Berlin. In der Kampener Pony Bar feiern Nazis, grölen Parolen, und mal wieder hat keiner was mitbekommen. Kein Platz für Rassismus? Von wegen.

Ein Video aus der Sylter Pony Bar verstört die Republik. Der Inhalt ist an geistiger Armut nicht mehr zu unterbieten und zeigt in nur 14 Sekunden, was lange schon kein Geheimnis mehr ist: Deutschland hat quer durch wirklich alle Gesellschaftsschichten ein gewaltiges Problem mit rechtsextremem Gedankengut.

Der kurze Clip flutet seit Donnerstag die sozialen Medien und zeigt überwiegend weiße junge Menschen, adrett gekleidet, im Hintergrund steht eine Mercedes-G-Klasse, und aus den Mündern dröhnt es in Schampuslaune: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“.

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Die rechtsextreme Kampfparole hat in Deutschland gute Tradition, von Kaisers Zeiten über Hitler nach Hoyerswerda und – seit neuestem – TikTok, wo der nicht zuletzt antisemitische Ruf zum Ohrwurm wurde, unterlegt mit der überaus eingängigen Melodie von Gigi D’Agostinos „L’amour Toujours“.

Eine bodenlose Dummheit

Es sind fünf Worte voller Stumpfsinn, die ein deutsches Land beschwören, in dem sich die Deutschen völlig selbstverständlich aufschwingen zu Herren, zu Richtern darüber, wer in Sicherheit und Wohlstand leben darf, und wer nicht, wer hier den Ton angibt, und wer sich einzuordnen, unterzuordnen, hat. Deutsche Leitkultur? Eher Leidkultur: Völkisches Denken, zur Schau gestellt bei Beach Vibes auf der Whiskymeile.

Philipp Luther Redakteur FUNKE ZR Berlin
Philipp Luther Redakteur FUNKE ZR Berlin © privat | Privat

Der im Video angedeutete Hitlergruß samt Bärtchen, die Kamera verweilt lange auf ihm, stellt dazu unumwunden klar, dass hier nicht etwa Gedankenloses von sich gegeben wird, sondern die Grölenden einer Weltanschauung frönen, die Millionen Menschenleben vernichtet hat. Sie wissen, was sie tun.

Das alles ist für sich verachtenswert und zu verurteilen, als bodenlose Dummheit, als widerwärtig und schlicht traurig, gerade in Zeiten, in denen mehr und mehr Menschen vor Krieg nach Deutschland fliehen, fliehen müssen, vor Hunger und Verfolgung, in Zeiten, in denen das Menschenrecht auf Asyl auf höchster europäischer Ebene angegriffen ist und laut über Lager an den EU-Außengrenzen nachgedacht wird.

Kein Platz für Rassismus?

Das eigentlich erschreckende aber ist, dass hier mal wieder unwidersprochen Menschenfeindlichkeit zutage treten darf. Laut Betreiber der Pony Bar waren rund 300 Gäste anwesend, weswegen man nicht mitbekommen habe, was die Menschen da skandierten. Hätte man es mitbekommen, man hätte die „Nazis“ hinausgeworfen, denn: „Es gibt hier keinen Platz für Rassismus!!!“ Das schreibt die Bar auf Instagram, mit gleich drei Ausrufezeichen und verhängt unter anderem lebenslanges Hausverbot.

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Nur: Es gibt eben doch Platz für Rassismus, das Video zeigt es, jede Menge sogar und nicht nur in der Pony Bar in Kampen, auf Sylt. In Bayern hat es zuletzt ganz ähnliche Vorfälle geben, bei Partys der AfD und der FDP-Jugend, und damit in der Mitte unserer Gesellschaft.

'Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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Gäbe es dort nun wirklich „Keinen Platz für Rassismus!!!“, irgendjemand wäre eingeschritten und hätte die Grölenden hochkant entfernt, sie und ihre Weltanschauung in die Schranken gewiesen, mit Taten, nicht wohlfeilen Worten. Stattdessen passiert, was viel zu oft passiert, in Deutschland: wegschauen und weitermachen. 300 Menschen auf der Party in Sylt, und keiner hat was mitbekommen, von den Nazis in ihrer Mitte? Das ist schwer zu glauben – und nicht zu akzeptieren.