Berlin. . Der Reiseanbieter TUI sieht starke Zuwächse im Luxussegment. Im Trend: mehr und teurere Reisen. Über die Lobsterklasse im Tourismus.

Vielleicht hat alles mit der "Bucket-List" zu tun. Die aus dem Hollywood-Film "Das Beste kommt zum Schluss": Zwei Todkranke stellen am Krankenbett eine Liste der Dinge auf, die sie noch unbedingt erledigen wollen, bevor sie den Löffel abgeben. Vor allem eines: Reisen.

Die Bucket-List gibt es wirklich. "Definitiv", antwortet die Produktleiterin des Reiseveranstalters JourneyD.Luxe, Daniela Lemper. Die Leute kommen etwa ins Reisebüro von Bianka Straub in Kulmbach und listen der Geschäftsführerin von Luxus-Reisenprofi auf, was sie alles erleben wollen. Straub kennt Menschen, die fast jeden Monat eine Tour buchen.

Luxusurlaub: TUI-Chef sieht "starke Zuwächse"

Bei Airtours wird sich vielleicht Jörg Kästner um diese Kunden kümmern, ein "Private-Travel"-Designer. "Die Bucket-List ist in der Tat wichtig, bestätigt Aage Dünhaupt von TUI. In ihrem Reisebüro am Berliner Gendarmenmarkt haben die TUI-Mitarbeiter – als Inspiration – eine eigene Liste aufgestellt. Ganz oben: Inselhopping im Indischen Ozean, erste Station Bazaruto vor Mosambik.

"Im Luxussegment sehen wir starke Zuwächse“, sagte TUI-Deutschlandchef Stefan Baumert kürzlich bei einer Präsentation in Berlin. "So etwas ist natürlich kein Massenprodukt.“ Die Deutschen gönnten sich für ihren Urlaub etwas – den überall steigenden Kosten zum Trotz.

2022 zählte das Statistsche Bundesamt 78 Prozent mehr Reisen ins Ausland als 2021. Das waren immer noch 13 Prozent weniger als vor der Pandemie. In diesem Jahr dürfte die Zahl der Reisen mindestens das Vor-Corona-Niveau erreichen – für die Flugreisen galt das schon 2022. Und das, obwohl die Preise steigen und steigen. Im ersten Halbjahr 2023 waren sie nach Angaben der Wiesbadener Statistiker um fast 25 Prozent teurer als im Vorjahreshalbjahr.

Expertin über Luxus-Urlaube: "Heute schocken mich 100.000 Euro nicht"

Früher hat Daniela Lemper gestaunt, wenn jemand 10.000 Euro für einen Urlaub hingeblättert hat. "Heute schocken mich 100.000 Euro nicht." Und Bianka Straub kann jetzt schon absehen, dass sie ihren Umsatz gegenüber dem Vorjahr verdoppeln wird.

Als wir Kästner nach dem teuersten Abschluss fragen, erinnert er sich an eine Familie – drei Generationen –, die Weihnachten und Silvester auf den Malediven verbrachte. Das Familienoberhaupt blieb bis zum Schluss und bezahlte die Rechnung: Es waren 570.000 Euro. Flüge nicht inklusive.

Luxus im Urlaub: Igitt, wer will denn nach Rabatten fragen?

TUI muss man sich wie einen dreistöckigen Kuchen vorstellen. Unten ist das Massengeschäft. "Last Minute Sale. Jetzt bis zu 50 Prozent sparen", heißt es auf der Webseite. Im zweiten Stock ist Airtours. Da wirbt man weniger mit Preisen, mehr mit Luxusreisen- und Hotels. Im dritten Stock ist "Private Travel". Mit einem Etat von weniger als 5.000 Euro ist ein Kunde dort fehl am Platz.

Das Luxussegment ist aufwendig, anspruchsvoll, beratungsintensiv, aber für viele Spezialanbieter eine lukrative Nische. Die Reichen reisen schier um jeden Preis. Als wir Bianka Straub fragen, bei welcher Anfrage eines Kunden sie "Nein" sagt, antwortet sie: "Wenn er nach Rabatten fragt." Die Branche brummt. Bei JourneyD.Luxe bestand das Team zum Start vor fünf Jahren aus sieben Leuten, heute sind es fast 30.

Die Preise sind um einiges gestiegen; "extrem", wie Straub sagt. Die Schere gehe arg auseinander. Einige Leute geben unheimlich viel Geld aus, "da sprechen wir zwischen 10.000 und 100.000 Euro". Sie sei selbst erschrocken, wenn sie einem Kunden manchmal sagen müsse, dass ein Budget von 10.000 Euro nicht ausreiche.

Warum auf Morgen verschieben, wenn Du heute reisen kannst?

Der Trend ist eindeutig und setzte spätestens mit dem Ende der Corona-Krise ein. 2022 begannen die Touristen, Reisen nachzuholen, die sie während der Pandemie 2020 und 2021 stornieren und verschieben mussten oder gar nicht erst gebucht haben. Alle Fachleute, mit denen wir gesprochen haben, machen einen Nachholeffekt aus.

