Ungewohnte Harmonie im Landtag: Hilfsgelder können in Thüringen fließen
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Von Martin Debes
Erfurt. Rot-Rot-Grün und CDU verabschieden gemeinsam das Corona-Hilfspaket für Thüringen. AfD und FDP äußern Kritik.
Am Freitagmorgen, als die Sondersitzung des Landtags beginnt, ziehen sich die meisten Abgeordneten der rot-rot-grünen Regierungsfraktionen schwarze T-Shirts über. „Rassismus tötet“ stand in großen, weißen Lettern darauf. Der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte sich eine schwarze Mund-Nasen-Maske mit der Aufschrift umgebunden. Alle aktuellen Entwicklungen im kostenlosen Corona-Liveblog
Anlass der Demonstration waren der Tod von George Floyd in den USA, wegen dem jetzt mehre Polizisten angeklagt sind, und die nachfolgenden Proteste und Unruhen. Aber auch in Deutschland und in Thüringen, das war die implizierte Botschaft, gibt es strukturellen Rassismus.
Die CDU jedoch machte hier – so wie die anderen beiden Oppositionsfraktionen von AfD und FDP – nicht mit. Fraktionschef Mario Voigt versuchte sich sogar in verbaler Distanzierung. Ein wenig, das war wohl auch ein Ziel der Übung, will man sich dann schon noch voneinander unterscheiden.
Denn mit der Stabilisierungsvereinbarung, welche die Union mit dem Minderheitsbündnis schloss, wird die politische Profilierung schwierig. Der Pakt besagt, dass beide Seiten bis zur Neuwahl im nächsten Jahr nicht mehr im Landtag gegeneinander abstimmen wollen. Alle Differenzen sollen zuvor wegverhandelt werden. Und was nicht zu klären ist, wie etwa die Windräder im Wald, kommt gar nicht erst zur Entscheidung im Plenarsaal.
Das Corona-Hilfspaket, mit dem mehr als 1,2 Milliarden Euro von Landes- und Bundesgeldern an Unternehmen, Kommunen, Krankenhäuser und andere Pandemiegeschädigte verteilt werden, ist das erste große gemeinsame Projekt der vier Fraktionen. Entsprechend freundlich verlief zwischen ihnen die finale Debatte vor der parlamentarischen Verabschiedung.
Die Redner der Koalitionsfraktionen und Voigt verwendeten ihre Redezeit vor allem darauf, das Paket zu loben, um dann einzelne Maßnahmen sich selbst zuzurechnen: die jeweils 500 Euro für alle Mitarbeiter der Pflegebranche, die 1200 Euro für die Soloselbstständigen oder die insgesamt 185 Millionen Euro für die Kommunen.
Auch hier war die Suche nach den Unterschieden durchaus erkennbar, aber keinesfalls dominant. So beklagte Voigt sich darüber, dass nicht, wie von der CDU beantragt, die Vergaberegeln für öffentliche Aufträge und die Ladenöffnungszeiten liberalisiert werden. Linke und Grüne wiederum verteidigten ihre Absage mit Klimaschutz und Arbeitnehmerrechten.
Insgesamt jedoch herrschte ungewohnte Harmonie im Landtag. Die hörbare Opposition beschränkte sich damit auf das knappe Drittel der Abgeordneten an den rechtsstehenden Tischen im Parksaal der Erfurter Arena, wo der Landtag coronabedingt tagt. Für FDP-Landeschef Thomas Kemmerich ist das Corona-Paket in Teilen zwar akzeptabel, aber doch „zusammengeschustert“. Es fehlten die Investitionen in Bildung oder Digitalisierung, sagte er. Zudem würden Einmalzahlungen nicht reichen.
AfD-Landeschef Björn Höcke kritisierte die geplanten gut 13 Millionen Euro, mit denen der Infektionsschutz in den Flüchtlingsheimen verbessert werden soll, als „steuerfinanziertes Wohnungsprogramm für Migranten“.
Am Ende der eher ereignisarmen Debatte stimmten die Abgeordneten von Linke, SPD und Grünen sowie der CDU geschlossen für das Paket, das nicht das letzte bleiben dürfte. Wenn nach dem Sommer das Ausmaß der wirtschaftlichen Krise abzusehen ist, könnte es das nächste Sonderprogramm geben. Spätestens dann wird die Finanzreserve, die mit dem Beschluss um 700 Millionen Euro schrumpfen soll, geleert sein – und das Land müsste erstmals seit fast zehn Jahren neue Schulden aufnehmen.