Erfurt. Die Gleichstellungsbeauftragte des Landes schweigt seit Monaten zur Causa Montavon. Im ersten Gespräch zur Sache kritisiert sie OB Bausewein (SPD) nun aber scharf.

Erstmals äußert sich die Thüringer Gleichstellungsbeauftragte, Gabi Ohler, öffentlich zur Theateraffäre um die Vorwürfe sexueller Übergriffe und Machtmissbrauch sowie Finanzlöchern. Während sie keinerlei Bewertungen zu möglichen Übergriffen am über Jahre von Generalintendant Guy Montavon geleiteten Theater abgibt, findet sie im Gespräch mit dieser Zeitung klare Worte zum Umgang der Stadtspitze mit der früheren Erfurter Gleichstellungsbeauftragten Mary-Ellen Witzmann.

Ohler verweist auf unterschiedlichen Umgang der Stadt mit Witzmann und Montavon

„Ich finde es absurd, dass der Oberbürgermeister sofort Frau Witzmann fristlos gekündigt hat“, sagt Gabi Ohler. Ihrer Meinung nach und auch aus eigenen Erfahrungen in Leitungspositionen heraus fände sie es angebracht, dass zunächst die ausgesprochene Beurlaubung gegolten hätte, bis die Vorgänge aufgearbeitet worden seien. „Wenn man der Meinung ist, dass jemand Fehler gemacht hat, redet man miteinander und es gibt maximal eine Abmahnung.“ Aber nicht gleich eine fristlose Kündigung, durch die Witzmann ohne finanzielle Einkünfte dasteht. „Während andere, die wesentlich mehr involviert waren.... Das ist schon abstrus.“

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Guy Montavon werde zugebilligt, dass er Zeit bekommt, sich zu verteidigen, und Witzmann nicht. Dem Generalintendanten wird vorgeworfen, „Fälle sexueller Belästigung über Jahre ignoriert zu haben, woraufhin er beurlaubt wird und weiterhin seine vollen, sehr hohen Bezüge erhält“, präzisiert Gabi Ohler. Dass Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) die Gleichstellungsbeauftragte fristlos entlassen hat, das habe der Sache geschadet. Ohler nennt es den Hauptfehler in der ganzen Affäre. Tiefgreifender wolle sie sich aber angesichts des anstehenden Termins vor dem Arbeitsgericht am Freitag (12.4.) nicht äußern.

Ohler: Gleichstellungsbeauftrage arbeiten nicht unabhängig

Das sei auch ein Termin, der möglicherweise Einfluss auf die künftige Arbeit von Gleichstellungsbeauftragten in Thüringen haben werde. So mache sich ein Streitpunkt zwischen der Stadtverwaltung und Mary-Ellen Witzmann ja an der Frage fest, ob die Beauftragten und in welcher Form eigenständig Öffentlichkeitsarbeit betreiben können. Witzmann hatte im Oktober gegenüber dieser Zeitung bestätigt, dass es die Vorwürfe sexueller Übergriffe oder des Machtmissbrauchs am Theater gebe.

Ob sie die Unabhängigkeit der Gleichstellungsbeauftragten und deren Arbeit noch in einem sicheren Rahmen sieht, diese Frage entgegnet Gabi Ohler mit der Aussage, dass die Beauftragten grundsätzlich nicht unabhängig agieren dürften. Wenn etwa wie im konkreten Fall es um Vorwürfe sexueller Übergriffe gehe, können die Gleichstellungsbeauftragten die Fälle aufnehmen und beraten. Aber sie dürften nicht verantwortlich handeln. Das sei Sache der Dienstherren. „Die müssen sich kümmern.“

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Thüringer Gleichstellungsgesetz ein „zahnloser Tiger“

Aber was ist, wenn die Dienstvorgesetzten es nicht tun? Diese Nachfrage beantwortet Ohler – wie sie sagt – ganz grundsätzlich: „Wenn sich eine GB in ihren Rechten beschnitten sieht, könne sie vor dem Verwaltungsgericht klagen.“ Gerade liege übrigens eine Novellierung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes zur Beratung vor. Auch aus diesem Anlass werde Ohler sich genau anhören, wie am Freitag das Gericht argumentiert und entscheidet. Das jetzige Gleichstellungsgesetz sei ein „zahnloser Tiger“, weil es ganz viele offene Formulierungen und Empfehlungen statt klarer Regelungen enthalte.

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Henryk Goldberg
Von Henryk Goldberg

Inhaltlich schaut die Landesgleichstellungsbeauftragte eher aus der Ferne auf die Theater-Affäre. So habe sie den Bericht der Berliner Kanzlei FS-PP zu mutmaßlichen Übergriffen am Theater nicht gelesen und bisher auch nicht um Einsicht gebeten. „Die Stadtratsfraktionen haben sich des Themas angenommen. Das läuft“, sagt sie als Begründung ihrer Zurückhaltung. Sie selbst hätte keinen Anlass gesehen, inhaltlich zu intervenieren und habe auch rechtlich keine Handhabe, direkt einzugreifen.

Kein Gespräch mit der entlassenen Erfurter Gleichstellungsbeauftragten

Dass sie eine Schlichtung moderieren könne, dazu habe nie die Möglichkeit bestanden. Weil die Stadt, das habe sie aus Hintergrundgesprächen erfahren, um jeden Preis an der Kündigung Witzmanns festhalten wolle. Die Position und Sicht der früheren Erfurter Gleichstellungsbeauftragen kann sie indes nicht kennen, denn gesprochen hat sie mit Mary-Ellen Witzmann seit Oktober überhaupt nicht. Da Witzmann sich nicht gemeldet habe, sah sie auch keinen Anlass zum Hörer zu greifen und ihre gefeuerte Kollegin anzurufen.

Erfurt hätte gutes Beispiel für Umgang mit „Me too“-Fällen werden können

Aber: „Ich glaube, dass Frau Witzmann moralisch richtig gehandelt hat und es ist super, dass es jetzt endlich ins Laufen gekommen ist.“ Die Frage sei nur, ob das „Wie“ das richtige war. Am Ende formuliert Gabi Ohler aber dann doch eine grundsätzliche Einschätzung: „Wenn man es mal von außen betrachtet: Sie hat etwas ins Rollen gebracht, es wurde eine Untersuchung gemacht, ein Bericht geschrieben. Darin steht, dass es Fälle gibt, dass da etwas aufgearbeitet werden muss und dass da Konsequenzen gezogen werden müssen. Das wäre ja ein gutes Beispiel gewesen und ein Vorbild für andere Städte, wie man damit umgehen kann – wenn er sie nicht rausgeworfen hätte.“

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