Berlin. Die ersten neun Rennen können nicht wie geplant stattfinden, die Teams schicken ihre Mitarbeiter in Zwangsurlaub. Quo vadis, Formel 1?

Die Formel 1 stemmt sich gegen den Totalschaden. In der Corona-Krise ist die Zukunft des Rennbetriebs völlig offen, einige Teams müssen um ihre Existenz fürchten.

Sparmaßnahmen und ein Not-Kalender sollen die Rennserie retten, aber der Zeitpunkt eines Neustarts rückt immer weiter in die Ferne.

Wie ist die Lage bei den Teams?

Die zwangsweisen Werksferien sind auf fünf Wochen verlängert und müssen von jedem Team bis Ende Mai genommen werden. In dieser Zeit darf in den Rennfabriken nicht an den Autos gearbeitet werden. Die drei englischen Teams McLaren, Williams und Racing Point haben viele Angestellte in Zwangsurlaub auf Staatskosten geschickt, Haas wird wohl folgen. Zugleich haben die sieben in England beheimateten Rennställe Hilfe bei der Herstellung und Lieferung von Atemgeräten angeboten. Ein von Mercedes-Ingenieuren mit entwickeltes Design für eine Atemhilfe stellt das Weltmeister-Team Herstellern kostenlos zur Verfügung.

Was machen die Fahrer jetzt?

Titelverteidiger Lewis Hamilton ließ wissen, er nutze die ungewollte Freizeit, um "körperlich und emotional" an sich zu arbeiten. Sein Dauerrivale Sebastian Vettel grüßte in einem Ferrari-Video von der heimischen Couch, auch Red-Bull-Jungstar Max Verstappen hält sich derzeit im Homeoffice fit. Er trainiere viel am eigenen Simulator, sagte der Niederländer. Zum Zeitvertreib gehört bei Verstappen wie bei vielen seiner Kollegen virtuelles Rennfahren. Vettels Ferrari-Kollege Charles Leclerc gewann jüngst den Online-Grand-Prix von Australien.

Welche Pläne gibt es für einen Neustart der Saison?

Formel-1-Chef Chase Carey hofft noch, 15 bis 18 der eigentlich 22 geplanten WM-Läufe retten zu können. Der Kalender muss dafür stark umgebaut werden. Geprüft werden Geisterrennen ohne Zuschauer, um zumindest die an den Rennbetrieb geknüpften Millionen von Fernsehen und Sponsoren einzufahren. Auch über verkürzte Auftritte und mehrere Grand Prix auf einer Strecke wird diskutiert. In Silverstone könnte dafür zur Abwechslung auch in umgekehrter Richtung als sonst gefahren werden. Doch das Datum für den Neubeginn ist völlig unklar. Bis Mitte Juni sind alle Rennen abgesagt oder verschoben. Mercedes-Teamchef Toto Wolff sprach zuletzt sogar von einem Start erst "im Herbst".

Wie groß ist der wirtschaftliche Schaden?

Die Formel 1 ist ein Milliardengeschäft. Eigentümer Liberty Media meldete für das Vorjahr einen Umsatz von 2,02 Milliarden Dollar mit dem Vollgas-Zirkus. Doch ohne Rennen stehen die Zuwendungen der TV-Rechteinhaber und anderer Geldgeber auf dem Spiel. Auch die hohen Antrittsgebühren, die von den Streckenbetreibern gezahlt werden müssen, fließen nicht. Stillstand ist auch der Vermarktung des globalen Geschäftsmodells Formel 1 abträglich. Die Bilder aus einer Glitzerwelt, die das PS-Spektakel zwischen März und Dezember produziert, fehlen derzeit.

Wie bedrohlich wird es für die Rennserie?

McLaren-Geschäftsführer Zak Brown warnte, die Formel 1 sei derzeit in einem "sehr zerbrechlichen Zustand". Wenn das Krisen-Management jetzt versage, könnten "vier Teams verschwinden", sagte der 48-Jährige der BBC. Vor allem die kleineren Privat-Rennställe wie Williams müssen wohl um ihr Überleben fürchten. Aber auch die Konzern-Teams an der Spitze stehen mehr denn je unter Kostendruck. Auf der Spielwiese Formel 1 könnten auch Unternehmen wie Daimler wegen der Folgen der Corona-Pandemie den Rotstift ansetzen. Auch die Betreibergesellschaft der Formel 1 ist in Not. Sie muss die Preisgelder für 2019 auszahlen, hat derzeit aber spürbar geringere Einnahmen.

Welche Maßnahmen sollen helfen?

Neben dem Zwangsurlaub zu Lasten des britischen Steuerzahlers und einem Gehaltsverzicht bei einer Reihe von Piloten und Top-Managern sind bereits weitere Einschnitte beschlossen. Das neue Regelwerk, das mit etwas langsameren und vereinfachten Autos für mehr Wettbewerb sorgen sollte, ist um ein Jahr auf 2022 verschoben. Das soll vorerst Kosten für die Entwicklung sparen. Zudem soll die für das nächste Jahr vereinbarte Ausgabengrenze noch tiefer als eigentlich geplant angesetzt werden. Statt 175 Millionen US-Dollar (161 Millionen Euro) könnte sie in mehreren Stufen auf 120 Millionen Dollar (110 Millionen Euro) sinken, berichtete das Fachmagazin "Auto, Motor und Sport". Die nächste Krisenrunde der Formel-1-Spitze ist für Karfreitag geplant.