Berlin. Die Zahl der Neuinfektionen in Spanien und Frankreich steigt stark. Deutschland mache nicht viele Dinge anders, warnt Virologe Drosten.

  • Mit Blick auf die verschärfte Corona-Lage in Frankreich und Spanien warnt der Virologe Christian Drosten vor einer ähnlichen Entwicklung in Deutschland
  • Das RKI hatte am Donnerstag etwa 2200 Neuinfektionen für Deutschland gemeldet, am Freitag noch mal mehr als 1900
  • Laut dem Virologen werde es immer schwieriger, Ausbrüche lokal begrenzt zu kontrollieren

Mehr als 10.000 Neuinfizierte pro Tag in Frankreich und Spanien. Die Corona-Lage in manchen europäischen Ländern spitzt sich immer weiter zu. Der Infektiologe Alexander Kekulé spricht sogar von einer Situation, die dort außer Kontrolle sei. Kekulé und der Virologe Christian Drosten warnen vor einer ähnlichen Entwicklung auch in Deutschland.

Angesichts der derzeit in Deutschland gemeldeten Neuinfektionen müsse man sich klarmachen, „dass wir, wenn wir die Kurven übereinanderlegen, etwas hinterherhinken hinter Spanien und Frankreich und England“, sagte Drosten, der Leiter der Charité-Virologie. Er betonte, „dass wir uns aber auch nicht vormachen sollten, dass sich das bei uns alles ganz anders entwickelt. Wir machen auch jetzt nicht sehr viele Sachen sehr anders“. Lesen Sie hier: Spanien: Coronavirus-Rekordanstieg – Ärzte beklagen Chaos

Drosten: Müssen bei Corona-Lage in Deutschland „sehr vorsichtig sein“

Für Christian Drosten gibt es ein paar paar Details, die in Deutschland anders seien als in Südeuropa. „Unsere Haushalte sind häufig kleiner, wir haben mehr Einpersonenhaushalte“, sagte Drosten. Es gebe weniger Mehr-Generationen-Familien, in denen das Virus über die Altersgrenzen sehr leicht verbreitet werde. „Das sind sicher Unterschiede. Aber ansonsten ist Deutschland nicht viel anders als diese europäischen Nachbarländer. Darum müssen wir da sehr vorsichtig sein und sehr genau beobachten, wie es jetzt weitergeht.“

Für Alexander Kekulé ist die Lage in Frankreich und Spanien ohne starke Einschränkungen des Lebens kaum noch zu kontrollieren, sagte er im Gespräch mit dem Mitteldeutschen Rundfunk. Deutschland sei nicht in dieser Phase. Trotzdem müsse man auch hierzulande schauen, dass das nicht komplett aus dem Ruder laufe. „Dann haben wir natürlich keine andere Möglichkeit als einen Lockdown. Oder wir schauen einfach zu, wie die Leute infiziert werden. Aber ich glaube nicht, dass das politisch akzeptiert wird“, sagte Kekulé.

Die Testhäufigkeit in Deutschland ist nach Einschätzung von Christian Drosten extrem groß, auch das habe Auswirkungen auf die Zahl der entdeckten Infektionen. Diese Testhäufigkeit aber könne man in Deutschland so nicht mehr lange durchhalten. Der Kern der Infektionsüberwachung sei dann nur wenig stärker ausgeprägt als in anderen Ländern. „Darum müssen wir schon die Zahlen ernstnehmen.“

Die Jüngeren neigten dazu, sich nicht sofort testen zu lassen

Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte am Donnerstag von rund 2200 Corona-Neuinfektionen bundesweit berichtet. Für Freitag meldete das RKI 1916 Neuinfektionen. Wie Drosten erklärte, gingen die Fallzahlen in Deutschland über den Sommer zu einem großen Teil auf Rückkehrer aus dem Urlaub zurück, die das Virus nicht unbedingt in großem Maße hierzulande weitergetragen hätten. Diese Infizierten gäben eher Hinweise auf die Corona-Lage im Herkunftsland. „Was wir jetzt im Moment sehen, ist eine Reflexion durchaus wieder von dem, was in Deutschland los ist in Form von Virusfällen.“

Bereits am Dienstag (15.) hatte Drosten in dem NDR-Podcast „Coronavirus Update“ vor überraschenden Ausbrüchen gewarnt. „Wir haben gerade vor allem Jüngere, die sich infizieren“, sagte der Virologe. Die hätten entweder keine Symptome oder sie neigten dazu, sich bei leichten Symptomen nicht sofort diagnostizieren zu lassen. „Da muss man schon sehr genau hinschauen. Es wird immer schwieriger, lokal begrenzt gegen Ausbrüche vorzugehen.“

Ausbreitung des Coronavirus (17.09.2020)
Ausbreitung des Coronavirus (17.09.2020) © J. Reschke / dpa-Infografik | J. Reschke

(dpa/kai)

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