Berlin. Schon 277 Banken und Sparkassen verlangen Strafzinsen für Geld auf Konten - und auch immer mehr. Was Verbraucherschützer Kunden raten.

  • Immer mehr Banken verlangen Zinsen für Guthaben auf Konten
  • Eine Bank verlangt sogar 1,0 Prozent Strafzinsen
  • Was das für Kunden bedeutet - und wie man Negativzinsen umgeht, lesen Sie hier

Die Niedrigzinsphase stellt alte Gewohnheiten auf den Kopf. Jahrzehntelang haben Anleger für Erspartes gute Zinsen erhalten. Doch damit ist längst Schluss, das Gegenteil der Fall. Wer Geld bei seiner Bank liegen hat, muss dafür immer öfter sogar bezahlen.

Und die Negativ-Zinssätze werden immer höher: Erstmals verlangt mit der PDS Bank Rhein-Ruhr ein Geldinstitut 1,0 Prozent Strafzinsen von seinen Kunden, wenn sie Geld auf ihren Konten liegen haben. Dies berichtet das Vergleichsportal Verivox am Dienstag. Es sei der mit Abstand höchste Negativzins, den das Portal je registriert habe. Lesen Sie hier: Bei diesen Banken zahlen Kunden Strafzinsen.

Verivox: Schon 277 Geldinstitute verlangen Strafzinsen

Bislang lag der höchste Negativzins bei 0,5 Prozent - und orientierte sich damit an dem Einlagezins der Europäischen Zentralbank (EZB), die ihren Kunden ebenfalls minus 0,5 Prozent berechnet.

  • Bundesweit verlangen mittlerweile 277 Banken in Deutschland Negativzinsen von ihren Privatkunden.
  • Betroffen sind nicht mehr nur vermögende Bürgerinnen und Bürger und Firmen. 100 Institute räumen ihren Kunden weniger als 100.000 Euro Freibetrag ein.
  • Die meisten verlangen bereits ab 5000 Euro, 25.000 Euro oder 50.000 Euro Guthaben Zinsen von 0,5 Prozent für jeden weiteren Euro, der auf einem Giro-, Tagesgeld- oder Sparkonto liegt.
  • 15 Geldhäuser stellen zudem Gebühren für Tagesgeldkonten in Rechnung.

„Momentan führen nahezu täglich weitere Institute Negativzinsen ein. Eine Trendwende ist nicht in Sicht“, sagt Oliver Maier, Verivox-Geschäftsführer unserer Redaktion. In den kommenden Wochen dürften viele weitere Banken und Sparkassen Negativzinsen ankündigen und einführen.

Banken schieben die Schuld für Strafzinsen auf Europäische Zentralbank

Die Schuld für die Erhebung von Verwahrentgelten weisen die Geldinstitute gerne der Europäischen Zentralbank (EZB) zu. Im Zuge der anhaltenden Niedrigzinsphase verlangt die Notenbank bereits seit Juni 2014 von allen Geldinstituten 0,5 Prozent Zinsen für Geld, das diese bei der Zentralbank parken. Die lockere Geldpolitik der EZB soll eigentlich dazu dienen, dass Banken ihren Kunden genügend Geld für Kredite zur Verfügung stellen. Jeder Euro, der nicht verliehen wird, wird so durch Negativzinsen bestraft.

„Negativzinsen sind auch für die Banken ein Ärgernis“, sagt der Sprecher des Bundesverbands deutscher Banken, Thomas Schlüter. „Seit 2014 haben die europäischen Banken 34 Milliarden Euro an die EZB überweisen müssen, allein in diesem Jahr werden voraussichtlich noch einmal 13 Milliarden Euro hinzukommen.“ Ob eine Bank diese Belastung an ihre Kunden weitergibt, sei eine geschäftspolitische Entscheidung der jeweiligen Bank, ebenso die Festlegung der Zinssätze.

