Berlin. Noch nie hat ein Land das Bündnis verlassen. Doch immer wieder haderten Mitgliedsstaaten mit der Nato. Wie schwer wäre ein Ausstieg?

Was passiert, wenn Trump in einer möglichen zweiten Amtszeit die Nato verlassen will? Dieses Szenario sorgt derzeit für große Unsicherheit bei den anderen Nato-Ländern. Aber sollte sich das mögliche Staatsoberhaupt für diesen Schritt entscheiden – wäre ein Austritt überhaupt so einfach möglich?

Wie kompliziert es sein kann, aus internationalen Verträgen auszusteigen, hat der Brexit gezeigt. War die Entscheidung durch das Referendum der Briten schnell getroffen, dauerte es fast fünf Jahre, bis Großbritannien die Europäische Union verlassen konnte. Es bedurfte unzähliger Verhandlungsstunden, bis sich beide Vertragspartner über künftige Handels- und Wirtschaftsverträge einig wurden.

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Nato-Austritt: Lediglich ein Jahr Kündigungsfrist

Ob das im Falle eines Nato-Austritts auch so wäre, ist fraglich. Grundsätzlich gilt für Staaten die Bündnisfreiheit. Sie können sich militärischen Bündnissen anschließen, sich aber auch als neutral erklären. Entscheidet sich ein Staat im Konfliktfall für Neutralität, dürfen auf seinem Territorium aber auch keine fremden Truppen stationiert sein, die an einem Krieg teilnehmen.

Bislang hat sich noch nie ein Nato-Mitgliedsstaat für einen vollständigen Austritt aus dem Bündnisvertrag entschieden. Dabei wäre er formal recht einfach: „Nach zwanzigjähriger Gültigkeitsdauer des Vertrages kann jeder vertragschließende Staat aus dem Verhältnis ausscheiden, und zwar ein Jahr nach Erklärung seiner Kündigung“, lautet Artikel 13 des Nordatlantikvertrages. Staaten, die die Nato verlassen wollen, müssen dies der US-Regierung melden, „diese unterrichtet die Regierungen der anderen Parteien von der Hinterlegung jeder Kündigungsmitteilung“, so heißt es in Artikel 13 weiter.

Die zwanzig Jahre sind längst überschritten, weswegen für einen Austritt lediglich die einjährige Kündigungsfrist zu beachten ist. Praktisch kann ein Austritt dennoch relativ schwierig sein. Denn die Nato-Mitgliedsstaaten investieren unterschiedlich viel in das Verteidigungsbündnis. Die USA etwa sind mit einem Rüstungsetat von zuletzt 822 Milliarden US-Dollar und rund 1,3 Millionen Soldaten der größte Geld- und Rüstungsgeber in dem Verteidigungsbündnis. US-Streitkräfte sind in hunderten Militärbasen im Ausland im aktiv. US-Atomwaffen sind im Rahmen der sogenannten „nuklearen Teilhabe“ in mehreren europäischen Ländern gelagert. Sich aus diesen Strukturen gänzlich herauszulösen, wäre ein langwieriges Vorhaben. Für andere Länder wiederum wäre ein Nato-Austritt logistisch leichter. Island etwa unterhält keine eigene Armee und stellt der Nato lediglich Stützpunkte und Überwachungsanlagen zur Verfügung.

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Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Generalsekretär Jens Stoltenberg. © AFP | Octavio Jones

Verfassungen der Mitgliedsstaaten entscheidend

Weitere Hürden dürften in den unterschiedlichen Verfassungen der mittlerweile 31 Mitgliedstaaten verankert sein. Von der Türkei über die USA bis hin zu den EU-Ländern ist die Macht der Regierungschefs unterschiedlich stark ausgeprägt.

Das heißt, die Hürden einen Nato-Austritt zu erklären, sind in den Ländern unterschiedlich hoch. In den USA hat der US-Kongress Ende 2023 beschlossen, dass der Präsident den Senat und das Repräsentantenhaus 180 Tage vor einem geplanten Austritt über diesen informieren muss. Außerdem bedarf der Nato-Austritt der Zustimmung beider Kongresskammern oder einer Zweidrittelmehrheit im Senat.

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