Berlin. Seit Januar gilt wieder der reguläre Mehrwertsteuersatz. Die Preise müssten also wieder steigen. Aber tun sie das auch?

Ein halbes Jahr lang mussten Kunden im Rahmen des Corona-Konjunkturpaketes in Supermärkten und im Einzelhandel weniger Mehrwertsteuer zahlen. Damit ist jetzt Schluss. Seit dem Jahreswechsel gilt in Deutschland wieder der reguläre Steuersatz.

Auf die meisten Güter müssen damit wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer gezahlt werden, auf Waren des täglichen Bedarfs wieder 7 Prozent. Doch erhöhen Aldi, Rewe, dm und Co. ihre Preise tatsächlich wieder?

„Der Wettbewerb im deutschen Lebensmittelhandel ist brutal. Deshalb wird es für die Händler nicht einfach werden, die Preiserhöhungen weiterzugeben“, ist Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU überzeugt. Besonders den Discountern wie Aldi oder Lidl werde ein solcher Schritt schwerfallen. Denn sie hätten in der Pandemie Marktanteile an die Supermärkte verloren.

Mehrwertsteuer wieder höher: Schlüsselrolle von Aldi und Lidl

Mit seiner Einschätzung steht Fassnacht nicht allein. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, glaubt ebenfalls, angesichts des hohen Wettbewerbsdrucks seien die Spielräume für Preiserhöhungen „äußerst begrenzt“. Und auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen geht nicht davon aus, dass alle Händler auf Preiserhöhungen in erheblichem Umfang setzen werden.

Eine Schlüsselrolle spielen nach Einschätzung des Fachblattes „Lebensmittel Zeitung“ die großen Discounter Aldi und Lidl. Ihre Preispolitik werde darüber entscheiden, wie sich die Mehrwertsteuererhöhung zum Jahreswechsel auf die Regalpreise auswirken werde. „Sollte einer der großen Player die Preise nicht erhöhen, wollen alle anderen nachziehen“, schreibt das Blatt.

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Dass die Mehrwertsteuer ein Thema ist, mit dem sich die Händler gerne profilieren, zeigte sich schon bei der Senkung im vergangenen Sommer. Damals wartete Lidl den Stichtag für die Steuersenkung gar nicht ab, sondern senkte schon mehr als eine Woche vorher die Preise.

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Erzrivale Aldi konterte und stockte die Mehrwertsteuersenkung zu einem Preisnachlass von drei Prozent auf das gesamte Sortiment auf. Der zusätzliche Rabatt kostete den Discounter nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag.

Mehrwertsteuersenkung: Strategie nicht aufgegangen?

Die Bundesregierung hatte im Frühsommer beschlossen, den Mehrwertsteuersatz vom 1. Juli bis zum 31. Dezember von 19 auf 16 Prozent zu senken. Der ermäßigte Satz, der für viele Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs gilt, wurde von 7 auf 5 Prozent reduziert. Das sollte die Konjunktur anschieben und die Bürger motivieren, teure Anschaffungen trotz Krise ein paar Monate vorzuziehen.

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Im Rückblick scheint vielen diese Strategie aber nicht wirklich aufgegangen zu sein. „Ich glaube, unterm Strich muss man sagen, die 20 Milliarden Euro, die sich dies der Bund für ein halbes Jahr hat kosten lassen, da stehen Aufwand und Ertrag nicht in einem guten Verhältnis“, sagte etwa der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, der Deutschen Presse-Agentur. Und auch HDE-Chef Genth urteilte: „Die Mehrwertsteuersenkung hat nur für eine marginale Konsumbelebung gesorgt.“

Die Supermarktkette Rewe kündigte an, dass die Rückkehr zu den regulären Mehrwertsteuersätzen angesichts von Tausenden von Etiketten pro Markt, die neu gedruckt und angebracht werden müssten, „sukzessive in den ersten Tagen des Januars“ umgesetzt werde. Die Discounttochter Penny werde zum Jahresbeginn wieder die normalen Mehrwertsteuersätze in die Kassensysteme einstellen.

Verzichtet der Handel auf die Preiserhöhung?

Auf der Hut zeigte sich Deutschlands größte Drogeriemarktkette dm. Der Vorsitzende der dm-Geschäftsführung, Christoph Werner, betonte: „Bedingt durch die derzeitige volatile Lage beraten wir noch, wie wir ab Januar verfahren werden. Wir werden unsere Kunden zu gegebener Zeit informieren.“ Lesen Sie auch: Drogeriemarktkette dm verkauft Antikörpertests

Wird der Lebensmittelhandel am Ende vielleicht sogar völlig auf eine Weitergabe der Mehrwertsteuererhöhung verzichten? Das glaubt Handelsexperte Fassnacht dann doch nicht. Er sagt voraus: „Der Handel wird versuchen, die Preiserhöhung dort weiterzugeben, wo die Kunden es nicht so sehr merken - bei Produkten, deren Preis man nicht so genau im Kopf hat.“

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(jb/dpa)