Berlin. Lange galten LSD und Psilocybin als schäbige Partydrogen. Doch Forscher glauben, dass sie psychiatrische Krankheiten heilen können.

Berühmt und berüchtigt werden psychoaktive Substanzen wie LSD, Ketamin oder Psilocybin in den 1960er-Jahren. Die Stoffe versetzen große Teile der Hippiebewegung in rauschhafte Zustände. Auf Partys, Musikfestivals oder bei arrangierten Happenings werden sie konsumiert.

Psychedelika gelten als Teil des Anti-Establishments, als Vehikel für die Befreiung des Geistes. Sie beeinflussen Kunst, Literatur und Musik und sorgen vor allem deshalb für eine kritische Gegenbewegung, weil sie Menschen auffällig enthemmen.

LSD und Psilocybin, die psychoaktive Substanz in bestimmten Pilzen, werden von breiten Teilen der Öffentlichkeit zunehmend geächtet. Selbst der Erfinder des LSD, Albert Hofmann, fühlt sich irgendwann bewogen, vor leichtfertigem Umgang und Massenkonsum als Freizeitdroge zu warnen. Er hatte den Stoff 1938 als Kreislaufmedikament entwickelt.

Psychedelika: Erste kontrollierte LSD-Studie seit 40 Jahren

Mit der zunehmenden Ächtung schläft auch die in den 60er-Jahren einsetzende Forschung zur besonderen Wirkung von Psychedelika ein. Die Wissenschaft traut sich offenbar nicht mehr, das Thema zu verfolgen. Wer sich im akademischen Umfeld mit Drogen beschäftigt, macht sich verdächtig, diese zu verharmlosen.

Seit einigen Jahren aber gibt es eine Trendumkehr. Zwar werden Psychedelika auch heute noch in einigen Subkulturen als Freizeitdroge konsumiert, doch es mehren sich wieder wissenschaftliche Studien, die die Wirkung psychoaktiver Substanzen untersuchen: LSD, Psilocybin oder der südamerikanische Pflanzensaft.

Ayahuasca.

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    Immer geht es dabei um die Frage, ob Psychedelika bei der Behandlung psychiatrischer Erkrankungen eingesetzt werden können - von Depressionen, Zwangsstörungen, Suchterkrankungen. 2014 gibt es die erste kontrollierte LSD-Versuchsreihe seit 40 Jahren. Psychiater Peter Gasser führt sie in der Schweiz durch.

    „Ein aufregender neuer Behandlungsweg“

    Im Oktober 2020 veröffentlichen Wissenschaftler aus London eine Übersichtsstudie, die die Ergebnisse von fast einem Dutzend Arbeiten zusammenfasst. Sieben davon haben eine therapeutische Wirkung von Psilocybin untersucht.

    „Die Wiederbelebung der klinischen psychedelischen Forschung liefert frühe Beweise für die Wirksamkeit und Sicherheit bei der Behandlung einer Reihe von psychiatrischen Erkrankungen“, bilanzieren die Forschenden vom Imperial College in London. Wichtig sei, dass der Einsatz medizinisch und psychotherapeutisch begleitet werde. Die Studienautoren sprechen von einem „aufregenden neuen Behandlungsweg in einem Gesundheitsbereich mit großem ungedecktem Bedarf“.

    Wie groß dieser Bedarf sein könnte, zeigen die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Weltweit leben ihrer Schätzung zufolge etwa 350 Millionen Menschen mit einer Depression. Nur etwa jeder vierte Betroffene werde adäquat behandelt. Die Corona-Pandemie hat die Situation verschärft.

    Für Deutschland beziffert die WHO die Zahl der Menschen mit Depressionen auf über vier Millionen. 4,6 Millionen Menschen lebten zudem mit einer Angststörung. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe spricht von einer Volkskrankheit. Für sie gehören Depressionen zu den häufigsten und mit Blick auf die Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen.

