Silverstone. Nico Hülkenberg bekommt eine zweite Chance. Nach einem weiteren positiven Corona-Test bei Sergio Perez steigt der Deutsche wieder in den Racing Point. Hülkenberg bietet sich in Silverstone eine Formel-1-Bewerbungsfahrt.

Mit seiner nächsten Chance als Vertretungspilot will sich Nico Hülkenberg für eine Vollzeitbeschäftigung in der Formel 1 empfehlen.

Nach einem erneut positiven Corona-Test beim Mexikaner Sergio Perez möchte der 32-jährige Rheinländer seinen zweiten Einsatz für das Racing-Point-Team in England zur Bewerbungsfahrt nutzen. "Ich habe eine Menge in der vergangenen Woche über den RP20 gelernt und ich bin bereit, meine Erfahrungen an diesem Wochenende einzusetzen", kündigte er nach seiner Bestätigung für den zweiten Grand Prix in Silverstone an.

Hülkenbergs Blitzcomeback fast ohne jede Vorbereitung hat seine Formel-1-Rivalen beeindruckt. "Die Vorbereitung ist der maßgebliche Teil", bemerkte Weltmeister Lewis Hamilton. "Wenn man den Wagen nicht kennt, kennt man nicht die Werkzeuge, die einem zur Verfügung stehen." Wenn jemand so etwas aber schaffe, dann Hülkenberg. "Er ist ein großartiger Fahrer", lobte Mercedes-Mann Hamilton. Den ersten Trainingstag schloss Hülkenberg sogar als Sechster ab - auch von einem lose gewordenen Sitz ließ er sich nicht beeinträchtigen.

Im Eiltempo war Hülkenberg in der vergangenen Woche für Perez eingesprungen, nachdem bei dem Mexikaner ein Corona-Test positiv ausgefallen war. Ein Kupplungsschaden vereitelte dann den nächsten Grand-Prix-Einsatz des Emmerichers acht Monate nach seinem Abschied aus der Formel 1 beim Saisonfinale in Abu Dhabi. Dort schraubte Hülkenberg seinen unrühmlichen Rekord von Grand Prix ohne Podestplatzierung auf beachtliche 177.

Die Von-0-auf-100-Rückkehr war anspruchsvoll. "Ein ganz neues Lenkrad kennenzulernen, die ganz neue Balance eines Autos kennenzulernen und wie es sich zu neuen Reifen, Wind und unterschiedlichen Streckenbedingungen verhält, ist wahrscheinlich aus Sicht der Technik und des Fahrers die größte Herausforderung", meinte McLaren-Fahrer Carlos Sainz. Die Rückkehr in einen Renault, Hülkenbergs Stammwagen von 2017 bis 2019, wäre ihm wohl leichter gefallen.

Körperlich hinterließ die Powerstrecke in Silverstone Spuren. "Es gibt eine generelle Fitness, wie wir sie alle kennen, wenn man laufen geht oder im Gym Zirkeltraining macht. Aber das Rennfahren mit den G-Kräften - das ist die Fahrfitness und die kriegst du einfach nur beim Fahren. Da kann man Gewichte stemmen, wie man will", erzählte Hülkenberg dem TV-Sender RTL und wies auf die spezielle Belastung auf dem Traditionskurs in England hin: "Ich weiß nicht wie oft, aber hier sind Querbeschleunigungen von über 5g ein paar Mal pro Runde. Das ist schon richtig Kasalla auf den Nacken." Zum Vergleich: In Achterbahnen können kurzfristig bis zu 6g erreicht werden.

Hülkenberg hatte nun seine Eingewöhnung bei Racing Point, für dessen Vorgängerteam Force India er in der Vergangenheit schon gefahren war. "All die harte Arbeit wird sich für dieses Wochenende als nützlich erweisen", meinte Teamchef Otmar Szafnauer. Hülkenberg will aber nicht nur wieder einen Renneinsatz absolvieren. Sein Teilzeitjob bei Racing Point soll als Formel-1-Empfehlungsschreiben dienen.

Hülkenberg sprach davon, mit Leuten aus dem Formel-1-Geschäft über ein Cockpit für 2021 in Kontakt zu stehen. Der Emmericher weiß aus jahrelanger Erfahrung, wie man das Scheinwerferlicht auf sich zieht. "Ich bin auf jeden Fall in Gesprächen, es gibt aber noch nichts Konkretes zu sagen", meinte Hülkenberg. "Ich glaube, es ist immer noch eine Sache von ein paar Wochen, bevor die Dinge ein bisschen konkreter werden."

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