Erfurt. Der Thüringer SPD-Abgeordnete Oskar Helmerich, Organisator der Buchlesung mit Thilo Sarrazin am 22. Mai in Erfurt, erhält erstmals Rückendeckung durch prominente Mitglieder seiner Partei.

Der Thüringer SPD-Abgeordnete Oskar Helmerich, Organisator der Buchlesung mit Thilo Sarrazin am 22. Mai in Erfurt, erhält erstmals Rückendeckung durch prominente Mitglieder seiner Partei. Die SPD-Landräte von Nordhausen und Saalfeld-Rudolstadt, Matthias Jendricke und Marko Wolfram, warnten in Gesprächen mit unserer Zeitung vor Zwangsmaßnahmen der SPD gegen Helmerich. „Ihn auszuschließen, das geht gar nicht“, sagte Wolfram gestern. Ein öffentlicher Diskurs muss möglich sein. Sarrazin ist immerhin noch SPD-Mitglied.“

Um neun Uhr heute früh tritt die SPD-Fraktion im Landtag zusammen, um mit Helmerich scharf ins Gericht zu gehen. Nach Informationen unserer Zeitung wollen Abgeordnete Helmerichs Ausschluss aus der Fraktion verlangen – auch wenn Rot-Rot-Grün die Mehrheit im Landtag dadurch verlöre.

Marko Wolfram (SPD), Landrat im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Foto: Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt
Marko Wolfram (SPD), Landrat im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Foto: Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt © zgt

„Die Rolle der Frau im Islam, Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis, Religionsfreiheit, das sind alles Punkte, die man diskutieren kann“, sagte hingegen der Saalfeld-Rudolstädter Landrat Marko Wolfram. Ein Podiumsdisput sei dafür richtig und angemessen.

„Das gehört zu einer offenen Gesellschaft und zur Pluralität in der Partei. Wir müssen verstehen, warum Menschen Protest wählen und sie sich zum Teil sogar staatsfeindlich verhalten.“ Menschen, die Integrationsprobleme benennen, seien „nicht pauschal gegen Ausländer“, sagte Wolfram.

Helmerichs Einladung an Sarrazin, als kontroverse Politikveranstaltung gedacht, sei geeignet, um der SPD zu nützen, sagte der Nordhäuser Landrat Jendricke. Aus seiner Sicht ist die Veranstaltung „kompatibel“ mit der Ansage von SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee, AfD-Wähler nicht aufzugeben, sondern sie auf einen solidarischen Weg zurückzuführen. „Dafür muss man sich allerdings in die Themenfelder begeben, die die Menschen interessieren.“

Der Dresdner Politikprofessor Werner Patzelt sieht das genauso. Sarrazin habe als einer der ersten Politiker die politischen und gesellschaftlichen Probleme beschrieben, um die herum später die AfD groß geworden sei. „Eine Diskussion über Themen, die die Gesellschaft bewegen, ist ein wichtiger Schritt, um die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden“, sagte Patzelt unserer Zeitung. „Die Thüringer SPD gehört dafür gelobt und gepriesen.“

Der Nordhäuser Landrat Matthias Jendricke (SPD) Foto: Marco Kneise
Der Nordhäuser Landrat Matthias Jendricke (SPD) Foto: Marco Kneise © zgt

Führende Funktionäre der SPD in Thüringen sehen das bislang anders. Parteichef Tiefensee distanzierte sich am Samstag von Helmerich „und den islamfeindlichen Aussagen Sarrazins“. Tiefensee liegt damit auf der Linie der Bundes-SPD, die im Dezember ein drittes Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin eingeleitet hat, auch wegen dessen Buch „Feindliche Übernahme“.

Die Erfurter Jusos forderten am Montag: „Helmerich muss aus der Fraktion rausgeschmissen werden!“

Die SPD-Jugendorganisation Jusos kümmere sich nur um Gender- und Randthemen, kritisierten die Landräte Jendricke und Wolfram. „Die SPD-Landespolitik darf sich nicht abkoppeln von Themen, die die Menschen draußen bewegen“, sagte Jendricke.

„Wir können uns die Welt zurechtmachen, wie es uns als Sozialdemokraten am leichtesten fällt, aber das interessiert die Menschen da draußen dann nicht“. Er erwarte, dass sich ein SPD-Linker zum Streitgespräch mit Sarrazin aufs Podium setze, sagte Landrat Wolfram. „Im Streit kommt man am besten der Wahrheit ein Stück näher.“