Berlin. Die Europäische Zentralbank erhöht ihre Zinsen. Das bringt manchen Verbrauchern Vorteile und manchen Nachteile. Was zu erwarten ist.

Zum ersten Mal nach elf Jahren wird die Europäische Zentralbank (EZB) an diesem Donnerstag ihre Leitzinsen anheben. Damit geht die Zeit der Nullzinspolitik in Europa zu Ende. Ein Ziel der Zinserhöhung ist es, die Inflation einzudämmen. Gleichzeitig darf die Wirtschaft in Europa dadurch nicht gebremst werden.

Sparer dürfen sich freuen: Mit der Zinswende bestehen endlich wieder gute Chancen, auf traditionelle Anlagen wie Festgeld, Spareinlagen und Tagesgeldkonten wieder Geld zu bekommen und das Vermögen zu mehren. Das Nachsehen haben dagegen Kreditnehmer: Nach dem Anstieg der Bauzinsen dürften auch Ratenkredite und Dispokredite wieder teurer werden. Womit Verbraucher rechnen dürfen:

Girokonto: Negativzinsen könnten wegfallen

Viele Banken und Sparkassen erheben teilweise bereits seit rund zwei Jahren sogenannte Verwahrentgelte – Negativzinsen – von rund 0,5 Prozent von privaten Kunden, die mehr als 25.000 Euro auf ihren Konten liegen haben. Begründet wurde dies damit, dass die EZB von den Geldinstituten 0,5 Prozent Zinsen für Einlagen kassiert, die diese bei der Notenbank parken. Fallen diese Kosten durch die Leitzinserhöhung weg, gibt es auch kein Argument mehr, diese Verbrauchern in Rechnung zu stellen.

Mit positivem Beispiel preschten 51 Institute schon vor der EZB-Entscheidung vor: 35 Institute haben die Gebühren komplett gestrichen, 16 ihre Freibeträge deutlich angehoben. So haben die Online-Banken ING, N26 oder 1822direkt sowie mehrere Sparda- und PSD-Banken, Volksbanken und Sparkassen die Negativzinsen abgeschafft, berichtet das Vergleichsportal Verivox. Und andere Banken werden wohl nach der EZB-Zinsentscheidung in Kürze folgen.

Die Deutsche Bank und die Postbank hatten angekündigt, die Verwahrentgelte kurzfristig an ihre Kunden in derselben Höhe weiterzugeben, wie es die EZB beschließt. Spätestens bei der nächsten Senkung würden damit die Negativzinsen voraussichtlich ganz wegfallen. Aktuell verlangen laut Verivox noch 424 Geldinstitute Negativzinsen von ihren Kundinnen und Kunden im Privatgeschäft. Insgesamt liegen laut Bundesbank rund 2,1 Billionen Euro auf Giro- oder Tagesgeldkonten. Weitere 550 Milliarden Euro werden auf Sparkonten verwahrt, 300 Milliarden sind Fest- oder Termingelder.

Tages- und Festgeldkonten: Wieder etwas mehr Zinsen

„Wenn die Zinsen steigen, wird das Geschäft mit Spargeldern für Banken wieder lukrativ“, sagt Oliver Maier, Verivox-Geschäftsführer Finanzvergleich. Viele Institute dürften deshalb wieder ihre Zinsen anheben, um Kunden zu locken. Noch sind Zinssätze gering, aber immerhin gibt es sie wieder.

So zahlt manche Direktbank für Neukunden 0,15 Prozent Zinsen für Tagesgeld. Wer sein Geld für zwei Jahre fest anlegt, erhält bei deutschen Banken derzeit bis zu 1,33 Prozent Zinsen (SWK Bank). Anfang April lagen die besten Angebote noch bei 0,41 Prozent. Einzelne Anbieter mit Sitz im EU-Ausland zahlen bis zu zwei Prozent, so Verivox.

Schlecht für Verbraucher: Ratenkredite und Dispozinsen steigen

Für Kreditnehmer werden die Konditionen unterdessen teurer. „Zinsen für Ratenkredite sind seit Beginn dieses Jahres um 20 Prozent gestiegen, da praktisch alle Banken in den vergangenen Monaten ihre Finanzierungsangebote angepasst haben“, sagt Stefan Eckhardt, Geschäftsführer Kredite bei Check24. „Die Zinswende läutet das vorläufige Ende der historisch niedrigen Kreditzinsen ein.“

Für den weiteren Jahresverlauf erwartet der Check24-Experte einen Anstieg der durchschnittlichen Effektivzinssätze in Richtung Fünf-Prozent-Marke. Die Zinsunterschiede der Banken würden noch größer, sodass sich ein Kreditvergleich vor Abschluss lohne.

Ein starker Anstieg ist auch bereits bei den Dispo-Zinsen zu beobachten. Der aktuelle Durchschnittszins eines Dispos liege bei 9,43 Prozent, berichtet Check24. Bis zum Jahresende könnte er bei zahlreichen Instituten auch zweistellig werden – also über 10 Prozent betragen.

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Immobilien: Baufinanzierung verteuert sich

Immobilienbesitzer bekommen die Trendwende am Zinsmarkt bereits zu spüren, wenn sie nach Anschlussfinanzierungen suchen. „Die Durchschnittszinsen für zehnjährige Baufinanzierungen haben sich ausgehend von 0,8 Prozent zum Jahresstart fast vervierfacht und sind auf über drei Prozent geklettert“, sagt Ingo Foitzik, Geschäftsführer Baufinanzierung bei Check24.

Bis zum Spätsommer sei ein Anstieg auf vier Prozent möglich. Bei einer Baufinanzierung zu einem effektiven Zinssatz von 3,0 Prozent für ein Darlehen über 400.000 Euro bedeutet das einen höheren Zinsaufwand von 78.831 Euro bis zum Ende der zehnjährigen Sollzinsbindung. Bei 4,0 Prozent wären es sogar 114.159 Euro mehr Zinskosten als im Januar 2022, rechnet der Check24-Experte vor.

Dieser Text erschien zuerst auf abendblatt.de.