Erfurt. Am 20. Oktober erscheint nach 18 Jahren das erste Studioalbum mit eigenen Songs der Rolling Stones. Wir durften vorher reinhören – und führen durch die zwölf Songs.

Die Spannung steigt: „Hackney Diamonds“, das erste Album der Rolling Stones mit eigenen Songs seit 18 Jahren, erscheint am Freitag, 20. Oktober. Es ist außerdem die erste Platte seit dem Tod von Gründungsmitglied und Schlagzeuger Charlie Watts im Jahr 2021. Im Vorfeld sorgte auch die illustre Riege der Gastmusiker für Furor - von Lady Gaga bis zu einem Ex-Beatle. Hier lesen Sie, wie gut die Songs wirklich sind.

„Angry“

Das Gitarrenriff schneidet wie ein Blitz durch die schwüle Luft, die Drums bollern muskulös und angriffslustig. Der neue Schlagzeuger Steve Jordan macht seine Sache gut. Der Refrain verfängt sofort. Mick Jaggers Stimme ist präsent wie eh und je, vielleicht ein bisschen zu sehr, durch Effekte und Filter gepitscht. Die Stones waren ja immer an neuen Sounds und Techniken interessiert, siehe einst die Hip-Hop-Referenzen in „Anybody seen my Baby“. Und dennoch: Was für eine erste Single! Was für ein Album-Opener! Mehr muss man nicht sagen.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

„Get close”

Mit geschmeidig-athletischem Samba-Groove geht es in den zweiten Song, der dann doch mehr London-Town-Rock ist statt Copa-Cabana-Feeling. Für Retro-Gefühle sorgt der Einsatz eines Saxophons. Elton John sitzt am Klavier, fällt aber nicht weiter auf.

Das Cover von
Das Cover von "Hackney Diamonds", dem neuen Album der Rolling Stones. © Polydor/Universal

„Depending on you“

Das Tempo wird gedrosselt, die erste Ballade biegt um die Ecke. Oder ist es doch eher ein Midtempo-Song? Die Streicher halten sich dezent im Hintergrund, die Slide-Gitarre wimmert diskret. Kein neues „Out of Tears“, aber auch kein Qualitätsabfall.

„Bite my Head off“

Für einige Fans dürfte dieser Song pure Blasphemie sein: Den Bass spielt Ex-Beatle Paul McCartney. Die alten Herren verbannen mit ihrem Zusammenspiel den uralten herbeigeredeten und -geschriebenen Mythos von der Feindschaft beider Bands, der immer eher eine gesunde Konkurrenz war, indes die Popkultur geprägt hat, siehe Blur versus Oasis oder Star Wars versus Star Trek. Das Gipfeltreffen im Studio ist gelungen: Die Stones haben lange nicht so heftig gerockt, Jagger lange nicht mehr so inbrünstig gegreint. Der härteste, punkigste Song des Albums.