Die Vor-Corona-Umsätze sind längst erreicht. Die Frage ist, ob der Anstieg punktuell war, also ein Nachholprozess, oder ob es so weiter geht. Bianka Straub glaubt, dass Corona den Menschen gezeigt hat, dass man Wünsche besser nicht aufschieben sollte. Das passt zur Beobachtung, dass Ältere verstärkt nach Luxusreisen fragen. Sie haben das Geld, aber ihnen läuft die Zeit davon.

Luxus-Urlaub nach Corona: Die Leute arbeiten ihre Bucket-List ab

Es ist kein Zufall, dass gut 60 Prozent der Touristen bei JourneyD.Luxe die Malediven zum Ziel haben. Während der Rest der Welt noch abgeschottet war, öffnete der Inselstaat schon zum 15. Juli 2020 seine Grenzen. Manche Touristen blieben wochenlang, einige verlegten ihr HomeOffice dorthin. Aus einem ähnlichen Grund verkaufte 2022 "Private Travel" viele Reisen nach Kenia, Namibia, Tansania, Botswana oder Südafrika.

Gemein sind den meisten Luxusreisen der hohe Standard (5-Sterne-Hotels, allenfalls noch eine Lodge, die nicht klassifiziert werden kann), die fernen Sehnsuchtsorte – bei Private Travel ist Island das einzige Ziel in Europa – und die hohen Ansprüche. Angefangen bei der VIP-Abwicklung am Flughafen über den Limousinen-Service bis ins kleinste Detail. Wie soll die Minibar befüllt werden, wie hart oder weich soll das Kopfkissen sein, welcher Duftstoff im Raum darf es sein?

Mit dem Paraglider zum Check-In im Hotel

Wer im Hotel "Six Senses Zighy Bay" in Oman absteigt, kann konventionell von einem Chauffeur gefahren werden oder sein Gepäck aufgeben und per Paraglider zum Check-In einschweben, wie Straub erzäht. Fast alles lässt sich mit Geld arrangieren, mit viel Geld. Eine viertägige Ruanda-Reise inklusive Gorilla-Trecking ist bei JourneyDeLuxe ab 8.600 Euro zu haben. Daniela Lemper hat eine Anfrage nach einer Jagd in Afrika abgelehnt – nicht, weil es unmöglich gewesen wäre, sondern weil es ihr nicht korrekt erschien.

Ansonsten ist alles machbar: Eisbären in Hudson Bay beobachten, Kreuzfahrten vor Alaska und entlang der Galapagos-Inseln, Bhutan am Himalaya entdecken, Golf spielen in der VIP-Destination Los Cabos im Süden Mexikos, Hochzeit auf Sumba Island in Indonesien. Exklusivität muss freilich nicht immer mit eigenem Concierge, Jacht-Ausflug oder Hubschrauber-Flug verbunden sein.

Jeder sehnt sich nach was anderem. Manchmal besteht der Reiz darin, für sich allein zu sein: Das Robinson-Feeling auf einer Privatinsel in einer Villa mit Pool, das Essen Privatissimum auf der eigenen Terrasse serviert.

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Allein mit der Natur, aber trotzdem erstklassig versorgt: Das lassen sich immer mehr Touristen richtig viel Geld kosten. Luxusreisen sind sehr gefragt.
Allein mit der Natur, aber trotzdem erstklassig versorgt: Das lassen sich immer mehr Touristen richtig viel Geld kosten. Luxusreisen sind sehr gefragt. © dpa

Wofür man sich auch immer entscheidet, eines muss stimmen: der Service – 24 Stunden lang, sieben Tage die Woche, der Butler eigens über eine App erreichbar. Nüchtern betrachtet ist Exklusivität eine Frage des Serviceschlüssels. Ein Angestellter auf drei Gäste – das ist Luxus. Daniela Lemper nennt es das Rundum-Sorglos-Gefühl. Wenn sich das einstellt, buchen die Leute ein zweites Mal und erzählen es weiter. Die Branche lebt von Stammkunden und von der Mund-zu-Mund-Propaganda.

Anbieter von Luxus-Reisen: "Diese Branche ist ein Dorf"

Hinter jedem Angebot steckt eine Logistikkette, von den Luxus-Hotels über die Spezialagenturen bis zu den Reiseveranstaltern und am Ende das Reisebüro. Man kennt sich von den Luxusmessen, von der "ILTM" in Cannes oder "Pure" in Marrakesch, hat seine eigenen Magazine ("Luxusinsider") und Netzwerke, von denen Normalbürger vermutlich nie gehört haben und die Namen wie "Lobster Experience" tragen.

"Diese Branche ist ein Dorf", erzählt Daniela Lemper. Die Auswahl ist klein, fürs touristische Portfolio kommen neben Klassikern wie die Amalfi-Küste nur spezielle Orte in Frage – Orte, die noch nicht ihre Unschuld verloren haben. Heute Bazaruto, Morgen vielleicht St. Tome und Principe, wo der berühmteste Bankrotteur der Republik, Boris Becker, über Silvester ausspannte.

Becker bestätigt, dass das Leben auch den Reichen Zitronen gibt. Aber die machen nicht unbedingt Limonade daraus. Sie gönnen sich dazu lieber einen Lobster.