Washington. Richterin Tanya Chutkan entscheidet, ob Trump hinter Gitter muss. Frühere Urteile lassen für den Ex-Präsidenten nichts Gutes erahnen.

Sie hat sich den mutmaßlich größten Fall ihrer Karriere nicht selbst ausgesucht. Der Zufalls-Generator ist schuld daran, dass Tanya Chutkan demnächst über Freiheit oder Gefängnis für Donald Trump zu entscheiden hat. Dennoch ist der anstehende Prozess für die 61-jährige Juristin, die aus Jamaika stammt und vor gut zehn Jahren auf Vorschlag des damaligen Präsidenten Barack Obama Bundesrichterin in Washington wurde, bereits die zweite Begegnung mit dem Ex-Präsidenten.

Im Jahr 2021 wollte Trump nach seiner dem Ende seiner Amtszeit verhindern, dass ein Untersuchungsausschuss des US-Kongresses Briefe, Videos, Fotos und Besucher-Protokolle aus den letzten Tagen seiner Amtszeit in die Hände bekommt. Tage, die vom Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 geprägt waren. Chutkan ließ Trump barsch abblitzen. „Präsidenten sind keine Könige“, erklärte sie. „Und der Angeklagte ist nicht Präsident.”

Damit legte sie indirekt die Grundlage für die immensen Recherchen der parlamentarischen Kontrolleure, die wiederum in die Arbeit von Sonder-Ankläger Jack Smith eingeflossen sind, der Trump einer Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten beschuldigt. Nun entscheidet Chutkan erneut über Wohl und Wehe des derzeitigen Favoriten auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur.

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Trump wollte Prozess verlegen, Chutkan ließ ihn abblitzen

Im Vorfeld des laut US-Medien „Jahrhundert-Prozesses” gegen einen Ex-Präsidenten, der bezichtigt wird, dass er die Wahl von 2020 nachträglich illegal kippen wollte, ließ Chutkan eine ähnlich Rigorosität erkennen. Versuchen der Trump-Anwälte, gerichtliche Vorgaben hinauszuzögern, kommt die juristisch in Washington und Philadelphia ausgebildete Mutter zweier Söhne mit engen Fristablauf-Terminen in die Quere.

Über den Starttermin des Prozesses wird sie voraussichtlich am 28. August entscheiden. Auch, dass Chutkan dem Drängen von Trump-Anwalt John Lauro auf Verlegung des Prozesses in den Bundesstaat West-Virginia nachkommt, gilt in Justizkreisen als aussichtslos. Dort wäre ein weniger von demokratischen Wählern geprägter Geschworenen-Pool zu erwarten als in der Hauptstadt Washington.

Im Regen: Ex-Präsident Donald Trump.
Im Regen: Ex-Präsident Donald Trump. © dpa

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In Sachen Sturm aufs Kapitol, der nach landläufiger Meinung bis in Republikaner-Kreise hinein von Trump inspiriert war, hat Chutkan bereits mehrfach auf besondere Weise Recht gesprochen. Bei Urteilen gegen über 30 Marodeure, die seinerzeit mit teilweise brutaler Gewalt gegen die Polizei die amtliche Zertifizierung des Wahlsieges von Präsident Joe Biden verhindern wollten, ging Chutkan nicht selten über das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß hinaus.

Chutkan: „Unvoreingenommenheit, Fairness und Vorbereitung”

Sie verhängte teilweise noch empfindlichere Strafen von bis zu sechs Jahren. „Es muss klar werden, dass eine Strafe folgt, wenn man die friedliche Machtübergabe zu stoppen versucht und die Ordnungskräfte angreift“, sagte Chutkan. Die Angeklagten hätten die Hallen des Kapitols „beschmutzt und entwürdigt” und dokumentiert, dass sie den Rechtsstaat verachten. „Das Land verfolgt aufmerksam, welche Konsequenzen es hat, was nie zuvor in unserer Geschichte geschehen ist”, so die Richterin.

Bei ihrer Zulassungsanhörung im Senat 2013 hatte Chtukan betont, dass für sie „Unvoreingenommenheit, Fairness und Vorbereitung” das A und O des Richter-Berufs seien. Chutkans Auftritt damals beeindruckte parteiübergreifend. Demokraten und Republikaner winkten sie mit 95 zu 0 Stimmen durch. Heute werfen Republikaner der Richterin vor, sich für die „politische Hexenjagd” herzugeben, die Präsident Biden gegen seinen mutmaßlichen Widersacher bei der Wahl im kommenden Jahr eingeleitet habe.