Hundertjähriger Geburtstag – Ein turbulentes Leben mit Schwerpunkt in Weimar

Albrecht Kaiser
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Joachim Kersten feiert seinen hundertsten Geburtstag mit seinen Kindern Maria Kersten, Uwe Kersten und Rolf Kestern (von links)

Joachim Kersten feiert seinen hundertsten Geburtstag mit seinen Kindern Maria Kersten, Uwe Kersten und Rolf Kestern (von links)

Foto: Albrecht Kaiser

Weimar.  Joachim Kersten feierte am Freitag seinen hundertsten Geburtstag. Der ehemalige Weimarer Drucker blickt zurück auf die Inflation, den Krieg und die DDR.

Am 29. September des Jahres 1923 ist die Weimarer Republik von Krisen gebeutelt. Die französische Armee hat das Ruhrgebiet besetzt, der Hitlerputsch ist gerade mal zwanzig Tage her und die Inflation ist auf einem erneuten Hoch. An diesem Tag werden Joachim Kersten und seine Schwester in Halle geboren.

„Weil wir nur ein Kinderbett hatten, hat mein Vater seine Mutter losgeschickt, um noch ein weiteres zu besorgen. Es hat mehrere Milliarden Mark gekostet,“ sagt der Hundertjährige. Mit fünfzehn Jahren startete er seine Lehre im väterlichen Druckbetrieb. Zwei Wochen nach seinem 18. Geburtstag wird er in die Wehrmacht eingezogen. Er wird als Funker im Herbst 1942 in die Sowjetunion geschickt. Nach zwei Jahren Krieg trifft ihn ein Geschoss am Kopf und er muss ins Lazarett. Nach seiner Genesung wurde er nach Frankreich und nach Holland geschickt. Kurz vor Kriegsende ergab sich Kersten in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Diese verbrachte er dann bei Bordeaux als Holzfäller.

1954 leitet Kersten die Weimarer Unionsdruckerei

Die Druckerei seines Vaters wird während dessen 1941 von den Nazis enteignet. Er wird in das KZ Oranienburg gebracht. Nach dem Krieg setzen die amerikanischen Besatzungsmächte ihn wieder ein, und der Vater konnte den Betrieb weiterführen. Nach einem erneuten Machtwechsel wurde er wieder enteignet, diesmal von den Sowjets. Sie verhaften ihn und er stirbt schließlich im Internierungslager Buchenwald.

Joachim Kersten kommt 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurück nach Halle. Er fängt in einem Betrieb der VOB-Union als Drucker an und 1954 übernimmt er die Weimarer Unionsdruckerei auf der Coudraystraße als Leiter und gründet hier seine Familie. Dort druckt er über 30 Jahre das Thüringer Tageblatt, bis er 1988 schließlich in Rente geht.

Auf die Frage, was die schönste Zeit seines Lebens war, antwortet Kersten: „Die Lehre damals war eine sehr schöne Zeit. Doch die schönste Zeit ist immer die gewesen, die ich mit meiner Familie verbringen konnte und auch jetzt noch kann.“ Er feiert seinen 100. Geburtstag diesen Freitag im Kreis eben jener Familie. Seine drei Kinder, fünf Enkel und sogar seine fünf Urenkel besuchen ihn an diesem Tag. Auch Bürgermeister Ralf Kirsten (Weimarwerk) kam vorbei, um zu gratulieren.

Am Ende sagt Joachim Kersten: „So wie ich heutzutage den Ukraine-Konflikt verfolge, erinnert mich das an meine eigene Kriegszeit. Wenn man als Mensch gezwungen wird, andere zu töten, belastet das einen sein gesamtes Leben.“