Berlin. Kampf der Social Media-Giganten: So versuchen Facebook und Instagram, erfolgreiche TikTok-Nutzer für die Funktion „Reels“ zu gewinnen.

  • Der Facebook-Dienst Instagram hat mit „Reels“ eine Funktion geschaffen, die der des Konkurrenten TikTok sehr ähnlich ist
  • Nun soll Facebook sogar mit lukrativen Angeboten um TikTok-Influencer werben
  • Facebook-Gründer Mark Zuckerberg muss vor dem US-Kongress zum Wettbewerbsverhalten seiner Firma aussagen

Um der neuen Instagram-Funktion „Reels“ zu mehr Beliebtheit zu verhelfen, scheint Facebook jedes Mittel recht zu sein. So soll der Milliarden-Konzern erfolgreichen Influencern der Konkurrenzplattform TikTok nun lukrative Angebote machen, um sie dazu zu bringen, von TikTok zu Reels zu wechseln. Das berichtet das „Wall Street Journal.“ Es ist eine neue Stufe der Eskalation im Kampf zwischen den beiden Social-Media-Rivalen.

Erst vor wenigen Wochen hat Facebook die Reels-Funktion bei der Tochter-Plattform Instagram unter anderem in Deutschland und Frankreich testweise veröffentlicht. Schon bald soll sie für alle Instagram-Nutzer weltweit verfügbar sein. Bei Reels können die Nutzer bis zu 15 Sekunden lange Videos erstellen und verschiedene Effekte und Musik hinzufügen.

Corona: TikTok erfreut sich immer größerer Beliebtheit

Die Funktion erinnert stark an das Prinzip hinter TikTok, dem Videodienst der chinesischen Firma ByteDance. Die Video-Plattform, die bis 2018 musical.ly hieß, erfreut sich insbesondere seit dem Ausbruch der Corona-Krise immer größerer Beliebtheit und wurde bis April bereits mehr als zwei Milliarden Mal heruntergeladen.

Das sieht die Konkurrenz gar nicht gern: Facebook soll nun mit Geld um die Gunst der erfolgreichsten TikTok-Influencer buhlen. Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, belaufen sich die Angebote auf Hunderttausende von Dollar.

TikTok wird vor allem bei Jugendlichen immer beliebter – eine Zielgruppe, die für Facebook besonders interessant ist.
TikTok wird vor allem bei Jugendlichen immer beliebter – eine Zielgruppe, die für Facebook besonders interessant ist. © imago images/Hollandse Hoogte

Instagram bestätigt: „Wir investieren in unsere Creator“

Instagram-Mitarbeiterin Sarissa Thrower bestätigte das indirekt. Man habe sich „in mehreren Ländern, in denen Reels derzeit getestet wird, an eine Vielzahl von Entwicklern gewandt“, sagte sie dem „Wall Street Journal.“ „Wir sind weiterhin bestrebt, sowohl in unsere Creator als auch in deren Erfahrung zu investieren.“

Instagram wolle bereits zum Start der Reels-Funktion zahlreiche Posts von prominenten Produzenten von Inhalten zeigen. Throwers Aussage scheint eine Bestätigung für das zu sein, was Nutzer und Experten schon lange ahnen: Facebook will mit der Instagram Reels-Funktion TikTok direkte Konkurrenz machen.

Ein TikTok-Influencer, der laut Bericht erwägt, den Deal mit Instagram einzugehen, erklärt, er könne er am meisten Geld von Facebook erhalten, wenn er sich dazu verpflichte, seine Videos ausschließlich auf Reels zu veröffentlichen.

Influencer, die ihre Clips auch bei TikTok veröffentlichen möchten, bittet Instagram dem Bericht zufolge darum, ihre Videos zumindest vorher auf Reels zu posten. Außerdem biete Instagram auch an, die Kosten für die Produktion der Videos zu decken, so das „Wall Street Journal“. Um die Influencer davon abzubringen, die Bedingungen der potenziellen Deals zu teilen, soll es Geheimhaltungsvereinbarungen geben.

