Berlin. Die Hertha-Misere und die Folgen: Arne Friedrich bekommt mehr Verantwortung. Der neue starke Mann heißt aber Schmidt.

Bruno Labbadia rauschte in seinem schwarzen Sportwagen eilig davon. Michael Preetz übergab nach dem abrupten Ende seiner Ära noch rasch die wichtigsten Amtsgeschäfte an Nachfolger Arne Friedrich. Trainer Labbadia und Dauer-Manager Preetz sind an den Big-City-Ansprüchen bei Hertha BSC krachend gescheitert. Statt Königsklassen-Glamour herrscht in Berlin schon wieder Abstiegskampf. Geschäftsführer Carsten Schmidt hat als neuer starker Mann vorerst Sportdirektor Arne Friedrich als Preetz-Nachfolger bis zum Sommer zum Kaderplaner befördert. Den nächsten Trainer wollen die Berliner möglichst schon am Montag präsentieren.

"Morgen ist ein guter Tag", sagte Schmidt in einem Mediengespräch des Bundesligisten und bestätigte, dass der Ex-Coach und aktuelle Jugendtrainer Pal Dárdai zu den Kandidaten gehört. Um den in der Hauptstadt heiß gehandelten Namen Ralf Rangnick wand sich Top-Manager Schmidt in seinen Aussagen herum. Der einstige Stratege im Red-Bull-Imperium und Ex-Coach von RB Leipzig würde zwar die Fan-Basis nicht glücklich machen, aber zu den visionären Champions-League-Zielen von Geldgeber Lars Windhorst passen.

Will Rangnick überhaupt zu Hertha?

"Wir wollen am Dienstag jemanden auf dem Platz haben, der uns zusammenschweißt und in die Lage versetzt, am Wochenende bei Eintracht Frankfurt etwas zu holen", sagte Schmidt. Das Hertha-Problem bei Rangnick: Er möchte möglicherweise gar nicht nach Berlin. Am Sonntag wollte sich der 62-Jährige auf Anfrage nicht zu den Spekulationen äußern. Unabhängig von einem möglichen Hertha-Interesse lagen Rangnick zuletzt attraktivere Anfragen vor. Auch als möglicher Nachfolger von Bundestrainer Joachim Löw war er im Gespräch.

Heuert Ralf Rangnick jetzt bei der Hertha an?
Heuert Ralf Rangnick jetzt bei der Hertha an? © dpa

In einer Krisensitzung wurde bei der Hertha zunächst die nach dem nächsten sportlichen Tiefschlag durch das 1:4 gegen Werder Bremen allseits erwartete Entscheidung mit der Trennung von Labbadia und Preetz fixiert. Ex-HSV-Trainer Labbadia konnte Schmidt qua Amt beurlauben. Doch auch bei der vom Präsidium vollzogenen Preetz-Trennung wurde seine Einschätzung befolgt, machte Schmidt seinen großen Einfluss deutlich. Labbadia und Preetz haben noch Verträge bis zum Sommer 2022 bei der Hertha und bekamen von Präsident Werner Gegenbauer und Schmidt nach der Talfahrt nur noch ein paar freundliche Worte mit auf den Weg.

"Hertha BSC hat Michael Preetz viel zu verdanken. Er ist seit fast 25 Jahren eng mit unserem Verein verbunden, zunächst als Spieler und nunmehr seit fast zwölf Jahren auf der Position des Verantwortlichen im sportlichen Bereich", sagte Gegenbauer. "Bruno Labbadia hat mit seinem Trainerteam Woche für Woche viel Arbeit in die Entwicklung der Mannschaft investiert. Dafür gebührt ihm großer Dank. Letztlich müssen wir aber festhalten, dass wir mit 17 Punkten nach 18 Spielen in einer sehr ernsten Situation stecken", sagte Schmidt.

Friedrich durfte nicht lange Hertha-Chef bleiben

Das erwartete Duo Dárdai/Friedrich dürfte nur Übergangscharakter haben. Schmidt betonte zwar, dass das Windhorst-Lager keine Entscheidungen beeinflusse, aber die Denke bleibt groß in Berlin. Bis zum Sommer darf sich Ex-Nationalspieler Friedrich über den internen Aufstieg freuen. Schmidt lobte ihn als "Leistungssportler", der "120 Prozent" für Hertha geben werde. In einer Ansprache an die Mannschaft habe der 41-Jährige überzeugt.

Preetz' Titel als Geschäftsführer bekommt Friedrich nicht. Er bleibt Sportdirektor nachdem ihn Ex-Coach Jürgen Klinsmann vor gut einem Jahr mit dem dubiosen Titel "Performance Manager" aus den USA nach Berlin zurückgeholt hatte.

Axel Kruse (l.) im Gespräch mit Arne Friedrich – der ehemalige Nationalspieler war von Klinsmann als
Axel Kruse (l.) im Gespräch mit Arne Friedrich – der ehemalige Nationalspieler war von Klinsmann als "Performance Manager" zur Hertha geholt worden. © Imago/osnapix

Hertha-Ikone Preetz wurde nach einem Vierteljahrhundert im Verein auch das Festhalten an Labbadia zum Verhängnis. "Ich bin unendlich dankbar für die vielen Jahre, die ich für meinen Herzensverein Hertha BSC auf und neben dem Platz spielen und arbeiten durfte. Das waren sehr intensive Jahre mit allen Höhen und Tiefen, die ein Fußballverein zu bieten hat. Wir haben während dieser Zeit sehr große Schritte gemacht, der Verein zu werden, dem – und davon bin ich überzeugt – die Zukunft gehören wird", sagte Preetz.

Fast wortgleich hatten Labbadia und Preetz das nächste desaströse Resultat gegen Bremen kommentiert. "Es fehlen die Argumente weil wir einfach zu wenig Ergebnisse liefern, da stehe ich in der Verantwortung", sagte der total frustrierte Labbadia. Er sei "nicht ratlos, aber geschockt", sagte der 54-Jährige, der nach nur neun Monate schon wieder gehen muss. "Du hast keine Argumente nach so zwei Spielen", sprach Preetz von dem Heimniederlagen-Doppelpack gegen Bremen und gegen Hoffenheim (0:3).

Will Dárdai mehr als eine Notlösung sein?

Tatsächlich dauert die Berliner Misere viel länger an. In acht Spielen gab es nur einen Sieg gegen Schlusslicht Schalke (3:0). Sechs Kontrahenten kamen dabei aus der unteren Tabellenhälfte. Schmidt musste handeln, wollte er seine Tatkraft demonstrieren und seinen eigenen Worten gerecht werden. Bessere Resultate im Januar hatte der frühere Sky-Boss gefordert. Die blieben auf dramatische Weise aus.

Der bei den Fans als Ex-Spieler beliebte Dárdai kehrte nach einer Auszeit bereits als Jugendcoach zur Hertha zurück und war zuletzt für die U16 verantwortlich. Sein Sohn Marton steht im Profikader der Hertha, ist aber derzeit verletzt. Preetz hatte 2019 seinen Vertrag nicht verlängert, um einen Aufbruch zu attraktiverem Fußball zu proklamieren. Dieses Unterfangen endete im sportlichen Desaster. Möglicherweise möchte Dárdai jetzt mehr als eine Notlösung sein.