Berlin. Restaurants und Bars hatten bereits mit dem ersten Lockdown zu kämpfen. Die neuen Beschränkungen könnten für viele das Aus bedeuten.

Die Restaurants waren zuletzt vielerorts voll, oft war es gar nicht möglich, ohne Reservierung einen Platz zu bekommen. Das lag zum einen an der verringerten Anzahl an Tischen. Zum anderen schien es eine regelrechte Sehnsucht zu geben, die ausgefallenen Restaurant- und Kneipenbesuche aus dem Frühjahr nachzuholen. Doch damit ist ab kommenden Montag schon wieder Schluss.

Bund und Länder haben sich am Mittwoch darauf verständigt, zur Eindämmung des Infektionsgeschehens Gastronomiebetriebe für den restlichen Monat schließen zu wollen. Ausgenommen sollen davon – wie schon im Frühjahr – lediglich Lieferungen sowie Abholung von Speisen sein. Auch Kantinen sollen dieses Mal geöffnet bleiben.

Gastronomie: 245.000 Betrieben droht wegen Corona das Aus

Der Beschluss trifft viele Wirte und Gastronomen ins Mark. 17,6 Milliarden betrug der Umsatzverlust laut dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) allein zwischen März und Juni, als es zu den ersten Einschränkungen kam. Das Statistische Bundesamt bezifferte den Umsatzrückgang der Gesamtbranche für das erste Halbjahr auf 38,5 Prozent.

Wiederholt sich nun dieses Szenario? Für einige Restaurants und Bars könnten die erneuten Schließungen den Todesstoß in die Insolvenz bedeuten. Finanzrücklagen sind aufgebraucht, hohe Kredite in den oft margenschwachen Gastronomiebetrieben oft nicht realisierbar.

„Viele Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand, die Verzweiflung wächst“, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges unserer Redaktion. Sie macht das Ausmaß der Entscheidung deutlich: „Durch den zweiten Lockdown wird ein Drittel der 245.000 Betriebe den Winter nicht überstehen“, schätzt Hartges. Die Wirtschaftsauskunftei Crif Bürgel kommt in einer am Donnerstag vorgestellten Analyse zu dem Schluss, dass schon jetzt 14,5 Prozent der Betriebe insolvenzgefährdet sind und vor dem Aus stehen.

Bund unterstützt mit weiteren zehn Milliarden Euro

Damit genau das nicht passiert, wollen Bund und Ländern den Betrieben unter die Arme greifen. Weitere zehn Milliarden Euro stehen als Nothilfen für schwer getroffene Unternehmen bereit. Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern können 75 Prozent des Umsatzausfalls ersetzt bekommen. Aber reicht das?

Hartges begrüßt die Hilfen, mahnt aber, dass diese nur dann funktionieren können, wenn sie schnell und unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden. Doch genau daran scheiterte es zuletzt bei Hilfspaketen der Bundesregierung immer wieder. Von den 25 Milliarden Euro an Überbrückungshilfe, die der Bund bereits bereitstellt und gerade erst verlängerte, wurden zuletzt nur etwas über eine Milliarde Euro tatsächlich auch bewilligt.

Mit der jüngsten Anpassung des Hilfspakets, der sogenannten Überbrückungshilfe II, ist es den Unternehmen möglich, neue Betriebskostenzuschüsse von bis zu 200.000 Euro in Anspruch zu nehmen. So sollen etwa laufende Kosten wie die Miete ausgeglichen werden.

Nun kommt das weitere zehn Milliarden Euro schwere Hilfspaket obendrauf. Zufrieden ist man damit beim Branchenverband Dehoga dennoch nicht. „Unsere Betriebe wollen eigentlich arbeiten und keine Hilfen vom Staat“, sagt Hartges. Es herrsche faktisch ein Berufsverbot für die gesamte Branche.

Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges warnt vor einer Insolvenzwelle.
Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges warnt vor einer Insolvenzwelle. © imago images/Reiner Zensen

Corona-Krise im Gastgewerbe: Neuer Stellenabbau droht

Dass trotz der Hilfen die Stimmung mehr als angespannt ist, zeigt auch die aktuelle Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Mehr als jeder dritte Betrieb im Gastgewerbe rechnet demnach damit, Personal abbauen zu müssen. Dabei hat schon der erste Lockdown viele Jobs gekostet. Der Dehoga beziffert die Anzahl der Beschäftigten, die zwischen April und Juli einen Job in der Branche verloren, auf 36.000.

Die Betriebe, die ihre Mitarbeiter halten, werden sie für den November nun wohl größtenteils wieder in die Kurzarbeit schicken. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) appelliert nun, dass die Beschäftigten stärker unterstützt werden. „Die angekündigten Finanzhilfen von 10 Milliarden Euro für November sollte auch dafür genutzt werden, die Lohneinbußen der Beschäftigten auszugleichen, die in Kurzarbeit geschickt werden“, sagte der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler unserer Redaktion. „Die Politik hat der Branche ein Geschenk gemacht, aber dabei leider die Beschäftigten vergessen.“

NGG-Chef Zeitler: „Beschäftigte werden ihrer Existenzgrundlage beraubt“

Laut Zeitler sei die erneute Schließung der Restaurants schwer nachzuvollziehen. „Die Gastronomie hat in den vergangenen Monaten in Konzepte, Abstände, Lüftung und Glaswände investiert. Durch den Lockdown werden Unternehmen und Beschäftigte wieder ihrer Existenzgrundlage beraubt“, sagt der Gewerkschaftschef.

Hunderttausende Beschäftigte müssten nun in die Kurzarbeit. Dabei treffe es vor allem diejenigen, die ohnehin schon in Niedriglohnbereich arbeiten und auf Trinkgelder angewiesen sind, so Zeitler. Hinzu kämen die vielen Minijobber, die überhaupt keine Hilfen erhalten.

Gastronomie hat auch Auswirkungen auf andere Branchen

Wie stark sich der Wegfall der Minijob-Stellen auch in andere Bereiche auswirkt, wurde bereits beim ersten Lockdown sichtbar. So gaben im Juni in einer repräsentativen Zenjob-Umfrage 40 Prozent der befragten Studierenden an, durch die Krise einen Job verloren zu haben. Gerade die Gastronomie ist für Studierende beliebt. Doch wer als Minijobber auf 450 Euro-Basis arbeitet, hat keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

Viele Betriebe trennten sich daher von ihren Mitarbeitern. Die Folge: Immer mehr Studierende müssen Corona-Nothilfen beantragen, zuletzt erhielten 120.000 Studierende Unterstützung vom Staat. Auch Branchen wie etwa die Gebäudereinigung sind von den neuerlichen Einschränkungen betroffen.

Sorgen bereitet den Gastronomen aber auch die Perspektive. Im Gegensatz zum letzten Lockdown, als der Aussicht den Sommer Hoffnung machte, helfen großzügige Sitzgelegenheiten im Freien, geöffnete Biergärten und Straßenverkauf in Einkaufsstraßen in der kalten Jahreszeit nur bedingt weiter. Selbst mit den wieder erlaubten Heizpilzen – die der Bund sogar finanziell fördern möchte – fällt die Vorstellung schwer, wie so ab Dezember fehlende Umsätze wieder eingeholt werden sollen. Der Gastronomie steht ein langer, trister Winter bevor.