Roßleben. Ein Ausbildungstag der Brandbekämpfer zeigt, wie komplex und verantwortungsvoll das Helfen ist und warum die Retter selbst auf Hilfe hoffen.
Geringfügige Veränderungen am Boden können in mehr als zehn Metern Höhe einen beachtlichen Unterschied bewirken. Diese Erfahrung machten Jens Weiß, Julian Rohkohl, Chris Reinhardt und Sebastian Helmboldt jüngst. Das Vierergespann aus den Ortsfeuerwehren der Landgemeinde Roßleben-Wiehe positionierte eine dreiteilige Schiebleiter an Außenwänden der ehemaligen Malzfabrik. Ein kraftraubendes Unterfangen, bei dem ein unstimmiger Aufstellwinkel ganz praktisch zur Gefahr für Einsatzkräfte und zu rettende Personen werden könnte.
Bei der fingierten Personenrettung saß den Feuerwehrleuten diesmal weniger die Zeit im Nacken. Schließlich handelte es sich bei der Übung um eine von fünf realitätsnahen Szenarien, welche die Feuerwehrleitung zusammenstellte, um das Zusammenspiel über einzelne Ortswehren hinweg zu trainieren und Kenntnisse aufzufrischen.
Doppelmitgliedschaft in zwei Feuerwehren ist möglich
Das metallene Hilfsmittel ist das passende Zwischenstück, wenn im Ernstfall weder Drehleiter noch Steckleitern helfen. Mit der Schiebleiter ist Enge an Einsatzorten kaum problematisch. Doch Auf- und Abbau grenzen an eine Wissenschaft. Vieles ist zu beachten: Aufstellen, Bewegen der beiden Stützen, Fixieren der Leiter, Aufstellwinkel. Die Rettungshöhe liegt zwischen elf und zwölf Metern, bekamen die Feuerwehrleute erzählt. Weicher Untergrund birgt im Einsatzfall eine zusätzliche Herausforderung, denn immerhin muss die Leiter standfest sein, wenn die erste Rettungskraft ungesichert, manchmal unter schwerem Atemschutz, hinaufsteigt.
Oft zum Einsatz kam die Schiebleiter, die bei der Donndorfer Wehr stationiert ist, zwar bisher nicht. Darauf kommt es jedoch nicht an. Der Blick ist auf den Ernstfall gerichtet. Dann muss nicht nur die Technik vorhanden sein, sondern die Feuerwehrmitglieder müssen die Technik zudem sicher bedienen.
Letzteres wurde an der Malzfabrik geübt. Für den 21-jährigen Sebastian Helmboldt eine ungewohnte Erfahrung. Der Roßlebener ist Truppmann. Da er beruflich häufiger ein paar Kilometer weiter im Querfurter Umland anzutreffen sei, habe er sich für eine Doppelmitgliedschaft entschieden, erzählte er. Heißt: Helmboldt ist nicht nur Mitglied in seiner „Heimatfeuerwehr“ in Roßleben aus, sondern auch im benachbarten Ziegelroda. Derartige Doppelmitgliedschaften gibt es seit Jahren. Sie ermöglichen, dass beispielsweise auswärts arbeitende Feuerwehrwehrleute auch im Arbeitsort in die Feuerwehrmontur schlüpfen und das dortige Team verstärken können. Mit den Doppelmitgliedschaften werde man dem grundlegenden Problem fehlender Einsatzkräfte allerdings nicht Herr, bestätigen Mitglieder.
Auch Steuervergünstigungen sind überlegenswert
Im Verantwortungsbereich von Stadtbrandmeister Benjamin Voigt für Roßleben-Wiehe verzeichnet dieser einen sich zuspitzenden Mitgliedermangel: Waren es vor fast genau einem Jahr noch 142 aktive Einsatzkräfte in der Landgemeinde, liege die Zahl gegenwärtig zwischen 120 und 130 Mitgliedern. Es gebe Wegzüge, altersbedingtes Ausscheiden aus dem aktiven Dienst; dazu pendelten viele aus beruflichen Gründen aus der Landgemeinde in andere Orte, zählte Voigt auf.
Dagegen sind die personellen Zugänge gering. Das eherne Ziel, 24 Stunden, sieben Tage die Woche einsatzbereit zu sein, könne so immer schwieriger umgesetzt werden. Ansatzpunkte zur Reform gebe es viele – angefangen bei verbesserter Technik bis hin zu Anreizen für die Mitgliedergewinnung. „Der Arbeitskräftemangel schlägt sich bis zur Feuerwehr durch“, bekennt Stadtbrandmeister Voigt. Arbeitgeber setzten Anreize für neue Mitarbeiter. Dasselbe müssten nach seiner Ansicht nun auch die Entscheider in Feuerwehrbelangen tun.
„Das System muss reformiert werden“, ist Voigt überzeugt und verweist auf einen größer werdenden Aufgaben-, Einsatz- und Verwaltungsbereich. Feuerwehrrente, wie es sie in Thüringen gibt, sei gut. Aber der frischgebackene Nachwuchs sehe erfahrungsgemäß noch nicht den Nutzen von einer Zusatzrente Jahrzehnte später.
Stadtbrandmeister Benjamin Voigt und Maik Rahaus, Wehrchef in Donndof, zählten als mögliche Anreize etwa kostenlose Plätze in Kindergarten und -krippe, Steuer- und/oder Lohnvorteile auf. Es müsse einen Mehrwert geben, so Voigt – „der darf nicht nur das Dankeschön sein“. In vielen Kommunen wird dieser Tage über Anreize für das Ehrenamt nachgedacht. Da bildet Roßleben keine Ausnahme.