Berlin. Die Bundesregierung bereitet sich auf die Rettung von Energieunternehmen vor. Zu allem Überfluss droht auch noch Ungemach aus Norwegen.

Am kommenden Montag wird die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 zur jährlichen Wartung heruntergefahren. Ob anschließend wieder Gas durch die Pipeline strömen wird, weiß niemand. Schon bei der Drosselung der Gasmengen seien technische Gründe vorgeschoben worden, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstag in Berlin. „Das kann wieder passieren.“

Zuletzt war der Gasfluss durch die Pipeline um 60 Prozent gedrosselt worden. Schuld sei laut Gazprom eine Turbine von Siemens Energy, die zur Wartung in Kanada festhänge. Siemens-Energy-Aufsichtsratschef Joe Kaeser hatte den Vorwurf jüngst zurückgewiesen. Eine solche Wartung würde es niemals rechtfertigen, den „Gasfluss so stark zu drosseln“, hatte Kaeser der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt. Auch der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hält die Begründung von Gazprom nicht für überzeugend.

Gas: Bund könnte bei Unternehmen einsteigen

In der Bundesregierung steigt die Nervosität vor einem Totalausfall – und einem Dominoeffekt, sollten Energiebetreiber ins Wanken geraten. Im Eilverfahren will die Bundesregierung daher einen Schutzschirm für bedrohte Firmen aufspannen und notfalls selbst in diese Unternehmen einsteigen.

Zuletzt hatte der Bund den so genannten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) während der Corona-Pandemie angewandt und war unter anderem bei der Lufthansa eingestiegen.

Preissprünge könnten an Kunden weitergegeben werden

Auch die Weitergabe von Preissprüngen am Gasmarkt an die Kunden soll möglich werden. Das Bundeskabinett billigte am Dienstag entsprechende Änderungen am Energiesicherungsgesetz, das noch in dieser Woche von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden könnte.

Durch die gedrosselte Gaslieferung ist etwa der Energiekonzern Uniper massiv unter Druck geraten. Um seine Lieferversprechen einzuhalten, muss Uniper derzeit Gas an den Börsen einkaufen. Am Dienstag kostete die Megawattstunde an der Wiener Central European Gas Hub (CEGH) 167 Euro – fast doppelt so viel wie noch vor zwei Monaten.

Umlageverfahren soll möglich werden

Man werde nicht zulassen, dass im Zuge eine Pleite eines Unternehmens ganze Branchen oder gar die Versorgungssicherheit erfasse, sagte Habeck. Neben der Preisanpassungsklausel, wonach Unternehmen die höheren Preise direkt an die Kunden weitergeben können, will der Bund eine weitere Möglichkeit schaffen.

Höhere Preise könnten dann über eine Umlage an die Kunden weitergereicht werden. Je nach Situation müsse entschieden werden, welches Modell passe, sagte Habeck. Es seien scharfe Schwerter, die man nur mit Bedacht anwenden werde. Sollte Gas rationiert werden, würden private Verbraucher als letztes abgeschaltet, betonte Habeck erneut.

Streiks in Norwegen sorgen für verringerte Fördermenge

Derweil gibt es bei möglichen Alternativen zu russischem Gas Probleme. Nachdem bereits die Importe von Flüssiggas aus den USA eingeschränkt sind, weil sich im texanischen Freeport vor wenigen Wochen eine Explosion ereignete, streiken nun in Norwegen die Gasarbeiter.

Drei Gasfelder mussten vom Betreiber Equinor bereits heruntergefahren werden. Laut des Arbeitgeberverbandes der Branche, Norsk Olje & Gass, könnten die Gasexporte um rund 60 Prozent verringert werden. Hinter Russland ist Norwegen für Deutschland die zweitwichtigste Gas-Importnation.

Dieser Text erschien zuerst auf www.waz.de