Berlin. Lockdown bis April? Wissenschaftler der TU Berlin warnen davor, die geltenden Coronaregeln an Weihnachten und Silvester auszureizen.

Sollten die Coronaregeln an Weihnachten so ausgereizt werden, dass sich über mehrere Tage immer wieder fünf Personen aus zwei Haushalten treffen, werden die Infektionszahlen deutlich steigen. Das ist Ergebnis einer Modellrechnung der TU Berlin. Ein Lockdown bis April könnte dann notwendig werden, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Mobilitätsforscher Prof. Kai Nagel stützen ihre Prognose auf die Modellierung des Infektionsgeschehens auf Basis anonymisierter Mobilfunkdaten. Das Modell verfügt für jeden einzelnen Wochentag und alle teilnehmenden Personen über eine Simulation, wann, wo und wie sie sich bewegen, wo sie sich aufhalten und was sie dort tun. Das Projekt ist vom Bundesforschungsministerium mitfinanziert.

Modell simuliert die Wirkungen der Corona-Maßnahmen

Verschiedene Modell-Parameter simulieren die einzelnen Maßnahmen zur Eingrenzung der Pandemie. Sie können ständig angepasst werden. „Wir können so zum Beispiel berechnen, wie sich die Ferien und die Schulschließungen auswirken oder was es bedeutet, wenn durchgehend Alltagsmasken getragen werden“, erklärt Ricardo Ewert, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Verkehrssystemplanung und -telematik. Auch die Wirkung von Kontaktbeschränkungen könnte so untersucht werden.

Für die kommenden Weihnachtstage haben die Forscher drei verschiedene Modelle durchgerechnet: Modell 1 simuliert das Geschehen, wenn die Dezember-Dynamik anhält, wobei Ferien sowie Schulschließungen berücksichtigt werden. Interaktiv:Corona-Monitor – Die Zahlen aus Deutschland, Europa und der Welt

Vermehrte Kontakte auch bis Silvester

Modell 2 zeigt das Infektionsgeschehen, wenn sich die Menschen an die verschärften Regeln halten und lediglich die Lockerungen an den Weihnachtsfeiertagen nutzen. Modell 3 berücksichtigt ebenfalls den scharfen Lockdown, geht aber davon aus, dass die Menschen an den Weihnachtstagen und auch an Silvester vermehrt Kontakt haben.

Der Simulation zufolge käme es zu einem leichten Anstieg der Fallzahlen, wenn sich die Menschen nur an den Feiertagen vermehrt träfen. „Wenn Modell 2 eintritt, werden die Zahlen leicht ansteigen, bevor sie wieder sinken“, sagt Prof. Kai Nagel.

Kontrolle erst wieder im April?

Trete aber das Modell 3 ein, würden die Infektionszahlen noch einmal deutlich steigen. Die Sieben-Tage-Inzidienz, also der Wert an Neuerkrankungen je 100.000 Einwohnern binnen einer Woche, könnte um 50 Prozent höher ausfallen als aktuell. „Die Krankenhäuser werden ihre Kapazitätsgrenzen erreichen und der Lockdown muss dann vermutlich bis in den April fortgeschrieben werden, um die Infektionszahlen wieder auf ein Maß herunterzufahren, bei dem die Gesundheitsämter die Nachverfolgung bewerkstelligen können“, so Nagel weiter.

Eine von der Bundesregierung und den Ländern angestrebte Sieben-Tage-Inzidenz von 50 pro 100.000 Einwohner könnte den Angaben zufolge dann erst um den 10. April erreicht sein. In letzter Konsequenz dürfte dann auch die Zahl der Corona-Todesfälle weiter stark ansteigen. Interaktiv:Corona-Krise – So ist die Lage auf Deutschlands Intensivstationen

Nagel und sein Team der TU Berlin stützen damit Annahmen von Experten aus Kreisen der Ärzteschaft. Auch Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery hatte sich auf Modellrechnungen bezogen, als er in dieser Woche die Vermutung äußerte, einzelne Lockdown-Maßnahmen würden noch bis Ostern notwendig sein. Würden sich alle Menschen an die Regeln halten, so Montgomery, könnte sich dies Ende Januar in sinkenden Infektionszahlen bemerkbar machen. Dazu auch:Lockdown hat begonnen, wie lange wird er dauern?