Das neue Album der Rolling Stones

Ein neues Album bedeutet auch ein neues Logo: Für
Ein neues Album bedeutet auch ein neues Logo: Für "Hackney Diamonds" haben die Rolling Stones den typischen Mund mit Zunge neu gestalten lassen. © Universal | The Rolling Stones
Entworfen hat das Logo die junge Digital-Illustratorin Alina Palmira, die für Medien wie Vice, Vogue oder die New York Times gearbeitet hat sowie für Firmen wie Nike oder Gucci. Von ihr stammt auch das Cover des neuen Albums
Entworfen hat das Logo die junge Digital-Illustratorin Alina Palmira, die für Medien wie Vice, Vogue oder die New York Times gearbeitet hat sowie für Firmen wie Nike oder Gucci. Von ihr stammt auch das Cover des neuen Albums "Hackney Diamonds". © Polydor/Universal
Von der Stammbesetzung der Rolling Stones sind noch (von links) Ronnie Wood, Mick Jagger und Keith Richards aktiv.
Von der Stammbesetzung der Rolling Stones sind noch (von links) Ronnie Wood, Mick Jagger und Keith Richards aktiv. © Mark Seliger
Ronnie Wood, Keith Richards and Mick Jagger haben ihr Album
Ronnie Wood, Keith Richards and Mick Jagger haben ihr Album "Hackney Diamonds" bei einem großen Event am 6. September 2023 in London angekündigt. © Hogan Media/Shutterstock | Dave Hogan
Die Veranstaltung wurde online übertragen, viele Medien berichteten auch vor Ort.
Die Veranstaltung wurde online übertragen, viele Medien berichteten auch vor Ort. © Hogan Media/Shutterstock | Dave Hogan
Mick Jagger, Ronnie Wood and Keith Richards posieren in London mit Jimmy Fallon (2. von rechts), der das Event moderierte.
Mick Jagger, Ronnie Wood and Keith Richards posieren in London mit Jimmy Fallon (2. von rechts), der das Event moderierte. © Hogan Media/Shutterstock | Dave Hogan
Ronnie Wood, Keith Richards and Mick Jagger Produzent von
Ronnie Wood, Keith Richards and Mick Jagger Produzent von "Hackney Diamonds" haben mit Andrew Watt (nicht im Bild) einen neuen Produzenten. Der 33-jährige US-Amerikaner arbeitete bereits mit Miley Cyrus, Justin Bieber, Post Malone, Ed Sheeran, Ozzy Osbourne, Elton John, Eddie Vedder und Iggy Pop. © Hogan Media/Shutterstock | Dave Hogan
Die drei Musiker plauderten in London über das Album, das am 20. Oktober veröffentlicht wird. Der Einfluss von Produzent Andrew Watt auf den modernisierten Sound der Band, vor allem bei Schlagzeug und Gitarren, ist deutlich hörbar und er reicht tief: Auch bei den Songs hat er mitgeschrieben. Watt ergänzt bei drei der zwölf Tracks des 24. Stones-Albums das klassische Songwriter-Team Jagger/Richards.
Die drei Musiker plauderten in London über das Album, das am 20. Oktober veröffentlicht wird. Der Einfluss von Produzent Andrew Watt auf den modernisierten Sound der Band, vor allem bei Schlagzeug und Gitarren, ist deutlich hörbar und er reicht tief: Auch bei den Songs hat er mitgeschrieben. Watt ergänzt bei drei der zwölf Tracks des 24. Stones-Albums das klassische Songwriter-Team Jagger/Richards. © Hogan Media/Shutterstock | Dave Hogan
Keith Richards Mick Jagger and Ronnie Wood backstage bei dem Event in London. Der Bass ist seit dem Ausstieg von Bill Wyman Anfang der Neunzigerjahre eine Stelle in Dauervakanz bei den Stones. Auf
Keith Richards Mick Jagger and Ronnie Wood backstage bei dem Event in London. Der Bass ist seit dem Ausstieg von Bill Wyman Anfang der Neunzigerjahre eine Stelle in Dauervakanz bei den Stones. Auf "Hackney Diamonds" spielt aber nicht Tour-Bassist Darryl Jones das Instrument. Neben Gastspielen von Paul McCartney und Bill Wyman teilen sich Produzent Andrew Watt sowie Keith Richards und Ronnie Wood die Arbeit an den tiefen Saiten. © Hogan Media/Shutterstock | Dave Hogan
Die Rolling Stones gehen immer noch auf Tour. Am 27. Juli 2022 spielten Mick Jagger (Mitte) , Keith Richards (rechts) und Ronnie Wood (links) in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen vor 45.000 Zuschauern.
Die Rolling Stones gehen immer noch auf Tour. Am 27. Juli 2022 spielten Mick Jagger (Mitte) , Keith Richards (rechts) und Ronnie Wood (links) in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen vor 45.000 Zuschauern. © FUNKE Foto Services | Ilja Höpping
Das Konzert spielten die Stones im Rahmen ihrer „Sixty“-Tour. Im Bild: Keith Richards (rechts) und Ronnie Wood (links).
Das Konzert spielten die Stones im Rahmen ihrer „Sixty“-Tour. Im Bild: Keith Richards (rechts) und Ronnie Wood (links). © FUNKE Foto Services | Ilja Höpping
Als Intro zum Konzert wurde der 2021 verstorbene Drummer Charlie Watts mit einem Video geehrt.
Als Intro zum Konzert wurde der 2021 verstorbene Drummer Charlie Watts mit einem Video geehrt. © FUNKE Foto Services | Ilja Höpping
Bisher gibt es noch keine neuen Tourdaten, die Band kündigte aber an, auch mit
Bisher gibt es noch keine neuen Tourdaten, die Band kündigte aber an, auch mit "Hackney Diamonds" Konzerte geben zu wollen. © FUNKE Foto Services | Ilja Höpping
Mick Jagger, Sänger der Rolling Stones, ist am 26. Juli 2023 80 Jahre alt geworden.
Mick Jagger, Sänger der Rolling Stones, ist am 26. Juli 2023 80 Jahre alt geworden. © Mark Seliger
Keith Richards (vorn) wird im Dezember 80 Jahre alte. Auf dem Bild ist er mit Ronnie Wood zu sehen bei einem Auftritt der Rolling Stones im Juni 2022 während des
Keith Richards (vorn) wird im Dezember 80 Jahre alte. Auf dem Bild ist er mit Ronnie Wood zu sehen bei einem Auftritt der Rolling Stones im Juni 2022 während des "British Summer Time"-Festivals im Hyde Park in London auf der Bühne. © dpa | Ian West
Mick Jagger und Melanie Hamrick, Choreografin aus den USA, besuchen am 20. September 2023 das Staatsbankett im Schloss von Versailles während des Staatsbesuchs des britischen Königs Charles III in Frankreich.
Mick Jagger und Melanie Hamrick, Choreografin aus den USA, besuchen am 20. September 2023 das Staatsbankett im Schloss von Versailles während des Staatsbesuchs des britischen Königs Charles III in Frankreich. © dpa | Christophe Ena
2003 wurde Jagger zum Ritter geschlagen und darf sich seitdem Sir nennen. Termine wie das Staatsbankett in Frankreich (Foto) gehören deshalb zu seinem Lebenswandel.
2003 wurde Jagger zum Ritter geschlagen und darf sich seitdem Sir nennen. Termine wie das Staatsbankett in Frankreich (Foto) gehören deshalb zu seinem Lebenswandel. © Getty Images | Daniel Leal/Pool
Die Rolling Stones 2023 (von links): Ronnie Wood, Mick Jagger und Keith Richards.
Die Rolling Stones 2023 (von links): Ronnie Wood, Mick Jagger und Keith Richards. © Mark Seliger
1/18

