Berlin. In Sibirien wüten seit Monaten wieder starke Waldbrände. Rekordtemperaturen alarmieren Forscher weltweit. Was sind die Hintergründe?

Klimaforscher sind besorgt wegen der in Sibirien und im äußersten Osten Russlands wütenden Waldbrände und Rekordtemperaturen. Bereits 2019 hatte es zahlreiche Großbrände in der Region gegeben.

Seit Januar lassen erneut beunruhigend hohe Temperaturen in Sibirien die Feuer in den Wäldern aufflammen. Wie schlimm ist die Lage in diesem Sommer? Und was ist die Ursache für die Waldbrände in den Gebieten Sibiriens?

Brände Sibirien: Juni sorgt für Rekorde bei Temperaturen und Kohlendioxid-Ausstoß

Allein im Monat Juni seien durch die Brände geschätzt 59 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt – sechs Millionen Tonnen mehr als im Juni 2019. Das gaben Experten von Copernicus bekannt, dem europäischen Erdbeobachtungsprogramm. Dabei handele es sich um die höchsten Ausstoßwerte, die Copernicus in den vergangenen 18 Jahren gemessen habe.

Begünstigt wurden die Feuer durch Rekordtemperaturen im arktischen Teil Sibiriens und durch Trockenheit. Besonders betroffen waren die beiden Regionen Tschukotka und Jakutien.

In Teilen Sibiriens ermittelten die Klimaforscher Temperaturen von bis zu zehn Grad über dem durchschnittlichen Wert für den Monat Juni. Stellenweise sollen die Temperaturen bis auf 38 Grad geklettert sein, teilte die Umweltschutzorganisation Greenpeace mit.

Die Karte der Oberflächentemperatur in der Region Sibirien zeigt die andauernde Hitzewelle. Sie alarmiert die Wissenschaftler auf der ganzen Welt.  Ende Juni war in der Stadt Werchojansk eine Rekord-Temperatur von 38 Grad Celsius gemessen worden.
Die Karte der Oberflächentemperatur in der Region Sibirien zeigt die andauernde Hitzewelle. Sie alarmiert die Wissenschaftler auf der ganzen Welt. Ende Juni war in der Stadt Werchojansk eine Rekord-Temperatur von 38 Grad Celsius gemessen worden. © dpa | Ecmwf Copernicus Climate Change

Wissenschaftler: Sibirien zeigt größte Anormalitäten weltweit

Für den arktischen Teil Sibiriens betrugen die Werte im Durchschnitt fünf Grad mehr als der Normalwert. Das sei nochmal ein Grad mehr als die bislang wärmsten Juni-Durchschnittstemperaturen, die aus 2018 und 2019 stammten. Das erklärten Wissenschaftler des Copernicus-Klimawandeldienstes (Copernicus Climate Change Service, C3S). Damit wies Sibirien im weltweiten Vergleich die größten Anormalitäten auf, so die Wissenschaftler.

„Was Besorgnis erregt, ist, dass die Arktis sich schneller erwärmt als der Rest der Welt“, sagte C3S-Direktor Carlo Buentempo beim Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF). Einfluss haben könnten die fortlaufend starken Winde. Außerdem habe es Tiefststände bei der Schneedecke und der Feuchtigkeit gegeben. Die geringe Feuchtigkeit habe vor allem zu der Vielzahl von Bränden mit Schwerpunkt im Nordosten Sibiriens beigetragen.

Feuer und Rekordhitze in Sibirien: Keine Aussicht auf Besserung im Juli

Und Hoffnung auf eine Besserung im Juli besteht aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Regen oder mildere Temperaturen seien vorerst nicht in Sicht, sagen Meteorologen voraus. Im Gegenteil: Zahlreiche Gewitter führten demnach zu weiteren Bränden in entfernten Gegenden, die für Rettungskräfte schwer erreichbar sind.

Anfang Juli war eine Fläche von mehr als zwei Millionen Hektar betroffen. In sieben Regionen Russlands galt der Ausnahmezustand. Insgesamt betrachtet stelle sich die Lage noch schlimmer dar als im Juli 2019, teilte Greenpeace mit.

Allein seit Beginn des Jahres sei nach Angaben der Umweltschützer eine Waldfläche von acht Millionen Hektar den Flammen zum Opfer gefallen. Im kompletten Vorjahr waren nach Schätzungen 15 Millionen Hektar betroffen – eine Fläche mehr als doppelt so groß wie Bayern.

Greenpeace: Behörden in Russland ignorieren den Klimawandel

Die Ursachen und Hintergründe für die verheerenden Brände liegen aus Sicht von Umweltschützern auch im politischen und wirtschaftlichen Fehlverhalten der Regierung und der örtlichen Behörden.

Greenpeace warf den russischen Behörden vor, keine Lehren aus den Bränden im Vorjahr gezogen zu haben und den Klimawandel an sich nicht ernst zu nehmen. „Das Unheil in den Wäldern Sibiriens und des Fernen Ostens wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederholen“, teilte Greenpeace mit.

Hintergrund: Warum viele Brände gar nicht gelöscht werden sollen

Die Umweltorganisation rief zudem eine Unterschriftenaktion ins Leben, mit der man die russische Regierung zu weiteren Maßnahmen bewegen will. Darin heißt es, dass die Mittel zur Verwaltung und Rettung der Wälder sowohl neu verteilt als auch ausgebaut werden müssten.

Die meisten Waldbrände – mehr als 200 Feuer – liegen weit außerhalb bewohnter Gebiete, teilte der Fortsschutzdienst Avialesochrana Anfang Juli mit. Dort seien die Löscharbeiten eingestellt worden, weil es keine Gefahr für Menschen gebe.

Zudem sei der wirtschaftliche Schaden geringer als die Kosten für den Einsatz von Personal, Technik und Wasser. Die finanzielle Situation der kommunalen Haushalte ist besonders gespannt, weil die Corona-Pandemie hohe zusätzliche Sozialausgaben erforderte.

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