Berlin. In Kürze sollen in Deutschland die Impfungen gegen das Coronavirus starten. Was weiß man bereits über mögliche Risiken der Impfstoffe?

Das große Impfen gegen die Pandemie hat begonnen. Die ersten Menschen bekommen derzeit in Großbritannien die immunisierenden Spritzen, in Kürze werden viele weitere folgen. Die Zulassung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA für den Impfstoff von Biontech/Pfizer und den US-Kandidaten Moderna ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Und auch die Daten von Astrazeneca werden bereits von der EMA begutachtet.

Je näher eine Zulassung in der EU und damit auch in Deutschland rückt, desto konkreter wird für jeden die Frage: Möchte ich mich impfen lassen? Die Zahl der Skeptiker hat seit dem Frühjahr zugenommen. Besonders die Frage der Sicherheit und nach möglichen Nebenwirkungen treibt die Menschen um. Was weiß man bislang darüber? Antworten auf die wichtigsten Fragen. Lesen Sie auch:Umfassender Schutz vor Corona? Mittel aus Bayern könnte den Durchbruch bringen

Welche Nebenwirkungen sind für die Impfstoffe bekannt, die auf eine Zulassung warten?

Biontech/Pfizer: Der Impfstoffkandidat BNT162b2 von Biontech/Pfizer ist laut den vorliegenden Daten über alle Altersgruppen hinweg und unabhängig von Vorerkrankungen gut verträglich. Nach der Impfung waren Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit und Kopfschmerzen die am häufigsten genannten Nebenwirkungen der rund 38.000 Probanden. Eine unabhängig begutachtete wissenschaftliche Publikation gibt es noch nicht.

 Der Impfstoffkandidat BNT162b2 von Biontech/Pfizer ist laut den vorliegenden Daten über alle Altersgruppen hinweg und unabhängig von Vorerkrankungen gut verträglich.
Der Impfstoffkandidat BNT162b2 von Biontech/Pfizer ist laut den vorliegenden Daten über alle Altersgruppen hinweg und unabhängig von Vorerkrankungen gut verträglich. © dpa | BioNTech SE

Nach dem Impfstart in Großbritannien haben die britischen Behörden Menschen mit einer „signifikanten“ Allergiegeschichte aufgerufen, sich zunächst nicht immunisieren zu lassen. Hintergrund seien Berichte zweier Mitarbeiter des Nationalen Gesundheitsdienstes NHS mit einer entsprechenden Vorgeschichte, die nach der Impfung allergische Reaktionen gezeigt hatten. NHS-Chef Stephen Powis betonte jedoch, es handele sich bei dieser Warnung um eine reine Vorsichtsmaßnahme und die Betroffenen erholten sich gut.

Lesen Sie auch:

Astrazeneca: Das Vakzin AZD1222, entwickelt von dem schwedisch-britischen Konzern Astrazeneca und der Universität Oxford, ist laut den vorläufigen Daten aus den Impfstoffstudien sicher. Die Studienergebnisse sind jetzt im Fachblatt „The Lancet“ publiziert und zuvor unabhängig begutachtet worden.

Die Erkenntnisse zur Sicherheit beruhen auf Daten von rund 24.000 Probanden. Dabei wurden bei drei von ihnen schwerwiegende Nebenwirkungen beobachtet, die in Zusammenhang mit dem Impfstoff oder der Placebo-Impfung stehen könnten: Eine Person aus der Kon­trollgruppe entwickelte eine Blutarmut, bei einem Probanden aus der Impfgruppe wurde eine sogenannte Transverse Myelitis diagnostiziert, eine seltene neurologische Erkrankung.

