Berlin. Airbus ist im Aufwind, Boeing erlebt Pannen und Pleiten. Wer ist schneller, billiger? Geht der Konkurrenzkampf auf Kosten der Qualität?

Ups, der Reifen im Bugfahrwerk rollt davon. Kurz vor dem Start weist der Tower den Piloten der Fluggesellschaft „Delta“ auf das Malheur in der Boeing 757 hin. Boeing? Schon wieder?

Der Vorfall am Samstag im US-Bundesstaat Georgia wurde gerade erst bekannt. Fast zeitgleich beklagte Ben Minicucci, CEO von Alaska Airlines, in einem Interview, dass seine Fluggesellschaft „einige lose Schrauben an vielen“ Boeing 737 Max 9 gefunden habe.

An diesem Satz sind drei Punkte alarmierend:

  • Der Flugzeugtyp. Am 5. Januar hatte sich eine Servicetür im Rumpf einer Boeing 737 Max 9 gelöst. Daraufhin hatte die Aufsichtsbehörde eine Untersuchung angeordnet und zunächst ein Flugverbot in den USA verhängt
  • Lose Schrauben in einem Flugzeug sind nicht gerade vertrauenerweckend.
  • Nicht weniger besorgniserregend ist das kleine Wort „viele“. Kein Einzelfall also.

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In Turbulenzen steckt das Unternehmen seit Langem, obgleich es 2023 sogar mehr Flugzeugauslieferungen und -bestellungen als im Vorjahr gemeldet hat. Jede Panne, die natürlich auch intern Kontrollen auslöst, kann die Boeing-Aktien allerdings am Boden halten. Und indirekt verleiht sie Airbus Auftrieb, dem Konkurrenten, der zum fünften Mal in Folge seine Position als weltweit größter Flugzeughersteller festigt. Das bleibt nicht unbemerkt von Investoren, Airlines und Passagieren. Dabei sollte 2024 für Boeing eigentlich das Jahr des Comebacks werden. Eigentlich.

Woran leidet die Qualität?

Als gesichert gilt, dass Boeing Qualitätsprobleme hat, angefangen mit der Lieferkette. Allerdings ist beispielsweise Spirit AeroSystems, der Hersteller des Türstopfens, der bei der Boeing 737 Max 9 im Steigflug herausbrach, auch ein wichtiger Zulieferer für Airbus-Maschinen. Die Unglücks-Boeing war nagelneu, weshalb Experten die Aufmerksamkeit auf einen ganz anderen Bereich lenken: auf die Montage.

Boeing hat Dutzende Zulieferer. Es kann sein, dass die Tragflächen in Japan entworfen werden, das Höhenleitwerk aus Italien und andere Teilen aus den USA kommen. Bei Boeing läuft dann die Endmontage. Das ist aber bei Airbus nicht viel anders. Aus ganz Europa kommen die Komponenten für die Endmontagelinien in Hamburg und Toulouse.

Die Frage ist nur, ob die Bauteile qualitativ hochwertig sind, zusammen passen und der Zeitplan stimmt. Schon beim Dreamliner, bei der Boeing 787, kam die Markteinführung mit dreijähriger Verspätung. Das kostet Geld und ist für das Image einer Firma nicht förderlich. Und das bei einem Unternehmen, das jahrzehntelang auf seine Ingenieursleistungen zurecht stolz war.

Gewinnmaximierung versus Streben nach Qualität?

Manche Beobachter machen die Krise am Umzug des Managements fest. Vor über 20 Jahren zog es vom Traditionsstandort Seattle nach Chicago, fast 3.000 Kilometer entfernt von den Werken. Das Gros der Belegschaft blieb in Seattle, die Distanz zur Führung wuchs, buchstäblich.

Ob die Pannen der letzten Jahre darin ihren Ursprung haben? Die Frage ist vielleicht eher, was der größere Antrieb ist, dominiert Gewinnmaximierung oder das Streben nach Qualität? Dass Zeit und Geld zu sparen, entscheidende Kriterien sind, belegt tatsächlich die Entstehung der 737 Max-Reihe.

Nachdem Airbus mit der 320neo einen Jet entwickelte, der nochmal mit weniger Sprit auskam, musste Boeing mitziehen. Es war schneller, einfacher und billiger, die Max-Variante der Boeing 737 zu entwickeln, die seit den 60er Jahren flog, als auf ein völlig neues Modell zu setzen.

Eine heikle Frage ist, ob der Wettlauf sich rächt: bei Sicherheit und Verlässlichkeit. Beide Unternehmen spielen die Sorge herunter. Airbus-Chef Guillaume Faury kündigte im November 2023 an, die Produktion des A320neo auf 75 Jets pro Monat zu steigern. Boeing will seinerseits den Bau von 737-Maschinen auf 50 pro Monat erhöhen.

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