Trump kritisiert TikTok: Zweifel an Datenschutz und Sicherheit

Doch auch ohne finanzielle Anreize denken offenbar viele TikTok-Influencer darüber nach, die Plattform zu wechseln und ihre Clips in Zukunft bei Instagram-Reels zu veröffentlichen – denn die Zukunft von TikTok in den USA ist unsicher.

Die Trump-Regierung und einige US-Gesetzgeber denken darüber nach, den Zugang von US-Nutzern zu TikTok einzuschränken. Die in chinesischem Besitz befindliche Social-Media-Plattform wird vor allem aus Sicherheits- und Datenschutzgründen kritisiert. TikTok beteuert jedoch immer wieder, das Unternehmen habe der chinesischen Regierung niemals Benutzerdaten zur Verfügung gestellt – und werde dies auch nicht tun.

Mark Zuckerberg, der Gründer und Vorstandsvorsitzende von Facebook, muss sich am Mittwoch Fragen von Abgeordneten im US-Kongress stellen.
Mark Zuckerberg, der Gründer und Vorstandsvorsitzende von Facebook, muss sich am Mittwoch Fragen von Abgeordneten im US-Kongress stellen. © dpa | Mark Lennihan

Bei TikTok sei man unbesorgt über die Kopie-Bemühungen von Facebook. „Egal was sie tun, hunderte Millionen Menschen lieben TikTok einfach“, sagte eine TikTok-Sprecherin gegenüber dem „Wall Street Journal.“ Dennoch kündigte die Firma einen 200-Millionen-Dollar-Fonds an, der den Entwicklern auf der Plattform helfen solle, „zusätzliche Einnahmen zu erzielen, die dazu beitragen, die Sorgfalt und das Engagement zu belohnen, mit denen sie sich kreativ mit einem Publikum verbinden, das von ihren Ideen inspiriert ist.“

Facebook kopiert immer wieder: Mark Zuckerberg sagt vor US-Kongress aus

Es ist nicht das erste Mal, dass Instagram ein zentrales Feature eines Mitbewerbers kopiert. Im August 2016 führte die Firma mit der Story-Funktion quasi eine Eins-zu-eins-Kopie von Snapchat ein. Innerhalb kürzester Zeit überholten die Nutzerzahlen der Instagram Stories die von Snapchat. Auch die mit den Stories erwirtschafteten Werbeumsätze stiegen mit einem Tempo, wie es bisher auf keiner anderen Digitalplattform der Fall war.

TikTok – Mehr zum Thema:

Das Wettbewerbsverhalten von Facebook ist deshalb nun auch Thema im US-Kongress. Snapchat und andere Firmen hatten sich bei Bundesbehörden über die Bemühungen von Facebook beschwert, Konkurrenten zu untergraben. Facebook verteidigte sich, man wolle seinen Nutzern schlicht mehr Auswahlmöglichkeiten bieten und mit Akquisitionen Innovationen vorantreiben. Gründer Mark Zuckerberg wird dazu persönlich aussagen.

TikTok: Algorithmus als Vorteil der Plattform

Ob es TikTok mit dem neuen Konkurrenten Reels auch so ergehen wird wie Snapchat, bleibt abzuwarten, denn es gibt eine Sache, in der sich Tiktok und Instagram deutlich voneinander unterscheiden: Instagram spielt den Nutzern hauptsächlich Inhalte von Nutzern aus, denen diese bereits folgen.

Bei Tiktok werden den Usern hingegen fremde Videos auf Basis des Nutzerverhaltens ausgespielt. So können TikTok-Nutzer bereits jetzt enorme Reichweiten erzielen, während die organische Reichweite bei Instagram immer mehr einbricht. Das könnte TikToks großer Vorteil sein – im Kampf der Social Media-Giganten.