    Linderung der Symptome und Veränderungen im Gehirn

    Bisher werden Depressionen meist mit herkömmlichen Antidepressiva oder Psychotherapien behandelt. Diese müssen oft über einen längeren Zeitraum regelmäßig eingenommen oder angewandt werden, um die depressiven Symptome zu lindern. Medikamente und Therapien gelten als probates Mittel, doch Therapieplätze sind rar. Oft müssen betroffene lange warten, bis die Behandlung beginnen kann.

    Hier könnten psychedelische Therapien helfen: „Schon die Einnahme weniger Dosen der Substanz scheinen bleibende Veränderungen im Gehirn und eine Linderung der Symptome zu bewirken“, heißt es in der Studie des Imperial College. Und weiter: „Bei der Mehrzahl der Patienten scheinen die therapeutischen Wirkungen langanhaltend (Wochen bis Monate) zu sein.“

    Offen ist bisher, warum LSD oder Psilocybin diese Wirkung auslösen. Einige Forschende argumentieren, dass die besondere Erfahrung der Behandlung es den Patientinnen und Patienten ermögliche, festgefahrene Denkmuster aufzubrechen. Die Therapien könnten zu einer emotionale Befreiung führen.

    Um hier weitere Erkenntnisse zu sammeln, untersuchten Forschende aus Großbritannien nun genauer den Wirk-Mechanismus von Psilocybin im Gehirn. Dafür analysierten sie Magnetresonanzbilder der Gehirne von Probandinnen und Probanden. Ihre Ergebnisse sind im Fachblatt „Nature Medicine“ veröffentlicht.

    Bilder zeigen: Informationen werden anders verarbeitet

    Dabei stellten sie fest, dass die positive Wirkung von Psilocybin auf die Linderung depressiver Symptome mit einer Zunahme der funktionalen Konnektivität zwischen verschiedenen Netzwerken des Gehirns korrelierte. Das Gehirn konnte Informationen anders verarbeiten als vorher. Bei Patientinnen und Patienten, die als Kontrolle das Standard-Antidepressivum Escitalopram erhielten, konnte diese Veränderungen nicht beobachtet werden, heißt es in der Studie.

    „Die Arbeit trägt dazu bei, eine wichtige Wissenslücke in der medizinischen Forschung um den therapeutischen Einsatz von Psychedelika zu schließen“, sagt Katrin Preller. Die Leiterin der Arbeitsgruppe Pharmaco-Neuroimaging am Institut für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universität Zürich war an der Studie nicht beteiligt. Bisher habe es keine ausführlichen Studien zum Wirkmechanismus gegeben, so Preller.

    Bedeutend sei auch die Erkenntnis, dass Psilocybin spezielle Aspekte einer Depression möglicherweise besser behandeln könnte als ein Antidepressivum, sagt Matthias Liechti, Professor für klinische Pharmakologie am Universitätsspital Basel. „Zukünftige Studien müssen nun die klinische Wirkung mit Kontrollgruppen und bei verschiedenen Störungsbildern bestätigen“, sagt er.

    Im besten Fall gibt es auch einen Biomarker

    Für Liechti ist noch nicht abschließend geklärt, was die erhöhte funktionelle Verbindung nach der Einnahme von Psilocybin genau bedeute oder reflektiere. „In anderen Studien wurde gezeigt, dass ähnliche Veränderungen auch durch andere serotonerge Substanzen ausgelöst werden können und möglicherweise nicht spezifisch für Psychedelika sind“, sagt er.

    Damit Psychedelika in der Therapie von Depressionen zugelassen werden können, fehlen Katrin Preller zufolge noch größere Phase-III-Studien, die die Wirksamkeit und Sicherheit an großen Probandengruppen überprüften. „Bestenfalls würde diese Forschung auch in einem Biomarker resultieren, der schon vor der Behandlung vorhersagen lässt, ob ein Patient von der Therapie profitieren kann.“

    Wirtschaft und Pharmakologen scheinen an den durchschlagenden Erfolg der Therapien zu glauben. Es werden Milliarden in Forschung und Entwicklung investiert. Bis 2027 soll der weltweite Markt für Medikamente, die auf psychedelischen Stoffen beruhen, laut Angaben des Beratungsunternehmens Date Bridge Maket Research mehr als zehn Milliarden Dollar wert sein.