Auch der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Helmut Schleweis, geht davon aus, dass immer mehr Sparkassen die Strafzinsen an ihre Kunden weitergeben.

Verbraucherschützer: Zunächst nur Neukunden betroffen

Verbraucherschützer kritisieren dagegen, dass die Geldinstitute zwar die Sparzinsen senken, Kontogebühren und Verwahrentgelte von ihren Kunden erheben, während die Zinssätze für Dispokredite praktisch konstant hoch bleiben – und oft noch mehr als zehn Prozent betragen. „Dort ist die EZB-Niedrigzinspolitik noch nicht angekommen“, kritisiert David Riechmann von der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen.

Dennoch sind Verbraucher der neuen Zinspolitik der Geldinstitute nicht hilflos ausgeliefert. Zunächst gelten neu eingeführte Verwahrentgelte nur für Neukunden. Altkunden erhalten zunächst eine Schonfrist. „Wenn eine Bank ihren Bestandskunden Negativzinsen berechnen will, müssen diese mit den Betroffenen individuell vereinbart werden“, sagt Riechmann.

Allerdings erhalten viele Kunden derzeit Post von ihrer Hausbank oder Sparkasse. Darin steckt ein Vertrag für eine Zusatzvereinbarung für ein Verwahrentgelt. Es wird ein individueller Freibetrag vorgeschlagen, der unterschiedlich hoch sein kann.

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Verbraucher können ihre Guthaben auf mehrere Konten verteilen

„Einen pauschalen Tipp, wie man darauf reagieren soll, gibt es nicht“, sagt der Verbraucherschützer. Betroffene könnten zunächst mit ihrem Geldinstitut sprechen und einen für sich passenden Freibetrag aushandeln. Denkbar sei auch, sein Geld in andere Anlagen wie Aktienfonds zu stecken, für die man jedoch versuchen sollte, diese ohne Vermittlungsprovision zu erhalten. „Passen die Bedingungen nicht für den persönlichen Bedarf, sollte ein Bankenwechsel überlegt werden“, rät Riechmann.

Verbraucher mit höheren Beträgen könnten ihr Geld auch auf mehreren Konten bei verschiedenen Banken verteilen. Dabei sollten möglichst nicht mehr als 100.000 Euro je Geldinstitut geparkt werden, damit das Geld im Falle einer Insolvenz der Bank über den Einlagensicherungsfonds abgesichert ist, so der Verbraucherschützer.

Geld in der Wohnung zu verstecken, ist keine gute Idee

Manche Banken kündigen ihren Kunden sogar das Konto, die die neuen Konditionen nicht akzeptieren. Doch, so weiß Riechmann: „Sparkassen dürfen ihren Kunden nur kündigen, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Ob das Nichtakzeptieren von Negativzinsen ein sachlicher Grund ist, wurde gerichtlich noch nicht entschieden. Bei Privatbanken gilt diese Einschränkung nicht.“

Sein Bargeld abzuheben und in der Wohnung zu verstecken, hält Riechmann für eine schlechte Idee und nicht sinnvoll. Bei Einbruch, Feuer oder einem Wasserschaden sei das Geld schnell weg. Selbst wer einen Safe zu Hause habe, müsste darin deponiertes Geld extra versichern – eine teure Alternative. Auch in einem Bankschließfach müsste Bargeld extra versichert werden. Für größere Summen bedürfe es zudem großer Fächer, die weitere Kosten verursachten.

Der Verivox-Chef rät wiederum klar zum Kontowechsel. „Negativzinsen sind kein Naturgesetz“, sagt Maier. Wer Konditionen vergleiche, finde immer noch Angebote ohne Negativzinsen. „Top-Banken im EU-Ausland zahlen aktuell 0,4 Prozent Guthabenzinsen aufs Tagesgeld. Bei deutschen Instituten erhalten Sparer in der Spitze 0,21 Prozent.“

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