Brüssel. Die Prüfer des EU-Rechnungshofs warnen vor einem Scheitern beim Klimaschutzziel bis 2030. Auch Deutschland wird kritisiert – zu Recht.

Deutschland und die Europäische Union sehen sich als weltweiter Vorreiter beim Klimaschutz. Doch ein brisanter Report des EU-Rechnungshofs übt jetzt massive Kritik an der aktuellen europäischen Klimapolitik: Er beklagt eine geschönte Klimabilanz der EU und warnt vor einem Scheitern bei den angekündigten Minderungszielen.

„Es ist zu bezweifeln, dass die EU wie angestrebt ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um 55 Prozent gegenüber 1990 senken kann“, schreiben die Rechnungsprüfer in einem am Montag vorgelegten Gutachten. Die bisherigen Maßnahmen reichten sehr wahrscheinlich nicht aus, um die Klima- und Energieziele zu erreichen. Als „besonders besorgniserregend“ bewerteten die Prüfer, dass voraussichtlich gar nicht genügend Geld zur Verfügung steht, um die ehrgeizigen Ziele für 2030 zu erreichen.

Auch bei dem von Deutschland vorgelegten Klima- und Energieplan sei nicht angegeben, wie viele öffentliche und private Mittel für die Investitionen bis 2030 benötigt würden. Die EU hatte 2021 ein Klimagesetz mit der Festlegung beschlossen, ab 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freizusetzen. Als Zwischenziel sollen die Nettoemissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken.

Rechnungshof: So schönt Europa seine Klimabilanz

In dem Gutachten wird die bisherige EU-Politik zum Klimaschutz im Grundsatz durchaus positiv bewertet – doch monieren die Prüfer, dass die Bilanz schlechter ist als offiziell angegeben. Die positive Seite: Weltweit hätten die Emissionen von 1990 bis 2019 um 57 Prozent zugenommen, während sie in der EU um 26 Prozent gesunken seien – weil es Europa gelang, den C02-Ausstoß vom Wirtschaftswachstum abzukoppeln. Entsprechend ging der Anteil der EU an den weltweiten Treibhausgas-Emissionen im gleichen Zeitraum von 15,3 Prozent auf 7,9 Prozent zurück.

Der Europäische Rechnungshof übt in einem neuen Gutachten auch Kritik an der deutschen Klimapolitik.
Der Europäische Rechnungshof übt in einem neuen Gutachten auch Kritik an der deutschen Klimapolitik. © dpa | Monika Skolimowska

Trotzdem sehen die Prüfer Anlass zur Kritik: Die Bilanz ist nur deshalb so gut, weil die EU-Staaten die klimaschädliche Produktion in andere Länder mit weniger strengen Emissionsvorschriften ausgelagert haben – und dann die Waren importieren, ohne dass sich das in der C02-Bilanz niederschlägt. Die bisherige Berechnung folge einem produktionsbasierten Ansatz, wo die Emissionen dort erfasst würden, wo die Produkte hergestellt würden.

„Würde die EU von einem verbrauchsbasierten Ansatz ausgehen, der auch die Verlagerung von CO2-Emissionen berücksichtigt, wären die Emissionen der EU schätzungsweise um etwa acht Prozent oder 300 Millionen Tonnen CO2 höher als gegenwärtig gemeldet“, heißt es in dem Gutachten. Die EU-Kommission beziehe in ihre Rechnungen aktuell auch nicht alle Emissionen aus dem internationalen Luft- und Seeverkehr in ihr Treibhausgasziel ein, sondern nur aus diesem Verkehr innerhalb der EU.

Andernfalls fiele die Emissionsbilanz um weitere zwei Prozent höher aus. Die Prüfer relativieren auch die Erfolgsmeldungen, dass die EU ihre Klima- und Energieziele für 2020 erreicht hat. Zum Teil sei dies auf externe Faktoren wie die Corona-Pandemie zurückzuführen. Deutschland, Irland und Malta hätten ihre Treibhausgasziele für 2020 zudem gar nicht eigenständig erreicht, sondern nur durch den Kauf von Emissionszertifikaten oder Anteilen erneuerbarer Energien von anderen Mitgliedstaaten, die ihre Zielvorgaben übertroffen hätten.