Berlin. Mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt steigt der Gasverbrauch in Deutschland, die Speicherstände sinken. Wann droht eine Mangellage?

Es ist kalt in Deutschland. Der Dezember hat Schnee und Frost in viele Teile des Landes gebracht, die Temperaturen sind unter dem Gefrierpunkt. Und da werden sie laut dem Deutschem Wetterdienst auch noch einige Tage bleiben. Bis Mitte der Woche, sagt DWD-Experte Felix Dietzsch dieser Redaktion, habe es bis auf wenige Regionen ganz Deutschland mit Dauerfrost zu tun, „zum Teil knapp unter 0 Grad, in den Bergregionen bis minus 7 Grad.“ In den Nächten sänken die Temperaturen noch weiter. „Am kältesten wird es in der Nacht zu Dienstag, da werden wir in der Fläche minus 6 bis minus 10 Grad sehen, an den Alpen im Extremfall bis zu minus 15“, sagt Dietzsch.

Außergewöhnlich sind diese Temperaturen dem Deutschen Wetterdienst zufolge für Mitte Dezember nicht. Doch während viele Menschen in den vergangenen Jahren einfach die Heizung hochgedreht hätten, bis das Wetter wieder milder wird, fällt diese Entscheidungen derzeit weniger leicht. Denn intensiveres Heizen bedeutet nicht nur eine noch höhere Rechnung am Ende des Jahres. Es hat Folgen auch für die prekäre Versorgung mit Gas in diesem Winter.

Energiekrise: Die Temperaturprognose steht auf „kritisch“

Schon in der vergangenen Woche wurden laut Bundesnetzagentur nur noch 13 Prozent Gas im Vergleich zu den Vorjahren eingespart. Temperaturbereinigt summierten sich die Einsparungen immerhin auf 16,5 Prozent, doch auch das liegt deutlich unter den 20 Prozent, die laut Behörde nötig sind. Und es waren nicht nur die Haushalte, die zuletzt mehr Gas verbrauchten. Wenig Wind und Sonne in den vergangenen Tagen haben dafür gesorgt, dass der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung sank und mehr Gas verstromt wurde.

Lesen Sie auch: So viele Bürger haben den Heizkostenzuschuss zurückgegeben

Entsprechend schmelzen die Vorräte in den deutschen Gasspeichern. Von den fünf Indikatoren, mit denen die Bundesnetzagentur die Lage der Gasversorgung einordnet, stehen derzeit noch drei auf „stabil“. Den temperaturbereinigten Verbrauch beurteilt die Behörde als „angespannt“, die Temperaturprognose an sich sogar als „kritisch“. Die Bundesnetzagentur kalkulierte mit einer Terawattstunde mehr Verbrauch pro Woche für jedes Grad, das die Temperatur unter dem Durchschnitt der letzten Jahre liegt. Bei Werten, die dauerhaft zwei Grad unter dem Schnitt liegen, geht sie von einem Mehrverbrauch von 44 Terawattstunden in diesem Winter aus. Das entspreche etwa 18 Prozent der Speicherkapazität.

Gas: Die Opposition sieht die Gefahr einer Mangellage nicht als gebannt

Derzeit, heißt es auf Anfrage von der Bundesnetzagentur, sei die Lage in der Versorgung stabil. Doch Behördenchef Klaus Müller mahnt, trotz des Frosts weiterhin Gas zu sparen. Ein oder zwei Wochen Kälte machten ihn noch nicht besonders besorgt, sagte Müller am Samstag im Deutschlandfunk. Man dürfe aber nicht leichtfertig werden. Wenn alle die Heizungen in allen Räumen hochdrehten, werde sehr viel Gas verbraucht. Und wenn das lange dauere, könnte am Ende des Winters nicht genug Gas da sein, um die Bedürfnisse der Industrie zu decken, warnte Müller. Es bleibe dabei, dass über alle Sektoren hinweg 20 Prozent Gas eingespart werden müssten.

Beim Bundeswirtschaftsministerium beobachtet man die Lage, ist aber noch nicht alarmiert. „Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist weiter gewährleistet“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. „Die Speicher sind gut gefüllt.“ Der Gesamtspeicherstand in Deutschland liege bei aktuell rund 95 Prozent, der größte Gasspeicher Rehden ist noch zu über 91 Prozent gefüllt. Die Bürgerinnen und Bürger hätten einen wichtigen Beitrag geleistet und in den letzten Monaten kräftig Energie gespart. „Wichtig ist jetzt, damit weiterzumachen, klug zu heizen, und Energie zu sparen, auch wenn es kälter wird“.

Gaskrise: Das Sparziel wurde gerissen

Angespannter bewertet dagegen die Opposition die Lage. Alle würden hoffen, dass Deutschland gut durch den Winter kommt, sagte Andreas Jung, stellvertretender CDU-Chef und energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, dieser Redaktion. „Aber die Gefahr einer Mangellage ist trotz voller Speicher nicht vom Tisch.“

Noch habe der Frost noch gar nicht hart zugeschlagen. Trotzdem wurde das Sparziel letzte Woche deutlich gerissen. „Das muss ein Weckruf für die Bundesregierung sein“, sagte Jung. Es müsse kurzfristig gehandelt und stärker sensibilisiert werden.

Konkret fordert er unter anderem Änderungen an den Abschöpfungsplänen der Bundesregierung im Stromsektor, die in der kommenden Woche beschlossen werden sollen. „Es ist höchste Zeit, die Notbremse zu ziehen und nachzubessern“, sagte Jung. Denn in der aktuellen Form, in der auch Gewinne von Biogas-Anlagen abgeschöpft werden sollen, würden die Pläne dafür sorgen, dass die Produktion von Bioenergie gedrosselt würde. Gerade die würde aber „als verlässlicher Partner volatiler Erneuerbarer“ Gaslieferungen ersetzen. Die Gefahr einer Mangellage in diesem Winter würde so verschärft.

Wetter: Mitte der Woche könnte es in Teilen Deutschlands milder werden

Auf die Gefahr eines Mangels müsse auch der Bundeskanzler noch einmal deutlicher hinweisen, sagt der Unions-Energieexperte: „Das gebetsmühlenartige scholzsche Selbstlob zur angeblich schon gesicherten Versorgung wiegt in falscher Sicherheit“, kritisiert er. „Angezeigt ist jetzt eine sehr klare Kommunikation der Bundesregierung: Jeder Beitrag beim Energiesparen zählt!“

Wie lange die Kälte andauern wird, ist laut Deutschem Wetterdienst unsicher. Mitte der Woche könnten aber zumindest in Teilen des Landes die Temperaturen steigen – und so der Druck auf die Gasversorgung etwas abnehmen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de