„Whole wide World“

Etwas, dem man auf dieser Platte öfter begegnet: Die Gitarren klingen verdächtig nach den Foo Fighters. Auch das ist kein Einzelfall: Der Refrain hat enorme Mitsing-Qualitäten. Vor dem Streaming-Zeitalter hätte man gesagt: Könnte eine der nächsten Singles werden.

„Dreamy Skies“

Keith Richards und Ronnie Wood packen nach „Depending on you“ erneut die Silde-Gitarren aus. Derlei Country-Blues-Balladen gehören fest zum Repertoire der Stones, man denke nur an „Wild Horses“. Im Sound des Albums ist der Track ein Bruch, beendet aber passabel die erste LP-Seite. Die Zeit wird uns vielleicht eines Besseren belehren, doch Stand jetzt: Schwächster Song des Albums.

„Mess it up“

In den Siebzigerjahren wäre dieses Lied ein Hit geworden. Es erinnert nicht von ungefähr an die Disco-Phase der Stones, siehe „Miss You“ oder „Emotional rescue“. Die Gitarren schillern funky, als hätte Nile Rodgers von Chic persönlich mit im Studio gestanden. Und es ist eines von zwei Stücken, die Charlie Watts vor seinem Tod noch eingespielt hat – mit einem unglaublichen straighten Schlagzeugbeat. Der 80-jährige Mick Jagger bemüht sogar kurz seinen Falsettgesang, ein Gänsehautmoment. Prädikat: Absolut tanzbar.

„Live by the Sword“

Der nostalgischste – und für Fans wehmütigste – Track des Albums. Die Rolling Stones spielen ein letztes Mal mit den Gründungsmitgliedern Charlie Watts und Bill Wyman, der 1993 ausgestiegen ist, für den Song aber noch mal seinen Bass im Studio einstöpselte. Elton John gesellt sich abermals am Piano dazu. Mick Jagger imitiert in der ersten Strophe Iggy Pop, ansonsten ein typischer Stones-Song.

