Berlin. Die einst coolste Band der Welt hätte nach Ansicht vieler alter Fans getrost in der Versenkung bleiben können. Was aber passiert, wenn alle Manierismen ablegt werden? New Yorks Vorzeige-Garagenrocker The Strokes überraschen mit ganz neuer Leichtigkeit.

Kennen Sie The Strokes? Hoffentlich nicht. Dieser unnötige Ballast juveniler Glückseligkeit hat schon so manchen Spaß verdorben.

Und so schallt das sechste Studioalbum der New Yorker Band unbeschwert durch die vom Podcast gequälte Bluetooth-Box. Kann langsam reifen mit wiederholtem Abspielen, dabei feine Nuancen und pfiffige Details freigeben. Die Strokes haben nichts mehr zu verlieren mit "The New Abnormal".

Beinahe unnötig zu erwähnen, dass die Gruppe um Sänger Julian Casablancas einst die sexy Posterboys des Garagenrock waren. Dass The Strokes mit ihrem Debüt "Is This It" im Jahr 2001 der Gitarrenmusik der späten 90er den erhobenen Mittelfinger gezeigt hatten, um sie von Abscheulichkeiten wie DJs und brachialem Geschrei zu befreien.

Doch die Strokes mochten nach ihrem famosen Debüt und dem Nachfolger "Room On Fire" (2003) weder große Erfolge feiern noch Meilensteine schaffen. Angesichts hoher Erwartungen und der üblichen Vorgabe, schmissige Hits reproduzieren zu müssen, wurden der Band Ausflüge in neue Terrains zwischen futuristischem Pop und Prog-Rock kaum gegönnt. Auch bandintern soll es immer wieder Querelen über den eigenen Sound gegeben haben. Nichtsdestotrotz hatten alle Platten ihre großartigen Momente.

Mit dem Album "Comedown Machine" (2013) begab sich die Band noch nicht einmal auf Tour. Hätten sich die Strokes aufgelöst, kaum eine Träne wäre wohl vergossen worden. Zu süß waren die Erinnerungen an bierselige Abende in der Indie-Disko von damals. Und so dauerte es sieben lustige Jahre ohne Entbehrungen, bis wir nun mit "The New Abnormal" (oder auch "TNA") einen neuen Langspieler über die virtuelle Theke gereicht bekommen.

Kaum überraschend wirkt, dass sich die Band diesmal von keinem Geringeren als Rick Rubin die Knöpfchen und Regler hat bedienen lassen. Der Produzent wird oft dann gebucht, wenn der Karren schon im Dreck steckt, die müden Gelenke ideenlos knacken und man sich auf vergessene Stärken rückbesinnen möchte.

Sei es nun geglücktes Kalkül oder mit genügend Abstand gewonnene Egalheit gegenüber irgendwelchen Erwartungen: The Strokes spielen sich ungemein befreit und mit Freude, ja sogar einem gewissen Augenzwinkern durch "The New Abnormal".

Der Opener "The Adults Are Talking" kokettiert mit dem Sound alter Tage. "We are trying hard to get your attention", singt Casablancas und schwingt sein Falsett über einem Maschinenbeat und sich duellierenden Gitarren in ungeahnte Höhen. Zwischen den Tracks hört man die Band dann im Studio spaßen. Ein Novum im Vergleich zu den früher oft abrupt endenden Stücken.

"Selfless" ist ein sich zaghaft entfaltendes Wiegenlied von einfacher Schönheit in mittlerem Tempo. Überhaupt ist diese schwierige Gangart auf "The New Abnormal" der bestimmende Modus. Für "Brooklyn Bridge To Chorus" wird dann tief in die 80er-Disco-Kiste gegriffen, samt Laser-Gitarren und Plastiksynthesizern. "Bad Decision" verkleidet sich als der klassischste Strokes-Track auf "TNA" und schlägt den begeisterten Nostalgikern gleichsam ein Schnippchen. Billy Idols "Dancing With Myself" wird hier so überdeutlich zitiert, dass er und Tony James auch in den Credits zum Song erscheinen.

Eines der vielen Highlights und der wohl ungewöhnlichste Albumtrack ist "At The Door". Casablancas fleht über knarzenden Synthies, bis ein pulsierenden Beat ihm eine Rampe in luftige Höhen baut.

Im herrlich zwischen The Clash und David Bowie groovenden "Eternal Summer" und dem gelassenen "Why Are Sundays So Depressing" entdeckt der Sänger dann seinen inneren Prince. Spätestens hier wird klar: Die Strokes versuchen nun weder Strokes-Songs zu schreiben noch mit sperrigen Experimenten Erwartungen zu enttäuschen. Es gelingt ihnen mit neuer Leichtigkeit.