Berlin. Yoni Ashers deutsche Frau und Kinder wurden von der Hamas entführt. In Berlin wendet sich der Israeli verzweifelt an die Öffenlichkeit.

Yoni Ashers Blick geht oft ins Leere. Er sieht müde aus. Hinter ihm liegt ein langer Flug aus Israel und eine Rede bei der Solidaritätskundgebung vor dem Brandenburger Tor. Die Sorge steht ihm ins Gesicht geschrieben – die Sorge um seine Frau Doron und den beiden Kindern Aviv und Raz.

Am 7. Oktober wurden sie im Kibbuz Nir-Oz von der Hamas entführt, als sie die Schwiegermutter besuchten. Die Schwiegermutter wurde getötet, die anderen in einem Truck verschleppt. Er weiß es, denn die Bilder von seinen Liebsten wurden in den Sozialen Medien verbreitet. Frau und Kinder haben laut Asher die deutsche Staatsbürgerschaft, daher ist er für 48 Stunden nach Berlin gekommen, um an die Politik hierzulande zu appellieren, tätig zu werden.

Herr Asher, heute haben Sie vor einer großen Menschenmenge vor dem Brandenburger Tor gesprochen. Politiker, darunter der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, waren anwesend und zeigten ihre Solidarität. Was bedeutet ihnen diese Geste?

Yoni Asher: Ich war begeistert vom Ausmaß an Unterstützung. Nicht nur aus der jüdischen Gemeinschaft, die mich hier sehr gut aufgenommen hat, sondern auch aus der nicht-jüdischen Gemeinschaft. Sie akzeptieren uns hier und helfen uns. Ich war auch erfreut über das Beisein des Bundespräsidenten. In Israel habe ich mich bereits mit der Außenministerin getroffen und war sehr dankbar dafür.

Politiker über Parteigrenzen hinweg, Bundespräsident Steinmeier und weitere Organisationen haben sich am Sonntag für die Befreiung der Hamas-Geiseln eingesetzt.
Politiker über Parteigrenzen hinweg, Bundespräsident Steinmeier und weitere Organisationen haben sich am Sonntag für die Befreiung der Hamas-Geiseln eingesetzt. © Funke Foto Services | Maurizio Gambarini

Was erwarten Sie nun von der deutschen Politik, insbesondere von Olaf Scholz?

Ich habe keine Ausbildung in Diplomatie oder militärische Kenntnisse. Der Kanzler aber ist nicht umsonst in diese Position gekommen, in der er ist. Er ist einer der mächsten Politiker auf der Welt und hat angesichts der deutschen Geiseln die Verantwortung, diese zu befreien. Dazu hat er die notwendige Macht.

Zwei US-Geiseln wurden kürzlich befreit. Geben Ihnen solche Nachrichten Hoffnung?

Ja, es gibt mir Hoffnung. Ich habe es am Freitagabend gesehen und war überrascht davon. Ich freue mich für die Familien und über die Bilder. Ich muss aber zugeben, jede neue Information, vor allem eine solche, über eine Befreiung, wird analysiert und auf die eigene Situation bezogen. Dabei stellt man sich selbst viele Fragen. Gerade habe ich wenige Informationen, um irgendwas über den Zustand meiner Familie sagen zu können. Die Behörden, mit denen ich in Kontakt bin, haben mir versprochen, dass sie ermitteln und alles tun, um mir klare Antworten zu meiner Situation liefern zu können.

Wann haben Sie das letzte Mal von Ihrer Familie gehört?

Das letzte Mal habe ich mit ihnen am Samstag, dem Tag ihrer Entführung, telefoniert. Sie besuchten das Haus meiner Schwiegermutter. Das war das letzte Mal, dass ich mit meiner Frau Kontakt hatte.

„Bring Yarden Home Now“: Demonstrant fordert bei der Solidaritätskundgebung für Israel die Freilassung von Yarden Romann, eine von mehreren deutschen Hamas-Geiseln.
„Bring Yarden Home Now“: Demonstrant fordert bei der Solidaritätskundgebung für Israel die Freilassung von Yarden Romann, eine von mehreren deutschen Hamas-Geiseln. © Stefan Boness/Ipon | Stefan Boness/Ipon

Sie machen sich selbst Vorwürfe. Aus dem Grund, dass Sie Ihre Familie nicht hätten schützen können und dass Sie hilflos seien. Ihre Rede haben Sie mit dem Satz eingeleitet „I am a fool“ („Ich bin ein Narr“). Warum?

Es war ein persönlicher und familiärer Ansatz in meiner Rede. Vielleicht sind wir beide Väter. Auch wenn Sie aus Deutschland kommen und eine andere Staatsbürgerschaft haben, denke ich, dass wir als Eltern alle die gleichen Gefühle gegenüber unseren Kindern haben. Jeder von uns versucht, soviel Zeit mit seinen Kindern und seiner Frau zu verbringen wie möglich. Die Menschen sollen realisieren, dass die Nationalität in dieser Sache keine Rolle spielt.

Wie gehen Sie mit den Unsicherheiten um?

Sie können mit solchen Unsicherheiten nicht umgehen. Man kann die positiven oder negativen Gedanken zulassen. Die Frage ist, welche Gedanken am Ende die Kontrolle über einen gewinnen. Ich muss mich auf die positiven Gedanken fokussieren.

Von welchen Seiten erfahren Sie derzeit Unterstützung?

Ich erhalte große Unterstützung nicht nur von der Familie und von Freunden, sondern auch von Menschen, die ich vorher gar nicht kannte. Außerdem helfen mir freiwillig Menschen, die sich beispielsweise im Umgang mit Medien auskennen. Die Unterstützung ist enorm.

Welche Botschaft möchten Sie an Ihre Frau und Ihre Kinder senden?

Ich möchte Ihnen meine Liebe senden und will, dass Sie mich hören. Vielleicht wird meine Botschaft irgendwie durchkommen. Vielleicht wird meine Frau sehen, wie ich mich um ihre Rückkehr bemühe. Meine Botschaft ist: Bleibt stark, liebt einander und habt keine Angst.

Sie sind nur 48 Stunden in Berlin. Was ist Ihr Plan für danach?

Ich werde nach Israel zurückkehren. Seit dem 7. Oktober lebe ich nicht von Tag zu Tag, sondern von Minute zu Minute. Man weiß nie, was als nächstes passiert, welche Nachrichten einen erreichen. Alles ist gerade sehr dynamisch. Das einzige, was ich will, ist, dass die Dinge wieder wie früher werden und ich meine Familie wieder habe.