Berlin. Union und SPD liegen rund vier Wochen vor der Wahl laut aktuellen Umfragen gleichauf. Das rückt die FDP in eine Schlüsselposition.

Es ist eine Konstellation, die vor wenigen Wochen noch wohl niemand für möglich gehalten hätte: Union und SPD liegen in aktuellen Umfragen gleichauf in der Wählergunst. Im wöchentlichen Meinungstrend des Instituts Insa für Bild TV verlieren CDU und CSU zwei Prozentpunkte und landen bei 23 Prozent. Die SPD gewinnt drei Prozentpunkte hinzu und ist mit 23 Prozent genauso stark wie die Union.

Die Grünen verlieren in der am Dienstag veröffentlichten Erhebung einen halben Punkt und kämen, wenn jetzt schon die Bundestagswahl wäre, auf 17 Prozent. Die FDP erzielt 13 Prozent, die Linke sieben Prozent - jeweils ein Plus von einem halben Punkt. Die AfD hält mit elf Prozent ihren Wert aus der Vorwoche. Sonstige Parteien kommen zusammen auf sechs Prozent.

Zweikampf zwischen Union und SPD einen Monat vor der Wahl

Bereits in einer Umfrage vom vergangenen Sonntag hatten die Sozialdemokraten die Union eingeholt: Im Sonntagstrend von Insa für die aktuelle „Bild am Sonntag“ kamen beide Parteien auf 22 Prozent. Die Grünen rutschten um einen weiteren Punkt auf 17 Prozent ab. FDP (13 Prozent) und AfD (12 Prozent) gewannen jeweils einen Punkt hinzu. Die Linke hält sich auch hier weiter stabil bei sieben Prozent. Die sonstigen Parteien würden unverändert 7 Prozent wählen.

„Es bleibt beim Zweikampf zwischen Union und SPD“, sagte Insa-Chef Hermann Binkert zu der am Dienstag veröffentlichten Erhebung. „Sowohl Armin Laschet als auch Olaf Scholz haben gute Chancen auf das Kanzleramt.“ Auf diese beiden Kandidaten und ihre Parteien spitze sich der Wahlkampf zu.

Der Meinungsforscher sieht allerdings einen entscheidenden Vorteil für den SPD-Kandidaten und aktuellen Bundesfinanzminister: Olaf Scholz habe dabei die Wähler seiner Partei deutlich geschlossener hinter sich als Armin Laschet die Unionswähler. Wirklicher Gewinner der Stimmung scheint aber eine andere Partei zu sein.

Umfragen zur Bundestagswahl: Wird die FDP wieder Kanzlermacher?

Denn der neuen Umfrage zufolge wäre weiterhin keine Zweier-Koalition auf Bundesebene möglich. Selbst eine große Koalition aus SPD und Union würde knapp an der erforderlichen Zahl der Mandate vorbeischrammen. Auch Rot-Rot-Grün käme nicht auf genügend Sitze im Bundestag.

Stattdessen manifestiert sich weiter die Schlüsselrolle der FDP unter Christian Lindner als sogenannte „Kanzlermacher“-Partei. Schon in den letzten Umfragen hatte sich gezeigt, dass die FDP am Ende wohl das Zünglein an der Koalitionswaage sein wird: Sowohl eine Ampel-Koalition (SPD, Grüne, FDP) als auch ein Jamaika-Bündnis (CDU, Grüne, FDP) oder eine Deutschland-Koalition (CDU, SPD und FDP) sind nach derzeitigen Zustimmungswerten möglich.

Als wahrscheinlichste Regierungskonstellation gilt die Ampel oder ein neuer Jamaika-Anlauf. Am Ende wäre es im Grunde genommen die Entscheidung der FDP, ob sie lieber mit Scholz oder Laschet zusammenarbeiten will. In der CDU und CSU regt sich schon Unmut über diese neue Macht der Liberalen: So warnte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak vor einigen Tagen, dass man, wenn man für die FDP stimmen würde, am Ende einer linken Ampel-Koalition den Weg ebnen würde.

Grünen-Parteichef Robert Habeck rechnet unterdessen so oder so mit schwierigen Sondierungs- und Koalitionsgesprächen nach der Bundestagswahl. Zum ersten Mal könnte eine Partei mit nur 20 bis 25 Prozent den Kanzler oder die Kanzlerin stellen. „Aus so einem Ergebnis muss man dann die nötige Autorität ableiten, die Regierung anzuführen. Ich fürchte, uns stehen nach der Wahl unübersichtliche Zeiten bevor“, sagte der Politiker der „Rheinischen Post“.

Bundestagswahl: Umfragen geben nur aktuelles Meinungsbild wider

Wahlumfragen sind allerdings mit Unsicherheiten behaftet – und nicht mit Prognosen zu vergleichen. Unter anderem erschweren nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen den Meinungsforschungsinstituten die Gewichtung der erhobenen Daten. Grundsätzlich spiegeln Umfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider.

Wie stark Umfragen vom Wahlergebnis abweichen können, zeigte sich beispielsweise in Sachsen-Anhalt: Bei der Landtagswahl im Juni hatten beispielsweise sowohl Umfragen von Insa als auch des Instituts Civey ein Kopf-an-Kopf-Rennen von AfD und CDU gesehen. Schließlich gewann die CDU aber mit einem ordentlichen, zweistelligen Vorsprung die Wahl.

Insa erhebt die Zustimmungswerte mit Telefonbefragungen – bezieht aber auch Umfragedaten von dem Online-Marktforschungsinstitut YouGov. Diese Vorgehensweise nutzen andere Meinungsforschungsinstitute nicht – da sie Validität der Online-Daten anzweifeln. Inwiefern es die Umfrageergebnisse von Insa genauer oder ungenauer macht, lässt sich allerdings nicht festlegen.

Umfragen haben meist hohe Fehlertoleranz – Interpretation nicht immer eindeutig

Für den Meinungstrend wurden vom 20. bis zum 23. August 2021 insgesamt 2119 Bürger befragt. Die maximale statistische Fehlertoleranz liegt bei plus/minus 2,5 Prozentpunkten.

Darin zeigt sich auch die Schwäche derartiger Umfragen: Die SPD könnte derzeit also auch nur auf 20,5 Prozent kommen – oder aber auf 25,5 Prozent. Das Umfrageergebnis könnte also entweder gar nicht so aufsehenerregend sein – oder die Union noch mehr unter Druck setzen.

(mit dpa/afp)