Jena. Vermummte brennen Bengalos auf Balkon ab. Ein Bekennervideo einer Gruppe namens „Pain of Jena“ kursiert im Netz. Dezernent kritisiert die Aktion einer Werbeagentur.

Ein vermummter Mann, eine elektronische verzerrte Stimme und ein Logo, das an die bekannten Guy-Fawkes-Gesichtsmasken der Anonymous-Aktivisten erinnert: Was aus einem Fernsehserien-Hit entsprungen sein könnte, ist scheinbar ein Angriff auf die Sparkasse Jena.

Eine Gruppe namens „Pain of Jena“ kapert ausgerechnet am Weltspartags die Sozial-Media-Kanäle der Bank. Klingt zu gut, um wahr zu sein? Stimmt. Die Sparkasse hat offenbar zum Weltspartag einen PR-Gag zünden wollen. Teile der Öffentlichkeit und auch wir als Redaktion fallen zunächst darauf rein.

Polizei meldet Vorfall nicht

Brückentag! Da liegt es nahe, dass der Vorstand sich nicht zu Wort meldet. Die entsprechende Mail landet um 14.37 Uhr in unserem Postfach und stammt nur vom Abteilungsleiter Betriebsmanagement. Dass im Polizeibericht der Vorfall nicht auftaucht, auch das schiebt die Redaktion auf den Brückentag.

Nach Angaben der Sparkasse hätten sich die Unbekannten nicht nur Zugang zur Hauptfiliale im Zentrum von Jena sowie zehn weiteren Filialen verschafft. Die Gruppe „Pain of Jena“ – abgekürzt „pofjen“ hat offenbar auch die Facebook- und Instagram-Kanäle des Kreditinstitutes übernommen. Sie posten zum Beispiel auf Facebook schwarze Bilder, die lediglich mit dem Hinweis @pofjen und dem Hashtag #painofjena versehen waren.

Ein Zusammenhang zu diversen rot eingehüllten Parkbänken mit der Aufschrift „Bank“ in und um Jena (hier am Holzmarkt) kann bisher nur vermutet werden.
Ein Zusammenhang zu diversen rot eingehüllten Parkbänken mit der Aufschrift „Bank“ in und um Jena (hier am Holzmarkt) kann bisher nur vermutet werden. © Thorsten Büker

Auf dem Instagram-Account der Gruppe sind mehrere Videos zu sehen: Vier vermummte Gestalten brennen auf dem Balkon Bengalos ab. Ein Bekennervideo zeigt zudem einen vermummten Mann mit Hoodie, dessen Stimme elektronisch verzerrt ist. „Wo bleibt die Transparenz, wenn es um wichtige Dinge geht? Unsere Heimat, die Welt um uns herum, digitaler Fortschritt.“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Instagram, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Um 17.02 Uhr erreicht uns dann ein Hinweis. Angeblich sei der Angriff auf die Sparkasse eine Marketing-Aktion der Agentur „Jung & Billig“ aus Bremen. Und einer der ersten Follower der Instagram-Seite sei einer der Inhaber. Tatsächlich taucht auf der Instagram-Seite ein Lars Kümmertsich auf, der als Lars Klimmeck einer von zwei Geschäftsführern der Bremer Werbeagentur ist.

Rabich verteidigt Kampagne

Überhaupt passen die Follower nicht in das Bild von jenen Menschen, die eine bankenkritische Attacke dieser Art gutheißen würden: Die Sparkasse-Filiale in Hermsdorf findet den Auftritt nämlich genau so gut wie der Jenaer Kundenservice. Ganz normale Menschen also, keine Radikalen. Ein Anruf bei der Agentur bringt keine weiteren Erkenntnisse. Dort nimmt niemand ab.

Vom Vorstand der Sparkassen erreichen wir zunächst niemanden. Aber dafür um 17.56 Uhr OB Thomas Nitzsche (FDP), der zugleich Vorsitzender des Verwaltungsrates ist. Nein, von einer derartigen Aktion sei ihm nichts bekannt. Wenn es ein PR-Gag gewesen sei, habe man ihn nicht informiert.18.06 Uhr: Besagter Abteilungsleiter Betriebsmanagement hört auf den Namen Matthias Genz und bestätigt indirekt eine PR-Aktion, die Experten als Guerilla-Marketing bezeichnen.

Das ist vielleicht lustig und kreativ, man fällt nur nicht gerne darauf rein. „Wir wollten Aufmerksamkeit erzeugen“, sagt der Vorsitzende des Sparkassen-Vorstandes, Michael Rabich, am Dienstagvormittag. „Wir sind keine Bank“, sagt er und spielt auf die Motive auf den Bannern an. Man sei als Sparkasse in der Region unterwegs, der Heimat verpflichtet und unterstütze diese. Die Guerilla-Aktion sei vor allem dazu gedacht, junge Menschen anzusprechen. Ob er – angesichts der am Montagnachmittag verbreiteten Unruhe noch hinter der Aktion stehe? Rabich, der in den „Bekennervideo“ in die Rolle des vermummten Aktivisten geschlüpft ist, beantwortet die Frage mit ja.

Allerdings würde er mit dem jetzigen Wissen die Medien vorab informieren. Fragen nach den Kosten der PR-Kampagne beantwortet der Vorstand nicht. Nur so viel: „Das war nicht teuer.“

Koppe: Völlig deplatziert

Scharf hat der Sicherheitsdezernent der Stadt am Dienstag reagiert. „Über eine solche Aktion erwarte ich als Vertreter der Stadt im Vorfeld informiert zu werden“, sagt Benjamin Koppe (CDU). Im Angesicht des Hamas-Terrors, des Krieges in der Ukraine und gewaltsamer Pro-Palästina-Demos mit aufflammendem Antisemitismus in Deutschland, dürfe man eine solche PR-Aktion sicherlich als deplatziert und instinktlos bezeichnen. Die Aktion der Sparkasse habe am Montag hohe Wellen geschlagen.