. Wichtig wird es sein, Strukturen zu entflechten, das heißt, dass diejenigen, die über Gehälter und Auftragsvergaben befinden, frei in ihrer Entscheidung sind und sich nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden.

Wie stehen Sie zu den Vorwürfen gegenüber dem Awo-AJS-Geschäftsführer?

Michael Hack wurde durch uns als Gesellschafter im Sommer fristlos gekündigt. In den letzten Monaten erfolgte eine umfangreiche Innenrevision durch eine externe Kanzlei. Was dabei zutage getreten ist, ist für alle, die ehrlich arbeiten, ein Schlag ins Gesicht. Gerichte werden darüber zu entscheiden haben.

Wie wollen Sie dafür sorgen, dass die Awo in Thüringen wieder in ruhigeres Fahrwasser kommt?

Wir wollen Vertrauen zurückgewinnen. Für den Landesvorstand kandidieren ausschließlich neue Köpfe. Alle sind hochmotiviert, der Awo das Image zurückzugeben, das ihr zusteht. In allen Kreisverbänden und Gesellschaft arbeiten fleißige, engagierte, kreative und ehrliche Menschen, die es nicht verdient haben, dass ihr Ruf beschädigt wird, nur weil einige wenige das Ansehen durch Gier und kriminelle Machenschaften massiv beschädigt haben. Das gilt für die gesamte Gesellschaft, aber erst recht für einen sozialen Verband.

Sie gehören seit 1990 der Awo an, sind seit 2006 Vorsitzende des Kreisverbandes Rudolstadt. Warum ist es heute gut, sich für die Awo zu engagieren?

Die Awo wurde vor 100 Jahren gegründet. Die Werte von damals, wie Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit sind in unserer Zeit, wo die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinandergeht, wichtiger denn je. Die Menschen, die Unterstützung durch die Gesellschaft brauchen, sind bei der Awo gut aufgehoben. Dort treffen sie auf engagierte Ehrenamtler und professionelle, empathische Mitarbeiter.