Erfurt. Die Opposition hält von dem Deal nichts, doch die rot-rot-grüne Landesregierung ist fest entschlossen: Thüringen wird Mehrheitsgesellschafter der einst kommunalen Wohnungsbaugesellschaft in Gera.

Die Thüringer Landesregierung hat endgültig beschlossen, bei der früheren städtischen Wohnungsbaugesellschaft Elstertal in Gera einzusteigen. Das Land werde vorerst bis zu 70 Millionen Euro in die Hand nehmen, um rund 5000 Geraer Wohnungen zu kaufen, erklärte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Dienstag nach der Sitzung des rot-rot-grünen Kabinetts in Erfurt. Für das Geld werde man „vorbehaltlich der beihilferechtlichen Prüfung“ die bisher vom britischen Privatinvestors Benson Elliot gehaltenen Anteile in Höhe von 74,9 Prozent übernehmen.

Als Reaktion auf Kritik der Opposition und des Landesrechnungshofes bekräftigte Ramelow, dass es sich um ein „rentierliches Geschäft“ handele. Dies hätten insgesamt drei Gutachten ergeben. Zudem werde Bargeld aus dem Wohnungsbauvermögen des Landes, das bisher null Einnahmen bringe, in Realvermögen gewandelt.

Ramelow: Handeln auf Bitten der Stadt Gera

Der Ministerpräsident dementierte erneut, dass das Land von sich aus aktiv wurde. „Wir haben nicht vorgehabt, Wohnungen zu erwerben“, sagte er. Nachdem der Investor Benson Elliot seine Verkaufsabsicht bekundet hatte, sei man auf Bitten der Stadt Gera tätig geworden. Das Land müsse verhindern, dass die Mehrheitsanteile „in den spekulativ getriebenen Wohnungsmarkt“ gerieten. „Was wir nicht wollen, dass das Ding zerlegt und in Einzelpaketen veräußert wird“, sagte Ramelow.

Zudem bekräftigte er die Absicht des Landes, weitere Anteile von der Stadt zu erwerben, die bisher 25,1 Prozent der Wohnungsbaugesellschaft hält. Es gehe für das Land darum, insgesamt auf mehr als 75 Prozent der Anteile zu kommen, um volle Kontrolle über die Gesellschaft ausüben zu können. Der Geraer Stadtrat hatte in der vergangenen Woche Oberbürgermeister Julian Vonarb (parteilos) die Freigabe erteilt, bis zu 19,1 Prozent an das Land zu veräußern.

Ramelow sprach davon, dass man wahrscheinlich bei 14 Prozent landen könnte. Auch dafür würde wohl ein zweistelliger Millionenbetrag fällig. Auf Nachfragen wollte er sich nicht konkret äußern. „Die Strategie eines Kaufmanns erklärt man nicht auf Pressekonferenzen“, sagte er. „Und ich bin Kaufmann.“

Kritik an der Vorgängerregierung

„Wir haben das mit der Wertermittlung sehr genau genommen“, ergänzte Infrastrukturstaatssekretär Klaus Sühl (Linke), der für das Land die Gespräche mit dem Privatinvestor und der Stadt Gera führt. Die Summe sei schließlich „kein Pappenstiel“, auch wenn man sie um einen kleineren Millionenbetrag nach unten verhandeln haben könne.

Wie viel Profit das britische Unternehmen mit dem Geschäft macht, ist bislang unklar. Benson Elliot hatte erst vor knapp drei Jahren die Anteile der GWB Elstertal aus der Insolvenzmasse der Stadtwerke Gera erworben. Wie hoch der Kaufpreis war, wollte Ramelow auch am Dienstag nicht mitteilen. Er könne bei dem Gedanken daran „vor Wut“ rot im Gesicht werden, sagte er. Aber das sei „verschüttete Milch“.

In diesem Zusammenhang wiederholte der Ministerpräsident seine Vorwürfe gegenüber der Vorgängerregierung unter Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU), die damals die Insolvenz der Stadtwerke zugelassen hätte. „Wir reden von einem Desaster, das andere verursacht haben und das wir jetzt bereinigen“, erklärte er. Insofern sei es absurd, dass ausgerechnet die Union für diesen Mittwoch eine Aktuelle Stunde zum Thema beantragt habe.

CDU hält Kauf für unnötig

Die CDU, die den Kauf angesichts der niedrigen Mietpreise und der hohen Leerstands in Gera für unnötig hält, kritisierte am Dienstag das Geschäft als einen sogenannten Share-Deal. Indem das Land nur Anteile erwerbe, vermeide sie die Zahlung von Grunderwerbsteuer. Dem normalen Thüringer Bürger stehe diese Möglichkeit nicht offen, sagte der finanzpolitische Fraktionssprecher im Landtag, Mark Kowalleck. „Das ist unanständig.“

Ramelow hatte allerdings zuvor bereits den Vorwurf eines Share-Deals zurückgewiesen. Diese Praxis sei nur dann anrüchig, wenn sich Finanzgesellschaften gegenseitig Anteile abkauften, um Steuern zu sparen, sagte er. In diesem Fall handele es sich um eine „lebendige Firma“, die das Land erwerbe. Im Übrigen würden mögliche Einnahmen der Grunderwerbssteuer zu 100 Prozent ans Land gehen. Insofern sei die Behauptung Unsinn, dass sich das Land durch den Handel steuerlich besser stelle.

Laut Staatssekretär Sühl befinden sich derzeit rund 200 Millionen Euro an verfügbaren Mitteln im Wohnungsbauvermögen des Landes, das von der Thüringer Aufbaubank verwaltet werde. Davon würden nun erst einmal mindestens 70 Millionen Euro für die GWB in Gera verwendet. Der restliche Betrag stehe unter anderem für „die zweite große Sanierungswelle der Plattenbauten“ bereit.

Streit um landeseigene Wohnungsbaugesellschaft

Allerdings sagte Sühl auch: „Das Geld fließt nicht so ab, wie wir uns das vorstellen.“ Hier könne eine Wohnungsbaugesellschaft des Landes helfen. Das Kabinett hatte im April das Infrastrukturministerium damit beauftragt, ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten. Die linke Landes- und Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow sprach sich in der vergangenen Woche erneut dafür aus.

'Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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Allerdings hat der grüne Koalitionspartner inzwischen begonnen, dem Vorhaben öffentlich zu widersprechen. „Der soziale Wohnungsbau sei bei den Kommunen, bei Genossenschaften und bei alternativen Wohnprojekten in besten Händen“, erklärte der wohnungspolitische Fraktionssprecher Roberto Kobelt.

Und so bemühte sich der Linke Ramelow nach dem Kabinett um Diplomatie. Das Kabinett habe ausdrücklich nichts zum Thema einer Landeswohnungsbaugesellschaft beschlossen, erklärte er. Dies sei ausschließlich eine Position seiner Partei – aber nicht die seiner gesamten Regierung.