Gelsenkirchen. Was nun? Nach gleich mehreren Rauswürfen ist beim FC Schalke 04 der Weg für einen personellen Neuanfang frei. Wer den wankenden Traditionsclub in eine bessere Zukunft führen soll, bleibt jedoch vorerst offen. Am Montag leitete ein Altbekannter das Training.

Der FC Schalke ist mit einem altbekannten Gesicht in eine neue Zeitrechnung gestartet. Am Tag nach dem großen Beben mit der Freistellung von Cheftrainer Christian Gross leitete Mike Büskens gemeinsam mit dem bisherigen Assistenten Onur Cinel das Training.

Seine große Leidenschaft für Königsblau nahm dem ehemaligen Profi, der 1997 mit Schalker im sogenannten Eurofighter-Team den UEFA-Cup gewonnen hatte, offenbar die Bedenken. Gleichwohl geht die Suche nach einem neuen Chefcoach weiter. "Es ist wichtig, das sorgfältig zu machen und zu schauen, dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass es passt. Denn diese Entscheidung ist äußerst wichtig für die Zukunft des FC Schalke 04", sagte Peter Knäbel, Nachfolger des freigestellten Sportvorstandes Jochen Schneider, in einem Interview mit dem vereinseigenen TV.

Büskens soll dauerhaft eine andere Funktion einnehmen. "Er hat seine Bereitschaft erklärt, als Co-Trainer die Mannschaft mit zu betreuen. Und dort der Anker zu sein - auch zukünftig und nicht nur provisorisch", sagte Knäbel.

Weil gleich fünf Angestellte gehen mussten, befindet sich der Traditionsclub auf mehreren Ebenen im Schwebezustand und steht vor einem kniffligen Wiederaufbau. Gemeinsam mit Gross waren auch Sportvorstand Schneider, Teammanager Sascha Riether, Fitnesscoach Werner Leuthard und Co-Trainer Rainer Widmayer freigestellt worden. "Es ist so viel passiert, wie in meiner bisherigen Karriere im Fußball noch nie. Es ist eine große Lücke entstanden, nicht nur menschlich, sondern auch von den Funktionen her", kommentierte Knäbel.

Selbst altgedienten Schalkern wie Klaus Fischer fällt es schwer, sich an ein größeres Chaos in der an Turbulenzen reichen Vereinshistorie zu erinnern. Die Suche nach neuem Personal hält der WM-Zweite von 1982 für schwierig: "Wer tut sich das an? Was da abläuft, ist eine Katastrophe", klagte der 71-Jährige im "Reviersport" und sprach damit vielen Fans aus der Seele. Ähnlich äußerte sich der ehemalige Schalke-Coach Peter Neururer bei Sport1: "Da weiß ja keiner, wer eine Entscheidung zu treffen hat."

Vor allem bei der Suche nach einem neuen Trainer drängt die Zeit. Schließlich steht für das Tabellen-Schlusslicht schon am 5. März das Kellerduell mit dem Vorletzten FSV Mainz 05 an, das vielen als letzte Chance für eine Trendwende gilt. Naheliegend wäre deshalb eine Interimslösung mit Büskens. Dem Vernehmen nach ist der 52 Jahre alte einstige Profi von dieser Idee jedoch nicht besonders begeistert. Zudem soll der Düsseldorfer an der Kaderplanung für die kommende Saison mitarbeiten.

Gut möglich, dass der Verein gleich eine längerfristige Lösung anstrebt. Die Aussage von Aufsichtsratschef Jens Buchta deutet darauf hin: "Die sportliche Situation ist eindeutig, deshalb müssen wir bei jeder noch zu treffenden Personalentscheidung auch über die Saison hinausdenken."

Dass der 65 Jahre alte Fußball-Pensionär Neururer seine Hilfe anbot, gehört beim Revierclub mittlerweile zur Folklore. Offenbar werden aber andere Lösungen favorisiert. Demnach gelten der Paderborner Fußball-Lehrer Steffen Baumgart, der ehemalige Darmstadt-Coach Dimitrios Grammozis und Michael Boris (MTK Budapest) als mögliche Gross-Nachfolger.

Der Vertrag von Baumgart beim Zweitligisten aus Ostwestfalen läuft am Ende der Saison aus. "Es gibt keinen Kontakt zu Schalke, wir werden sehen, ob es Gespräche gibt", kommentierte der 49-Jährige bei Sport1. Als sofortige Lösung scheidet er aber aus.

Dagegen wäre Grammozis nach seiner Trennung vom Zweitligisten Darmstadt im vergangenen Sommer sofort zu haben. Dem Vernehmen nach soll der 42 Jahre alte gebürtige Wuppertaler schon bei der Trainersuche im vergangenen Jahr ein Kandidat gewesen sein. Seine Erfahrung als langjähriger Nachwuchscoach des VfL Bochum gilt als weiterer Vorteil. Im Falle eines Abstiegs droht die Trennung von zahlreichen Profis. Das verleiht der Entwicklung von Talenten noch größere Bedeutung.

Als ehemaliger U23-Coach (2010 bis 2011) der Schalker verfügt auch Boris über ähnliche Erfahrungen wie Grammozis. Der 45-Jährige aus Bottrop-Kirchhellen führte den ungarischen Hauptstadtclub MTK im vergangenen Jahr zum Erstliga-Aufstieg. Sein Vertrag in Budapest soll eine Ausstiegsklausel enthalten.

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