Das Vakzin AZD1222 wurde von dem schwedisch-britischen Konzern Astrazeneca und der Universität Oxford entwickelt.
Das Vakzin AZD1222 wurde von dem schwedisch-britischen Konzern Astrazeneca und der Universität Oxford entwickelt. © AFP | JUSTIN TALLIS

Ein dritter Proband bekam hohes Fieber. Ob er zur Impf- oder zur Kontrollgruppe gehört, ist nicht bekannt. Alle drei Probanden seien genesen oder auf dem Weg der Besserung.

Moderna: Laut dem US-Unternehmen Moderna sind in der laufenden Phase-III-Studie keine ernsthaften Sicherheitsbedenken identifiziert worden. Zu den häufigsten Nebenwirkungen ihres Impfstoffs mRNA-1273 zählen demnach Schmerzen oder eine Rötung an der Einstichstelle, Muskel-, Gelenk- und Kopfschmerzen und Müdigkeit. Wobei Häufigkeit und Schweregrad der Nebenwirkungen nach der zweiten Dosis zunahmen, wie das Unternehmen in einer Mitteilung vom 30. November schreibt.

Hintergrund:Impfstoff von Moderna – Lagerung soll leicht sein

Wie sind die Nebenwirkungen einzuordnen – auch im Vergleich zu anderen Impfstoffen?

Grundsätzlich kann es bei jeder Impfung zu leichten Nebenwirkungen kommen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) schreibt auf seiner Internetseite unter dem Punkt „Sicherheit von Impfungen“, typische Beschwerden seien Rötung, Schwellungen und Schmerzen an der Impfstelle, auch Allgemeinreaktionen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Unwohlsein seien möglich.

„Bei dem mRNA-Vakzin von Biontech scheint es so zu sein, dass mehr leichte Nebenwirkungen auftreten als üblich“, sagt der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl. Für ihn ein gutes Zeichen, denn: „Eine Impfung spielt dem Körper ja eine Infektion vor. Diese Reaktionen zeigen, dass das Immunsystem darauf reagiert.“ Insgesamt seien die von den Impfstoffkandidaten bislang berichteten Nebenwirkungen jedoch nicht ungewöhnlich, so Watzl.

Lesen Sie dazu:

Wie lange werden Probanden wissenschaftlich begleitet?

Die Probanden aus den Studien von Biontech und Astrazeneca wurden bislang im Mittel bis zwei beziehungsweise 3,4 Monate nach Gabe der zweiten Dose beobachtet. „Akute Impfreaktionen sind in diesem Zeitraum abgeschlossen“, sagt Watzl. Zu möglichen Langzeitnebenwirkungen kann es aktuell noch keine Ergebnisse geben.

In Schottlands Hauptstadt Edinburgh wird eine Krankenschwester mit dem Biontech-Vakzin geimpft.
In Schottlands Hauptstadt Edinburgh wird eine Krankenschwester mit dem Biontech-Vakzin geimpft. © Getty Images | Pool

Aber auch nach einer Zulassung werden Impfstoffe überwacht. In Deutschland ist dafür das Paul-Ehrlich-Institut zuständig. Sollten ungewöhnliche Ereignisse im Zusammenhang mit einer Impfung auftreten, müssen sie dem Institut gemeldet werden. „Im Extremfall könnte dann nachträglich die Zulassung entzogen werden“, erklärt Carsten Watzl.

Birgt ein mRNA-Impfstoff ein besonderes Risiko?

Noch nie wurde ein sogenannter mRNA-Impfstoff, wie ihn unter anderem Biontech/Pfizer und Moderna entwickelt haben, zugelassen. Das könne einigen Menschen Angst machen, sagt Watzl. Doch die Sorge, dass zum Beispiel durch eine Impfung mit einem solchen Vakzin das menschliche Genom verändert werde, sei völlig unbegründet.

„Es ist wissenschaftlich längst geklärt, dass das nicht der Fall ist.“ Denn, so Watzl, mRNA-Impfstoffe seien nicht erst gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 entwickelt worden, „sondern gegen Krebserkrankungen.“ Und es seien auch schon Menschen damit geimpft worden.