Erfurt. In ihrem neuen Buch „Die schönsten Abgründe des Alltages“ nimmt die gebürtige Erfurterin Franziska Wilhelm den Leser mit auf skurrile Abenteuertrips durch die kleinen Kämpfe des Lebens. Am 4. April ist die Autorin bei der „Erfurter Frühlingslese“. Vorab sprachen wir mit ihr.

„Die schönsten Abgründe des Alltags“ ist das neue Buch von Franziska Wilhelm betitelt. Mit der Autorin, die in Erfurt geboren wurde und in Leipzig lebt, sprachen wir.

Was hat Sie veranlasst, ein Buch über den alltäglichen Wahnsinn zu schreiben?

In meinem Buch sind viele Sachen vereint, die mich im Alltag auf die Palme bringen oder mal auf die Palme gebracht haben. Mit dem Schreiben habe ich diese Dinge verarbeitet.

Welche Quellen der Inspiration gibt es noch?

Vor allem die Erfahrungen von Freunden und Bekannten sind immer sehr hilfreich. Wenn sie etwas erlebt oder gehört haben, das sie aufregt, kommen sie und erzählen mir davon. Da werde ich gut mit Geschichten versorgt. Natürlich achtet man auch darauf, was im Alltag um einen herum geschieht. Es sind Geschichten aus dem Leben, aus dem Hier und Jetzt, die auch ein Abbild der Zeit sind, in der wir leben. Aktuelle Geschehnisse politischer oder gesellschaftlicher Natur spielen natürlich auch in die Geschichten rein und werden mit persönlichen Erlebnissen zusammengebracht.

Es geht als auch um Gesellschaftskritik. Haben Sie das Gefühl, dass die alltäglichen Kämpfe des Lebens durch bestimmte gesellschaftliche Strukturen und Erwartungen manchmal noch schwieriger werden?

Auf jeden Fall! Meine Geschichten an sich sind humoristische Erzählungen, die auch mit einer gewissen Leichtigkeit daher kommen. Doch in Anlehnung an das schlaue Sprichwort „Humor ist Wahrheit und Schmerz“ steckt hinter jedem Witz oder jeder humoristischen Geschichte natürlich auch eine Wahrheit, die manchmal schwierig sein kann, zum Beispiel die Verlockungen der Konsumgesellschaft oder die Privatisierung des Gesundheitssystems. Es gibt sozusagen einen ernsten Unterboden unter der humoristischen Leichtigkeit meiner Erzählungen.

Bei der Lektüre erkennt der Leser, dass er dem alltäglichen Wahnsinn nicht allein gegenübersteht, sondern andere Menschen mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Das ist wie Balsam für die Seele. Ist Ihr Buch in diesem Sinne auch eine Art Ratgeber oder Selbsthilfebuch?

Viele Geschichten daraus sind unter anderem für die „Lesebühne Schkeuditzer Kreuz“ in Leipzig entstanden. Dort tragen verschiedene Autoren einmal im Monat ihre Texte vor. Ich bezeichne das gerne als die größte Therapiegruppe der Stadt, denn dort sprechen wir genau diese alltäglichen Themen an. Eines davon ist der Kampf mit Motten in der Wohnung, wie er auch im Buch beschrieben wird. Ich glaube, in allen Altbauten, egal ob in Leipzig oder in Erfurt, ist das ein schwieriges Thema mit dem viele Leute zu kämpfen haben. Da merkt man schon, dass man bestimmte Nerven trifft und viele Sachen erzählt, mit denen sich andere Leute auch herumschlagen. Auf das Buch „Die schönsten Abgründe des Alltags“ werde ich besonders oft angesprochen, weil jeder darin eine Geschichte findet, in der er sich wiedererkennt.

Seit vielen Jahren treten Sie mit Ihren Texten auch als Poetry-Slammerin auf. Was zeichnet dieses literarische Veranstaltungsformat aus?

Beim Poetry-Slam treten Autoren im direkten Wettstreit gegeneinander an. Am Ende stimmt das Publikum ab und einer gewinnt. Es gibt dabei relativ strenge Regeln, zum Beispiel ein Zeitlimit. Thematisch ist man aber nicht festgelegt, sondern völlig frei. Viele Leute denken bei Poetry Slam vor allem an rhythmische Texte, die in Reimen gesprochen werden, ähnlich wie beim Rap. Eine Besonderheit der deutschen Poetry-Slam-Szene ist jedoch auch die Tradition des Storytellings, also des humoristischen Geschichtenerzählens. Zu dieser Gruppe zähle ich. Es ist beeindruckend, wie sich dieses Veranstaltungsformat Poetry-Slam in Deutschland entwickelt hat und wie es sich immer weiter ausdifferenziert hat. Die Szene wächst immer weiter und ist wirklich eine Gemeinschaft. Wir nennen das die „Slamily“, also die Slam-Family, die über die Jahre entstanden und zusammengewachsen ist.

Mittlerweile leben Sie in Leipzig, ursprünglich stammen Sie jedoch aus Erfurt. Am 4. April stellen Sie Ihr Buch im Rahmen der Erfurter Frühlingslese in der alten Heimat vor und halten eine „Abgründelesung“. Was erwartet die Besucher?

Ich werde versuchen, Geschichten herauszupicken, die noch in meiner Erfurter und Thüringer Zeit entstanden sind. Außerdem wird es einen Teil geben, bei dem die Besucher auswählen dürfen, welchen alltäglichen Abgrund sie gerne mal als Geschichte hören würden. Es wird einfach ein rundum lustiger und unterhaltsamer Abend, denke ich.

  • Zur Person: Franziska Wilhelm wurde 1981 in Erfurt geboren. Nach dem Abitur jobbte sie ein Jahr in London und studierte Kommunikations- und Medienwissenschaft in Leipzig und Madrid. Mit ihren meist skurrilen Geschichten hat sie bereits mehrere Literaturpreise und Stipendien gewonnen. Heute lebt die Autorin, Moderatorin und Poetry-Slammerin in Leipzig.
  • „Abgründe-Lesung“ mit Franziska Wilhelm zur Erfurter Frühlingslese am 4. April um 19.30 im Haus Dacheröden in Erfurt. Tickets für 10 Euro, ermäßigt für 8 Euro, sind an der Abendkasse oder im Vorverkauf erhältlich unter www.ticketshop-thueringen.de