Nove Mesto. Janina Hettich-Walz beendet die erfolglose deutsche Zeit bei den Weltmeisterschaften in Nove Mesto und gewinnt Silber im Einzel.

Ungläubig hielt sie beim Zieleinlauf kurz die Hände vors Gesicht. So, als könnte Janina Hettich-Walz nicht fassen, was ihr soeben widerfahren ist. Noch nie in ihrer fünfjährigen Weltcup-Karriere hatte es die Schwarzwälderin geschafft, das Siegerpodium zu besteigen. Fünfte Plätze waren bislang ihre besten Einzel-Ergebnisse. Bis zu diesem denkwürdigen Dienstagabend, an dem sie vorneweg die deutschen WM-Biathleten aus dem Tal der Tränen führte.

Nachdem sie sich nach den ersten Enttäuschungen am liebsten im nassen Schnee von Nove Mesto vergraben hätte, erlebte die gesamte deutsche Mannschaft eine fast wundersame sportliche Auferstehung. Mit drei Sportlerinnen unter den ersten Fünf im schweren 15-km-Einzelrennen zeigte sie eine kaum für möglich gehaltene Trotzreaktion. Sowohl die neue Vizeweltmeisterin Hettich-Walz (20,5 Sekunden zurück) als auch WM-Debütantin Selina Grotian als Sensationsvierte (1:01,1 Minuten) und die fünftplatzierte Vanessa Voigt (1:06,2) blieben bei den 20 Versuchen ohne jeglichen Schießfehler.

Janina Hettich-Walz hält beim Zieleinlauf fassungslos die Hände vors Gesicht.
Janina Hettich-Walz hält beim Zieleinlauf fassungslos die Hände vors Gesicht. © AFP | MICHAL CIZEK

Nur die favorisierte Italienerin Lisa Vittozzi war am Ende nicht zu bezwingen und holte sich nach 40:02,9 Minuten das erste Gold für ihr Team bei den Biathlon-Titelkämpfen. Die Bronzemedaille sicherte sich die Französin Julia Simon (ein Fehler/29,6 Sekunden zurück), die erstmals nach drei Siegen in Nove Mesto nicht triumphiert hatte.

Grotian und Voigt als Vierte und Fünfte ebenfalls fehlerfrei

Mit dem größten Erfolg ihrer Laufbahn trat Hettich-Walz in die Fußstapfen von Andrea Henkel. Die Thüringerin hatte bei der ersten WM in Nove Mesto vor elf Jahren kurioserweise auch im Einzel mit Silber die erfolglose Zeit der deutschen Skijäger beendet. „Das ist eine Medaille fürs ganze Team. Als im Ziel die ‚2‘ aufgeleuchtet ist, konnte ich es erst nicht glauben“, meinte die 27-Jährige. Sie dankte ihrer Familie und den Trainern – und hatte sichtlich Mühe, den Überraschungserfolg einzuordnen.

„Ich bin unheimlich stolz auf die Mädels. Wir haben gezeigt, dass wir die erste Woche abgehakt und die richtigen Lösungsansätze gefunden haben“, meinte Voigt und kämpfte wie nach der Verfolgung am Sonntag mit den Tränen. Diesmal allerdings mit jenen der Freude. Vor allem der Auftritt ihrer erst 19-jährigen Zimmerkollegin Grotian machte sie fast sprachlos: „Das kleine Küken ist auch noch vor mir. Ein Wahnsinn.“

Die letzten Tage waren für alle alles andere als einfach. Die Debatte um das Skimaterial inklusive Krisensitzung am Montag mit den Skitechnikern hatte den deutschen Biathleten mächtig zugesetzt. Hinzu kamen etliche Hassbotschaften in den sozialen Medien. Voigt sprach von „teils erschreckenden Nachrichten“ nach den unbefriedigenden Auftritten. Doch gemeinsam schafften sie es, die richtige Antwort zu geben und durften zu Recht feiern. Hettich-Walz: „Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, das Blatt komplett gewendet zu haben.“

Die deutschen Männer wollen es am Mittwoch nachmachen

Aufstehen wollen am Mittwoch auch ihre männlichen Teamkollegen. Für den 20-km-Einzel schickt Deutschland Benedikt Doll, Johannes Kühn, Philipp Horn und erstmals in Nove Mesto auch Roman Rees ins Rennen (17.20 Uhr/ZDF, Eurosport). Er ersetzt Philipp Nawrath. Der für den „schießlastigen“ Wettbewerb – statt einer Strafrunde zieht ein Schießfehler eine Extraminute nach sich – prädestinierte Justus Strelow wird für die Single-Mixed-Staffel am Donnerstag geschont.

„Es ist ein gewisser Nullstart für mich. Ich kann nur schwer einschätzen, wie ich im Vergleich zur Konkurrenz stehe“, erklärte Rees, der zum Saisonauftakt in Östersund den Einzel gewonnen hatte. „Aber ich brenne auf meinen Einsatz hier bei der WM vor einer gigantischen Kulisse.“