„Driving me too hard“

Haben wir eben das Wort „typisch“ in den Mund genommen? Dieses Stück verkörpert noch markanter die Stones-DNA späterer Prägung. Hätte auch gut auf „Steel Wheels“, „Voodoo Lounge“ oder ein Solo-Album Jaggers gepasst.

„Tell me straight“

Der obligatorische und typische Keith-Richards-Song auf einem Stones-Album. Die Stimme des Gitarristen, der am 18. Dezember seinen 80. Geburtstag feiert, klingt in dem melancholischen Song klarer und pointierter als auf dem Vorgängeralbum „A Bigger Bang“ von 2005. Ob auch hier technisch nachgebessert wurde? Trotzdem irgendwie (be-)rührend.

„Sweet Sounds of Heaven“

The Rolling Stones goes Gospel. Auf der zweiten Vorabsingle des Albums schunkeln sich Jagger und Co. mit reichlich Blues-Feeling in sakrale Gesangshöhen. Gastsängerin Lady Gaga begleitet stimmgewaltig, die schon vor Jahren live dem Frontmann Paroli geboten hat, dokumentiert auf dem Konzertmitschnitt „Grrr Live!“. Stevie Wonder sorgt an den Tasten fürs Kirchenschifffeeling. Ein sich stetig steigernder Album-Höhepunkt mit Bläsersektion, der fast nicht aufhören will.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

„Rolling Stone Blues“

Die Zugabe: Jagger und Richards covern nur mit Gesang, Gitarre und Mundharmonika ein Stück von Muddy Waters, das laut Legende Pate für die Namensgebung der Band stand. Mick Jagger hat bereits ein weiteres Stones-Album angekündigt; bleibt „Hackney Diamonds“ aber doch das letzte Werk der Band: Die Blues-Nummer wäre ein passender Abschluss dieser Karriere.

Anzeige

The Rolling Stones - "Hackney Diamonds" bestellen:

Bei Amazon: Als CD-Version (Digi-Pack)* oder als CD-Version (Jewelcase)* oder als CD und Blu-Ray* oder als Vinyl-Version* oder als farbiges Vinyl (Clear Green, exklusiv bei Amazon)*.

Bei JPC: Als CD-Version (Digi-Pack)* oder als CD-Version (Jewelcase)* oder als CD und Blu-Ray* oder als Vinyl-Version* oder als farbiges Vinyl (Fuchsia, exklusiv bei JPC)*.

Bei Thalia: Als CD-Version (Digi-Pack)* oder als CD-Version (Jewelcase)* oder als CD und Blu-Ray* oder als Vinyl-Version*.

Fazit: Den Rock’n’Roll-Helden ist ein Album ohne Füllmaterial gelungen, was man nicht von jeder Stones-Platte seit den 80er-Jahren behaupten kann. Das aufgemotzte Klangbild, die Präsenz von Jaggers Stimme und der Gitarren lässt schnell vergessen, dass die beiden Bandleader an die 80 Jahre alt sind.

Der Bombastsound folgt dem Zeitgeist, steht der Band aber gut. Diese setzt der präsenten Produktion etwas Sessioncharakter entgegen: Es gibt vereinzelt Einzählungen vor den Songs und Studiogeräusche/-gespräche am Ende. Gewöhnungsbedürftig: Die Gitarren-Licks von Keith Richards klingen nicht mehr brüchig und zerfasert, sondern auf den Punkt.

Größtes Lob: Man kann, nein man will „Hackney Diamonds“ ohne Einschränkungen durchhören, teils auch durchtanzen – und will die Platte danach erneut auflegen.

*Der Artikel enthält sogenannte Affiliate-Links. Die verlinkten Angebote stammen nicht vom Verlag. Wenn Sie auf so einen Affiliate-Link klicken und über diesen Link einkaufen, erhält die Funke Digital GmbH eine Provision von dem betreffenden Onlineshop. Für Sie als Nutzer:innen verändert sich der Preis nicht, es entstehen Ihnen hierdurch keine zusätzlichen Kosten. Die Einnahmen tragen dazu bei, Ihnen hochwertigen, unterhaltenden Journalismus kostenfrei anbieten zu können.