Erfurt/Rudolstadt. Das Vorhaben, ein Unesco-Welterbe-Label für die Thüringer Schlösserwelt zu beantragen, ist jetzt bereits auf nationaler Ebene gescheitert. Trotzdem hält die Landesregierung daran fest.

Bitterer Rückschlag für hiesige Denkmalschützer: Die Thüringer Residenzenlandschaft hat es nicht auf die Vorschlagsliste für die begehrte Aufnahme ins Unesco-Weltkulturerbe geschafft und ist damit vorerst an der ersten großen Hürde auf nationaler Ebene gescheitert. Dennoch hält die Landesregierung an dem Vorhaben fest, wie der zuständige Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) sogleich betonte. Allerdings wird sich das Verfahren nun erheblich verzögern.

Vor zehn Jahren hatte die Kultusministerkonferenz (KMK) zuletzt eine sogenannte Tentativliste erstellt, und nun hat sie in einer Sondersitzung eine neue, priorisierte Auswahl getroffen, für welche deutschen Kulturstätten künftig bei der Unesco in Paris Aufnahmeanträge zu stellen sind. Als Grundlage dafür diente die ausführliche Stellungnahme einer internationalen Expertenkommission. Auf Platz eins schaffte es die Waldsiedlung Zehlendorf als Erweiterung der Welterbestätte ‚Siedlungen der Berliner Moderne‘“. Die „Fundstätte der Schöninger Speere“ in Niedersachsen auf Platz zwei zeigt 300.000 Jahre alte Jagdrelikte aus der Altsteinzeit, auf Platz drei gilt das 1875 in Betrieb genommene „Pretziener Wehr“ (Sachsen-Anhalt) als vorbildhafte technische Vorkehrung zur Elbregulierung. Außerdem schafften es „Europäische Großbogenbrücken des 19. Jahrhunderts“, „Keltische Machtzentren der älteren Eisenzeit“, der „Fernsehturm Stuttgart“ und der „Olympiapark München“ auf die neue nationale Liste.

Die Erfurter haben jahrzehntelang beharrlich an ihrem Antrag gefeilt

Viele andere Vorschläge hatten das Nachsehen. Das Thüringer Scheitern kommentierte Minister Hoff mit relativer Gelassenheit und in dem Wissen, dass eine beharrliche Profilschärfung sich oft auszahlt: Etwa das Antragsverfahren für das „Jüdisch-Mittelalterliche Erbe in Erfurt“, das vor wenigen Wochen in den erlesenen Kreis der Unesco-Welterbestätten Aufnahme fand, hat gut 20 Jahre erfordert. Hoff: „Die Thüringische Residenzkultur ist in ihrer Vielfalt und Dichte herausragend. Als Zeugnis friedlicher Koexistenz und föderaler Aushandlungsprozesse birgt sie eine wichtige Botschaft für die Krisen der Gegenwart.“

Doris Fischer, Direktorin der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (Rudolstadt), ergänzte: „Wir sind sicher, dass wir für Thüringen einen Schatz heben, der bisher zu Unrecht wenig beachtet wurde.“ Schon jetzt erkennt sie positive Effekte für die hiesige Schlösserwelt, etwa das gesteigerte Bewusstsein in der Bevölkerung für die identifikatorische Kraft dieses prägenden Kulturerbes sowie eine intensivere Forschung. Fischer und ihr Team hatten den Antrag inhaltlich erarbeitet und sahen gleich drei Kriterien für einen „outstanding universal value“ (herausragenden universellen Wert) erfüllt.

Schlösser sind auf der Unesco-Liste überrepräsentiert

Die Expertenkommission sah sich freilich davon nicht überzeugt. Die kleinräumig polyzentrische, friedliche Konkurrenz der thüringischen Herzogtümer über fünf Jahrhunderte hinweg stelle noch keinen herausragenden Wert dar, moniert sie in ihrem Abschlussbericht. Ferner kritisiert sie die Auswahl der neun Hauptresidenzen – in Gotha, Altenburg, Weimar, Meiningen, Sondershausen, Rudolstadt sowie das Obere und das Untere Schloss in Greiz und Schloss Ehrenburg in Coburg – und hält deren architekturhistorische Bedeutung für nachrangig. Außerdem seien Schlösser und Gärten in der Welterbeliste bereits deutlich überrepräsentiert.

In Thüringen tragen neben dem Jüdisch-Mittelalterlichen Erbe in Erfurt längst die Wartburg, das Klassische Weimar und die Weimarer Bauhausstätten ein Weltkulturerbe-Label, der Hainich mit seinen Buchenurwäldern zählt zum Weltnaturerbe.

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