Berlin. Neben Dietmar Bartsch führt Amira Mohamed Ali künftig die Links-Fraktion. Vorgängerin Sahra Wagenknecht bleibt aber in der Politik.

Am Anfang muss die neue Chefin etwas klarstellen: Ihr vollständiger Nachname ist Mohamed Ali, erklärt Amira Mohamed Ali, neue Fraktionsvorsitzende der Linken, am Dienstag, bevor sie die erste Frage beantwortet.

Dass das noch nicht allgemein bekannt ist, liegt daran, dass Mohamed Ali selbst noch nicht allen bekannt ist: Erst vor zwei Jahren in den Bundestag eingezogen, kümmerte sie sich bislang um Verbraucher- und Tierschutz. Wichtige Themen, aber nicht unbedingt Anliegen, mit denen man bei der Linken häufig im Rampenlicht steht.

Mit der Wahl zur Fraktionsvorsitzenden ist die 39-jährige Rechtsanwältin nun plötzlich in die erste Reihe aufgerückt, wenn auch im zweiten Anlauf. Im ersten Wahlgang bekamen weder sie noch Gegenkandidatin Caren Lay die nötige Mehrheit.

Im zweiten Wahlgang dann stimmten 36 Abgeordnete für Mohamed Ali, das entspricht 52,2 Prozent, und 29 für Lay. Die Niedersächsin Mohamed Ali folgt damit als weiblicher Teil der Linken-Fraktionsspitze auf Sahra Wagenknecht. Die hatte schon im Frühjahr angekündigt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr antreten würde.

Mohamed Ali und Lay hatten ihre Kandidaturen kurz nach der Wahl in Thüringen angekündigt, beide hatten betont, die tief zerstrittene Fraktion einen zu wollen. Doch trotz ähnlicher Töne sahen Beobachter die Wahl als eine Entscheidung zwischen zwei Teilen von Partei und Fraktion, die schon lange miteinander im Clinch liegen.

Amira Mohamed Ali sitzt seit 2017 für die Linken im Bundestag

Mohamed Ali gilt als Teil des linken Parteiflügels und Wagenknecht-Lagers. Konkurrentin Lay, die ihren Wahlkreis in Bautzen hat und Katja Kipping seit Langem kennt, gilt als Vertraute der Parteichefin. Der Graben zwischen Kipping und Wagenknecht ist tief. Wagenknecht hatte in der Migrationspolitik immer wieder Töne angeschlagen, die vielen in der Partei – auch Kipping – zu nah am Sound der Union, zum Teil sogar der AfD waren.

Wagenknecht warf der Parteichefin im Gegenzug vor, die Linke zu einer Lifestyle-Partei für junge, urbane Menschen zu machen und darüber das Kernklientel der Partei zu vernachlässigen. Noch am Wochenende hatte Wagenknecht ein Lob für ihren Ko-Vorsitzenden Bartsch verknüpft mit einem Seitenhieb auf die Parteiführung: „Es gab nie eine Situation, wo einer den anderen öffentlich miesgemacht oder aus dem Hinterhalt angegriffen hat“, sagte sie. „Wenn wir diesen Umgang auch mit der Parteispitze hinbekommen hätten, wäre vieles leichter gewesen.“

Der lähmende Streit hat Spuren hinterlassen – auch im Wahlergebnis von Mohamed Alis Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Der wurde zwar erwartungsgemäß wiedergewählt, hat aber im Vergleich zur letzten Wahl deutlich an Zustimmung eingebüßt. Statt 80 Prozent wie vor zwei Jahren stimmten nur noch 63,7 Prozent für Bartsch. Der zeigte sich trotzdem zufrieden. Das sei auch „ein Ergebnis der Auseinandersetzungen, die wir gehabt haben“, sagte Bartsch direkt im Anschluss an die Wahl. Trotzdem sei er „ganz schön zufrieden“.

Auch Mohamed Ali erklärte, dass sie sich sehr über ihre Wahl freue. „Es ist jetzt gut, wenn wir als Fraktion nach vorne schauen.“ Die tiefe Zerstrittenheit, die der Fraktion immer wieder bescheinigt wird, „die empfinde ich so nicht“.

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    Die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger äußerten sich am Dienstagabend zurückhaltend zur neuen Führung der Fraktion. „Das war eine demokratische Wahl“, sagte Riexinger unserer Redaktion. „Die Fraktion hat das entschieden und ich hoffe, dass das dazu führt, dass es eine gute Zusammenarbeit in der Fraktion und in der Partei gibt.“ Die Parteispitze werde bald das Gespräch mit der neuen Fraktionsführung suchen.

    Parteichefin Kipping gratuliert auf Twitter. „Herzlichen Glückwunsch an die frisch gewählten Fraktionsvorsitzenden“, schrieb sie, „auf gute Zusammenarbeit“.

    Auch Mohamed Ali betonte am Dienstag, dass sie auf Zusammenarbeit setze: „Mir geht’s um Argumente, ich bin nicht festgelegt auf irgendwelche Lager oder Grabenkämpfe“, erklärte sie. „Ich gehe ganz normal, wie ich es bisher gemacht habe, auf alle offen zu und wir werden den Austausch miteinander suchen.“ Wagenknecht sagte nach ihrem einstweiligem Politik-Aus: „Ich hatte einen Burn-out“.

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    Die Zeit mit Sahra Wagenknecht an der Spitze war geprägt von Streit zwischen Wagenknecht und der Parteispitze um Katja Kipping und Bernd Riexinger. Wagenknecht sieht eine Politik der offenen Grenzen für alle kritisch und ist der Ansicht, ihre Partei habe sich von ihrer eigentlichen Klientel entfernt.

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    (mit dpa/les)