Gerstungen. Das Pflegezentrum von Margit Benkenstein in Gerstungen nimmt eine Vorreiterrolle ein. Hürden für Erteilung von Arbeitserlaubnis sind für einige noch zu hoch.

Als Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) unlängst mit einer Mannschaft in Vietnam weilte, um dort unter anderem Menschen für die Arbeit in sozialen Berufen im Freistaat zu begeistern, hatte Margit Benkenstein schon die Basis dafür gelegt, dass in ihrer privaten Pflegeeinrichtung in Gerstungen Auszubildende aus Vietnam Fuß fassen. Etwa ein Viertel des Pflegepersonals im Pflegezentrum „Sonnenschein“ stammt mittlerweile aus dem Ausland.

Die Rekrutierung von Pflegekräften aus dem Ausland, etwa aus den Philippinen, erfordert einige Vorarbeit. Der Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit hilft dabei, sagt Thomas Engelmann vom Landesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA), deren Vorsitzende Margit Benkenstein ist. Das koste allerdings Geld. Auch private Agenturen helfen dabei, den Berg der Formalitäten für eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu bewältigen.

Der Notstand in der Pflegebranche ist enorm. Kathrin Opitz, Leiterin des Pflegeheimes der Arbeiterwohlfahrt in Berka/Werra, nennt ihn dramatisch. Der Personalabwanderungsdruck auf Einrichtungen an der Grenze zu Hessen wie etwa in Gerstungen oder Berka/Werra ist ungleich größer als etwa in Eisenach. Auch Margit Benkenstein musste deshalb reagieren – und hat reagiert. Zahlreiche Mitarbeiterinnen beziehungsweise Auszubildende aus unterschiedlichen Ländern sind in ihrem Unternehmen beschäftigt.

Da es das Berufsbild Altenpflege in vielen anderen Ländern nicht gibt, sind die meisten Bewerberinnen ausgebildete Krankenschwestern. Deren Zeugnis muss a) übersetzt und b) überprüft werden, sagt Thomas Engelmann. In anderen Ländern wie etwa in Asien ausgebildete Krankenschwestern seien zwar von der Papierform her höher qualifiziert, hätten in Detailbereichen aber mitunter Lücken, die mit einem Praktikum etwa in einem Krankenhaus geschlossen werden. Zudem ist die nicht einfache Sprachkundeprüfung B2 Voraussetzung für eine Arbeitserlaubnis. Arbeitgeber wie Margit Benkenstein sind bei der Suche nach einer Wohnung ebenso behilflich wie bei der Eröffnung eines Kontos.

Der Arbeitsmarkt ist wie leer gefegt

Laut BPA-Geschäftsführer Engelmann hat sich die Zahl der in der Altenpflege beschäftigten Menschen in den vergangenen zehn Jahren in Thüringen verdoppelt. Auch aus diesem Grund ist der Arbeitsmarkt derzeit wie leer gefegt. Guter Rat ist also teuer.

Das Kerngeschäft von in der Branche tätigen Unternehmern beziehungsweise bei Wohlfahrtverbänden verantwortlichen Geschäftsführern erhält ein neues Aufgabengebiet: Pflegekräfte aus dem Ausland beschaffen. Die Arbeiterwohlfahrt (Awo), die ihr Pflegeheim in Berka/Werra um eine Senioren-Wohngemeinschaft erweitern will, hat ebenfalls ausländische Mitarbeiter rekrutiert, aus Vietnam oder Albanien, sagt Geschäftsführer Michael Hack. In Berka/Werra sind diese Auszubildende beziehungsweise Fachkräfte aber noch nicht angekommen.

In dieser Woche will Hack den Bauantrag für die Erweiterung in Berka/Werra unterschreiben und auf den Weg bringen. Im Frühjahr 2020 erwartet er den Baubeginn. An den Plänen selbst habe sich im Vergleich zur Projektpräsentation im Oktober 2018 (wir berichteten) nichts verändert.

Als Herausforderungen der kommenden Jahre nennt Margit Benkenstein neben dem Fachkräftemangel die Einführung der neuen Qualitätsprüfungen, die Pflegevergütungsverhandlungen sowie die Zusammenlegung der bisher getrennten Ausbildungen in der Kranken-, Kinderkranken-, und Altenpflege.

„Die Aufgaben können nur in Partnerschaft der Unternehmen mit Landesregierung, Kommunen sowie Pflege- und Krankenkassen bewältigt werden. Bei der Umsetzung der neuen generalistischen Ausbildung engagieren wir uns stark in den entsprechenden Begleitgremien der Landesregierung.“ In dieses Horn stößt auch Christian Hoffmann, Verwaltungsleiter bei St. Annen in Eisenach und neu im BPA-Vorstand. St. Annen beschäftigt ausländisches Personal. Die Hürden bei der Anerkennung der Ausbildung ausländischer Fachkräfte durch das Landesverwaltungsamt waren und sind auch für dieses Unternehmen (zu) hoch. Die Awo hat albanische Mitarbeiter deshalb über Baden-Württemberg nach Thüringen geholt.

Für den Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) ist die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte noch kein Thema. „Der Aufwand dafür ist extrem hoch“, begründet Geschäftsführer Matthias Ecke die Zurückhaltung. Die Diako hat sich mit dem Thema befasst, sei aber noch nicht wie gewünscht zum Zuge gekommen, so Geschäftsführer Sven Kost. Der Diako-Blick fällt dabei vor allem auf das St. Georg-Klinikum.

In zahlreichen kleinen Unternehmen wie mobilen Pflegediensten sei das Thema noch nicht angekommen, ergänzt Thomas Engelmann vom BPA. Personalnot könne für kleinere Firmen unter Umständen gar zur Schließung führen.

Für Awo-Chef Hack, der auf der Sommertour gerade mit Ramelow darüber gesprochen hat, ist das Land gefordert. Es könne mit dem Wissen eines abgefischten Arbeitsmarktes nicht die Messlatte in der Pflege anheben. Ramelow habe eine bessere Förderung bei der Einstellung von ausländischen Arbeitnehmern – es betrifft nicht nur den sozialen Bereich – angekündigt.