Erfurt. Der Tourismuschef in Thüringen, Christoph Gösel, will mehr Themen und Ereignisse als Reiseanlässe in den Freistaat ins Blickfeld rücken.

Seit 1. Januar 2023 ist Christoph Gösel Geschäftsführer der Thüringer Tourismus-GmbH (TTG) mit rund 60 Mitarbeitern. Wir sprachen mit dem 50-jährigen Familienvater über die gegenwärtige Situation und kommende Anforderungen.

Nach zwölf Monaten dürfte Ihre Probezeit beendet sein?

Ja. Mein Vertrag läuft jetzt bis 31. Dezember 2026.

Die TTG ist zwar eine landeseigene Gesellschaft, gebunden an das Wirtschaftsministerium. Aber nun können Sie doch richtig schalten und walten, mutige Entscheidungen treffen, den Tourismus nach vorn bringen?

Der Vertrag ist eine Botschaft des Aufsichtsrates an mich, dass man an mich glaubt. Und auch Vertrauen hat, dass ich etwas bewirken kann.

Bereits bei Ihrem Antritt hatten Sie gesagt, dass Sie einiges verändern wollen. Haben Sie?

Ich denke schon. Es gibt eine deutliche Frequenzerhöhung an Kontakten mit den Tourismusgesellschaften vor Ort, mit Kommunen, mit Bürgermeistern. Denn ohne dieses Miteinander geht es nicht. Zudem haben wir eine digitale Plattform geschaffen, in der die Tagungsmöglichkeiten im gesamten Freistaat aufgelistet sind. Die findet reichlich Anklang.

Noch bis 2025 läuft die Tourismusstrategie. Halten Sie an dieser fest?

Für die Strategie ist das Ministerium handlungsführend. Wir werden jetzt – wenige Monate vor den Wahlen, ein Jahr vor dem Auslaufen – grundlegend nichts ändern. Die vier Leitprodukte Rennsteig, Wartburg, die Städte Erfurt und Weimar haben Bestand. Doch wir müssen darüber hinaus die Strahlkraft erhöhen. Thüringen hat doch viel mehr zu bieten: Burgen, Schlösser, Gärten, tolle Möglichkeiten zum Radfahren oder Wandern, kulinarische Spezialitäten. All das gilt es, verbunden mit Reiseanlässen, in den Blickpunkt zu rücken.

Und die TTG kümmert sich dabei um die Vermarktung?

Wir sollten uns nicht mehr nur an Regionen festhalten, sondern Themen und Ereignisse mehr beachten. Wenn beispielsweise im September die Saison der Theater und Orchester beginnt, dann sollten wir das als Reiseanlass auch entsprechend bewerben.

Immer wieder wird der Marketing-Slogan „Thüringen entdecken“ kritisiert. Verändern Sie ihn, werben stattdessen – wie vielfach gefordert – mit dem „Grünen Herz“?

Das wird letztlich eine politische Entscheidung, viele fühlen sich berufen, dazu eine Meinung zu äußern und Forderungen zu stellen. Ich persönlich habe mit dem Grünen Herz eine hohe Identifikation. Zunächst werde ich mich aber dafür einsetzen, dass das aktuelle Logo eine höhere Akzeptanz bekommt. Gegebenenfalls muss es in den Anwendungsregeln angepasst werden.

Der Thüringer Tourismuschef Christoph Gösel
Der Thüringer Tourismuschef Christoph Gösel © Thüringer Tourismus GmbH | Thüringer Tourismus GmbH

Behält der Thüringer Wald in der Vermarktung eine Sonderstellung?

Die hat er. Allein schon deshalb, weil fast die Hälfte der Gäste in Thüringen dort übernachten.

Ist nach der Doppel-WM im letzten Winter die Nachhaltigkeit gesichert – anders als vielleicht bei der Buga?

Ich finde schade, dass auf dem Petersberg viel zurückgebaut wurde, kann aber insbesondere nicht verstehen, dass finanzielle Mittel für die Ega gestrichen werden sollen. Wichtig ist es, einen solch exponierten Standort langfristig auf hohem Niveau zu betreiben. Er ist ein Reiseanlass für viele Gäste. Da Nachhaltigkeit bedeutsam ist, werden der Standort Oberhof und die Sportstätten auch gezielt vermarktet. Es ist gut, dass in der Biathlon-Arena im Sommer Konzerte stattfinden. An vielen Stellen müssen wir im Thüringer Tourismus insgesamt noch zulegen, was Herzlichkeit, Liebe zum Detail und Mut zum Investieren betrifft. Das darf sich nicht auf Weltmeisterschaften beschränken.

Bleiben wir beim Sport. Bei Fußball. England bezieht zur EM Quartier in Blankenhain, im Weimarer Land, vorher die deutsche Nationalmannschaft.

Ein Riesenereignis mit einem wahnsinnigen Effekt, das wir natürlich auch touristisch nutzen wollen. Da kommen Hunderte Medienvertreter, wir werden versuchen, Thüringen bestmöglich zu zeigen, Fahrten, Besichtigungen und Treffs anbieten.

Die Engländer werden zumindest in der Vorrunde in Thüringen bleiben. Wie hoch ist denn sonst die touristische Aufenthaltsdauer von Gästen? Sie hatten mal drei Tage als Ziel angeben.

Wir haben 2023 das Niveau gehalten und sind jetzt bei 2,6. Aber es ist so, dass immer kurzfristiger gebucht wird – und die Deutschen reisen öfters, zugleich auch kürzer.

Haben Sie als Tourismuschef eine Region für sich neu entdeckt? Sie stammen aus Nordhausen, haben in Jena studiert, in Sondershausen, Arnstadt und Gotha gearbeitet, wohnen in Erfurt. Und lieben nun vor allem …?

… die Vielfalt in unserem wunderschönen Bundesland.