Erfurt. Der Entschluss zu einem Studium stellt Abiturienten vor eine besondere Herausforderung: Das korrekte wissenschaftliche Arbeiten.

Dennis Schmidt hat sich ein ruhiges Plätzchen auf der Campuswiese der Universität Erfurt gesucht. Trotz strahlenden Sonnenscheins ist an Entspannung an diesem Nachmittag jedoch nicht zu denken.

Der 23-Jährige studiert im 4. Semester Förderpädagogik und Literaturwissenschaft. Bisher erbrachte er seine Prüfungsleistungen vor allem in Form von Klausuren und Referaten. Nun steht die erste Seminararbeit an und bereitet Kopfzerbrechen: „Zwar gab es im ersten Semester eine obligatorische Überblicksvorlesung zu den theoretischen Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens, doch wenn es an das praktische Schreiben geht, ist das noch mal etwas ganz anderes.“

Viele Studenten in ähnlichen Situationen versuchen sich mithilfe des Internets durchzumogeln und übernehmen veröffentlichte Inhalte anderer Personen ohne Kennzeichnung. „Der überwiegende Teil solcher Täuschungsversuche umfasst wortwörtlich oder paraphrasierend zitierte Textpassagen ohne Angabe des Autors oder der Quelle“, sagt Susanne Rau, Historikerin und Professorin an der Universität Erfurt.

Aber nicht nur fremdes Gedankengut könne plagiiert werden: „Reicht man eine bereits benotete Seminararbeit ein zweites Mal ein, liegt sogar ein Eigenplagiat vor.“

Harte Strafen als Konsequenz

Aber auch die Dozenten wissen die moderne Technik für sich zu nutzen. An der Universität Erfurt steht ihnen die Plagiatssoftware Ephorus zur Verfügung, wie Susanne Rau erklärt: „Schriftliche Arbeiten werden als digitales Dokument per E-Mail eingereicht und zur Überprüfung in die Software hochgeladen, die den Text automatisch mit Milliarden Internetquellen abgleicht.“

Der Diebstahl geistigen Eigentums ist für die Hochschulen eine ernste Angelegenheit: „Da wir in der Wissenschaft ganz besonders um die Nachprüfbarkeit unserer Ergebnisse bemüht sein sollten, handelt es sich keinesfalls um ein Kavaliersdelikt“, sagt Susanne Rau. Je nach Ausmaß und Schwere des Einzelfalls werden Täuschungsversuche und Plagiate unterschiedlich geahndet. Bei geringfügigen Abweichungen von den Standards wissenschaftlichen Arbeitens bieten viele Dozenten den Studenten ein lösungsorientiertes Gespräch mit anschließender Überarbeitung des beanstandeten Textes an.

Bei schwerwiegenden Abweichungen können harte Strafen drohen, erklärt Diadoktorarbeit

na Rösler, Hochschulmanagerin der Hochschule für Gesundheit Gera: „Die Arbeit wird als nicht bestanden benotet, es gibt ein Gespräch und eine schriftliche Ermahnung.“ Im Wiederholungsfall drohe die zwangsweise Exmatrikulation.

Wird ein Plagiat erst nach Erwerb des Studienabschlusses erkannt, sehen die Prüfungs- und Promotionsordnungen den Entzug des akademischen Grades und die Rückgabe des Abschlusszeugnisses vor. Nach entsprechenden Untersuchungen der Einzelfälle können Plagiate auch arbeits-, zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Statistiken über die Häufigkeit von Täuschungen und Plagiaten werden an den Universitäten kaum geführt. Die Hochschule für Gesundheit Gera geht nach Angaben des Hochschulmanagements von etwa zwei nachgewiesenen Plagiaten pro Semester aus.

Die Dunkelziffer liege jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit weitaus höher: „Leider haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Plagiatssoftware nicht alles findet. Schwierig sind vor allem die Fälle des Ghostwritings, also das Schreiben eines Textes im Namen und Auftrag einer anderen Person. Hier sind uns bislang die Hände gebunden“, so Diana Rösler. An den Hochschulen sollen eigene Ethikrichtlinien und Ethikkommissionen die Umsetzung guter wissenschaftlicher Praxis gewährleisten, aber auch zur Vermeidung und Aufdeckung wissenschaftlichen Fehlverhaltens beitragen.

Umfassende Betreuung und Eigeninitiative

Eine umfassende Schulung und Betreuung sei laut Susanne Rau der beste Weg, Studenten für das Problem zu sensibilisieren. Dazu gehörten nicht nur obligatorische Veranstaltungen im Rahmen der Studienordnungen, sondern auch weiterführende Angebote der Bibliotheken und anderer universitärer Einrichtungen. Zudem werde jedem Studenten der Universität Erfurt ein Mentor als Ansprechpartner für alle Fragen rund um das Studium zur Seite gestellt.

Auch Dennis Schmidt macht sich auf verschiedenen Wegen für das wissenschaftliche Arbeiten fit, denn er hat große Angst, unwissentlich oder aus Versehen zu plagiieren.

Deshalb liest er Fachliteratur über die Methoden und Strategien wissenschaftlichen Schreibens und setzt zugleich auf den persönlichen Kontakt zu seinen Dozenten: „Ich versuche mich gut vorzubereiten, denn ich will am Ende nicht in Panik wegen der Hausarbeiten verfallen und möglicherweise Fehler machen, die hätten vermieden werden können.“