Jena. Die klassische dramatische Situation sei es, dass der Allgemeine Soziale Dienst nach Meldungen zu schlimmen Vorfällen eingreift - von blauen Flecken bis zu Verwahrlosungen. Die Pädagoginnen und Pädagogen sollen jedoch eher anfangen können, ehe der ASD gefragt ist.

Die Bewahrung des Kindeswohls soll nicht erst in den Vordergrund rücken, wenn es wirklich akut gefährdet scheint. Das ist die Idee eines Qualifizierungsprojekts für die Pädagogen-Teams in den Jenaer Kindergärten. Sandra Wiegand vom Fachdienst Jugend und Yvonne Hoyer-Bachmann vom Fachdienst Jugendhilfe koordinieren die besondere Weiterbildung, die mit Fördermitteln des Thüringer Bildungsministeriums finanziert wird.

In diesem Monat beginnt die zweite Pädagogen-Gruppe mit der Schulung, nachdem sich 2018 bereits 35 Jenaer Fachkräfte in das Thema eingearbeitet hatten - und dies unter Anleitung von Jörg Maywald, Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind.

Sandra Wiegand (r.) vom Fachdienst Jugend und Bildung und Yvonne Hoyer-Bachmann vom Fachdienst Jugendhilfe werben für die Kinderschutz-Weiterbildung, die vom Freistaat gefördert wird. Foto: Thomas Stridde
Sandra Wiegand (r.) vom Fachdienst Jugend und Bildung und Yvonne Hoyer-Bachmann vom Fachdienst Jugendhilfe werben für die Kinderschutz-Weiterbildung, die vom Freistaat gefördert wird. Foto: Thomas Stridde © zgt

Im ersten Schritt gehe es um fünf Fortbildungstage. „Wir wollen aber jedes Jahr eine Schulung anbieten, um an dem Thema permanent dran zu sein“, sagte Sandra Wiegand. Ein weiteres Ziel sei es, für jede Einrichtung eine Kinderschutzbeauftragte festzulegen. Auch solle es in jedem Haus einen „Kinderschutzordner“ geben, den man aus dem Regal nehmen könne, um sich der nächsten Handhabungen zu versichern.

Es ist keine Schande, sich frühzeitig Hilfe zu holen

Die klassische dramatische Situation sei es doch, dass der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) eingreift auf Meldungen zu schlimmen Vorfällen mit Kindern hin - von den stetig registrierbaren blauen Flecken bis zu Verwahrlosungen. Die Pädagoginnen und Pädagogen sollen jedoch - wie Sandra Wiegand formulierte - „ganz weit vorne" anfangen können, ehe der ASD gefragt ist; sie sollen sensibilisiert werden für Alltagssituationen, sollen ihren Blick für Details und ihre Kompetenz schulen, sagte Yvonne Hoyer-Bachmann. Die Ansatzpunkte, um frühzeitig an Gefährdungen des Kindeswohls zu denken, sind nach Sandra Wiegands Einschätzung ungemein vielfältig. Das reiche vom fehlenden Frühstück bis zu den Sandalen im Winter. Manchmal, so sagte Yvonne Hoyer-Bachmann, seien es auch die stillen, braven Kinder, die große Probleme mit sich tragen, „und nicht unbedingt die, die über Tische und Bänke laufen“.

Sandra Wiegand und Yvonne Hoyer-Bachmann betonten, dass die Teams so niedrigschwellig wie möglich Angebote unterbreiten können sollen - bis hin zum Rat, wohin sich Muttis wenden können, wenn sie ein Schrei-Baby daheim haben. Ebenso ein Klassiker sei es, besonderes Augenmerk auf Kinder zu richten, deren Eltern in Scheidung liegen, sagte Yvonne Hoyer-Bachmann. Es sei für Eltern keine Schande, sich frühzeitig Hilfe zu holen. „Erzieherinnen müssen sich wiederum auch trauen: Wie sag ich es den Eltern?“ Wie Sandra Wiegand erläuterte, werden dazu in den Schulungen mehrerlei Gesprächstechniken vermittelt.

Aus Yvonne Hoyer-Bachmanns Sicht ist es ebenso wichtig, den Pädagogen vorhandene Angebotsstrukturen zu veranschaulichen. So ist seit 2012 auch in Jena ein Netzwerk der „frühen Hilfe“ aufgebaut worden.

Das Spektrum reicht von der „Praktischen Hilfe nach der Geburt“ (einem Projekt der Bürgerstiftung) bis zur Kinder- und Jugendpsychiatrie, der Frühförderstelle oder dem Erstbesuchsdienst nach der Geburt.